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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.11.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1915-11-20
- Erscheinungsdatum
- 20.11.1915
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. .)/ 270, 20. Nooember ISIS. schivister, Kinder und Freunde suchen in Gedanken da- Grab eines Lieben im fernen Feindeslande. So bindet uns alle das Gedenken an unsere teuren Toten, drautzen und im Vaterland. Aber das Leben fordert sein Recht, und so schweifen unsere Betrachtungen weiier. Ich will eine fülle Stunde benutzen zu dem Versuche, einige Ihrer Fragen kurz zu beantworten. Viel leicht ist diese oder jene Bemerkung für Ihre Zwecke brauchbar. Ich gehe aus vom Standpunkt des gemeinen Mannes, be schränke mich auf diesen und bleibe im engen Kreise meiner Kom pagnie. So weit reicht, glaube ich, meine Tatsachen-Kenntnis, darüber hinaus könnte ich nur vom Hörensagen berichten, und da mit würde Ihnen nicht gedient sein. Die Leute stehen im Alter von 19 bis zu 43 Jahren, stammen meist aus Oberschlesien, aber auch Waldenburger, Striegauer, Breslauer sind nicht wenige dabei, dann etliche Polen aus dem Ruhrkohlengebiet und einige reine Westfalen. Von Beruf sind viele Grubenarbeiter; das Handwerk ist mannigfach vertreten, die Landwirtschaft vom selbständigen Bauern bis zum Pferde knecht; endlich sind einige Handelsleute und zwei Schriftsetzer zu finden. Manche lesen nichts, viele begnügen sich mit ge legentlicher oder regelmäßiger Zeitungslektüre; einzelne halten ein Fachblatt, die Hälfte etwa — reichlich 100 Mann — liest auch Bücher, und zwar fast ausschließlich aus der Kompagniebibliothek. Einige Leute wünschen regelmäßig bei Rücklieferung eines Bandes einen andern zu erhalten, andere begehren nur hin und wieder ein Buch. Leichtem, besonders humoristischem Lesestoff, Büchern, die nichts vom Kriege, nichts vom Soldatenleben wissen, gibt man den Vorzug. Bis vor kurzem bestand die Kompagniebiblio thek aus etwa 60 Reclambändchen, von Blüthgen, Bret Harte, David, Eckermann (Goethe), Fichte, Habberton, Hebbel, Hoeser, Jokai, Kielland, Lagerlöf, Mark Twain, Schnitzer, Schwab, Stif ter, Strindberg, Westkirch und anderen Autoren. Neuestem sind noch etwa hundert Bändchen anderer billigen Sammlungen dazu- gekommen (Kürschners Bücherschatz, Deutsche Jugendbücherei u. ä.). Der äliere Teil der Bibliothek ist Schenkung, wahrschein lich vom Roten Kreuz, zur Beschaffung des neueren haben die Offiziere und Unteroffiziere der Kompagnie 30 gespendet. Die ser Betrag wurde an eine Feldbuchhandlung, die sich angeboten hatte, eingesandt, nach drei Monaten bestätigte eine Leipziger Firma den Eingang, und auf Reklamation trafen wieder etliche Wochen später die Bücher aus Leipzig «in! Zufall oder Organi- salionssehler? Ich weiß es nicht. Zum Lesen von Büchern bleibt den Leuten wenig Zeit. Wir sind im Stellungskriege. Ist die Kompagnie in vorderster Linie (meist 96 Stunden hintereinander), so steht der Mann täglich zwölf Stunden auf Posten, in den verbleibenden zwölf Stunden wird Holz geholt und zerkleinert, Essen geholt und verzehrt, Kaffee, Brot, Käse, Post usw. empfangen, werden Sachen instand- geseyt, Gewehre gereinigt, Läuse, Mäuse, Ratten gejagt, Gräben und Unterstände gebessert, Briefe geschrieben und schließlich auch — geschlafen. An den Tagen der Reserve und der »Ruhe« gibt es Arbeitsdienst und Appelle in Fülle. Immer aber fehlt es an ruhigen Leseplätzchen, und über dem Ganzen schwebt die stete Spannung der Lebensgefahr. Es scheint, als ob der Krieg manche Leute zu einer ernsteren Lebensauffassung führte, die Liebe zu ihren Angehörigen vertiefte, aber von einem Einfluß der kriegerischen Verhältnisse auf lite rarisch« Bedürfnisse ist nichts zu spüren. Ich muß zufällig die Briefe und Karten der Unteroffiziere und Mannschaften vor der Abgabe zur Post durchsehen, kenne also das Innere manches Kopfes und Herzens ein wenig und kann über diese Dinge mit« reden. Sich selbst Bücher zu kaufen meidet man, schon weil der Sol dat wie jener Philosoph omina sua seeum pvrtat. Geschenke wer den bisweilen gemacht: eine Puppe (französischer Soldat), ein Kästchen Keks, eine Tafel Schokolade, Geld. Aber Bücher? Sie müßten in den Kantinen zu haben sein. Wer bestimmt, was vor rätig zu halten ist? Wer kontrolliert die Bestände und ihre Er gänzung? Wer versteht den Verkauf? Oder es müßte jemand das Wagnis unternehmen, den Buchhandel im Umherziehen von Dorf ruine zu Dorfruine zu betreiben. Ich glaube nicht, daß er die Kosten verdienen würde, und will nicht fragen, ob die Erlaubnis! 1516 zu solcher Reise in den Operationsgebieten leicht oder schwer zu erlangen sein würde, wo der Reisende nächtigen, wie er sich verpflegen soll, und wie viele sich bereit finden würden, im Wirkungsbereich der feindlichen Geschosse friedlichem Handel obzuliegen. Meine Mitteilungen beruhen lediglich auf Erfahrungen, die ich im engen Kreise einer Kompagnie dicht vor dem Feinde gesammelt habe. Hier dürste buchhändlerische Betätigung ein ziemlich stricht loses Unterfangen sein. Hinter der Front mag's ganz anders aus sehen, ich will es hoffen. Doch mögen darüber solche Kollegen berichten, die dort Dienst tun. B. Althaus, z. Zt. Ofs.-Stellv. in einem Jns.-Regt. XXVIII. Nordfrankreich, den 29. Oktober 1915. Wenn Sie in Ihrem Rundschreiben vom 15. d. M., für dessen Zusendung ich Ihnen sehr verbunden bin, den Glauben zum Aus druck bringen, daß beim feldgrauen Buchhändler das neue Ich sich in einer stillen Stunde des Buchhändlers erinnere, und daß es nur der Anregung von außen bedürfe, um ihn wieder zu dem zu machen, was er früher war, so kann ich dieser Mei nung, was mich betrifft, nur beipflichten. Eine solche stille Stunde war mir vor kurzem beschieden. Die ersten Sturmtage der »großen Offensive« waren vorüber, und meine Kompagnie, die vor Arras in Reserve gelegen, war in die alten Quartiere zurückgekehrt, nachdem alle Angriffe der Franzosen, der kolorierten und Weißen Engländer die verdiente Abweisung erfahren hatten. Diese Tage waren für uns nicht ganz leicht gewesen, denn wir hatten anstrengende Märsche mit Sack und Pack, und das Herumliegen in Ställen, Heustadeln und Scheunen, z. T. übelriechenden, z. T. allzu luftigen Lagerstätten, das Schlafen in voller Ausrüstung, mit dem Gewehr im Arm, das in Bereitschaft Untätigbleibcnmüssen während des furcht- barsten Artillerie-Feuers waren auch nicht gerade eine Erholung. Umso wohltuender und angenehmer empfand ich es daher, als ich bald nach unserer Rückkehr durch einen Gliicksumstand in den Besitz eines neuen guten Quartiers gelangte, eines wohnlichen Zimmers, das sogar einen Ofen, ein Feldbett und einen Schreib tisch aufwies. Seit Monaten zum erstenmal wieder in einem Bette zu schlafen war gewiß kein geringer Genuß. Der Ofen erwies sich als ein geradezu ideal heizender französischer Kamin. Aber ein ganz besonderer Genuß stand mir noch bevor. Es kam ein Ruhetag, und da die Feldpost eingetroffen war und mir nebst leiblichen Gaben auch geistige Kost gebracht hatte, da es des ferneren drautzen in Strömen regnete, stand mein Programm fest. Meine französische Wirtin, die es fertigbringt, in der Minute netto 1000 Worte zu sprudeln, entzündete ein mächtiges Feuer. Ich aber saß und las Chamberlatn, »Politische Ideale« von der ersten bis zur letzten Seite. Ich will mir kein Urteil anmatzen über dieses neue köstliche Werk Chamberlains, nur sagen möchte ich, daß ich als Buchhändler noch nie eine größere Freudig keit, einen stärkeren Drang empfunden habe, zur Verbreitung eines Buches beizutragen, als hier nach dem Lesen dieser Schrift. Es kam mir der Gedanke, ob es sich nicht vielleicht doch machen ließe, mir eine Anzahl guter Schriften kommen zu lassen, um sie unter meinen Kameraden zu verbreiten. So im kleinen hatte ich ja schon seither den Feldbuchhändler gemacht, hatte unter den Offizieren unseres Bataillons einige Subskribenten auf den Bruckmannschen »Bilderatlas des Weltkrieges« gewonnen und Dutzende von Soldaten-SPrachführern an Kameraden abgesetzt. Aber es ereignete sich, daß wir eines Nachts plötzlich alarmierl wurden und in eine andere Stellung marschierten, sodaß ich mein »Lager« etwas plötzlich räumen mutzte. Jetzt aber änderte sich für mich die Situation insofern, als ich zum Dienst bei einem ständigen Kommando »abgestellt« worden war, ein Umstand, der die Aussicht auf ein längeres Verweilen in der jetzigen Ortsunter kunst eröffnet. Was nun die von Ihnen gestellten besonderen Fragen anbe trifft, so mutz ich bekennen, daß sie — meines Erachtens — nicht leicht zu beantworten sind. Ich besorge stark, daß ich hier vcr-
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