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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.11.1915
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- 1915-11-16
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- 16.11.1915
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Redaktioneller Teil. ^ 267, 16. November 1915. ihre Nutzbarmachung für die Gestaltung des praktischen Lebens im Dienste der Kulturaufgaben auf die an dere Seite gestellt wird. Dieser Teil wird von Münsterberg erst malig sozusagen aus dem Rahmen der übrigen psychologischen Wissenschaft unter der Bezeichnung Psychotechnik heransge- hoben und in einem umfangreichen Werke*) unter Heranziehung eines reichen Quellenmaterials dargeftelll. »Wir haben«, so sagt der Verfasser, »die Psychotechnik nur da vor uns, wo wir die Lehre von den Bewußtseinserscheinungen benutzen, um zu entscheiden, was wir tun sollen. Der Lehrer will den Geist des Kindes modeln und entwickeln im Dienste gewisser Kulturaufgaben. Der Anwalt will die Stimmung der Geschwo renen beeinflussen, um eine bestimmte gerichtliche Entscheidung zu erzielen. Der Prediger will auf das Bewußtsein des Sünders einwirken, um ihn auf den rechten Pfad zurückzuziehen. Der Arzt will durch psychische Faktoren das Nervensystem des Patienten erreichen, um seine Gesundheit wiederherzusiellcn. Der Ge schäftsmann will auf die Phantasie seiner Kun den wirken, damit der Trieb zum Einkauf in ihnen wach wird. Der Fabrikant sucht seine Arbeiter so zu behandeln, daß in ihrem Bewußtsein der Wille zur größtmög- lichen Anstrengung lebendig wird. Der Politiker will die Seelen der Masse beeinflussen, damit sie bereit werden, auf feine Pläne einzugehen. Der Naturforscher will die seelischen Bedingungen der Beobachtung so gestalten, daß die größtmögliche Erkenntnis l der Naturdinge gewonnen werden kann. Der Künstler versucht, - auf die Seele des Hörers oder des Zuschauers zu wirken, damit gewisse ästhetische Gefühle in ihnen ausgelöst werden. Kurz, in den mannigfaltigsten Gebieten zeigt sich, daß gewisse Endziele ganz oder teilweise durch psychische Vorgänge erreicht werden können, und es ist die Aufgabe der Psychotechnik, darzulegen, wcl che geistigen Prozesse dabei in Frage kommen und welche Ein flüsse nötig sind, um das gewünschte Endergebnis zu erreichen. Eine Wissenschaft, welche solche Kenntnis vermittelt, verhält sich zur Psychologie genau, wie sich die Jngenieurwissenschaft zur Physik oder die Agrikulturwissenschaft zur Botanik verhält.« Damit umschreibt Münsterberg das Wesen der durch ihn von dem Hauptgebiete der angewandten Psychologie abgezweigten Teilwissenschaft, der Psychotechnik, und gibt zugleich eincArtPro- gramm für seine in die Form eines sehr ausführlichen Lehrbuches gekleidete Darstellung. Aus diesem Programm geht hervor, auf wie weite Kreise der menschlichen Kulturarbeit sich die neue Wissen schaft ausdehnt und wie vielseitig ihre Entwicklungsmöglichkeiien auf den verschiedensten Gebieten erscheinen. Allerdings kann man Wohl sagen, daß sich die junge Wissenschaft ungeachtet man cher bemerkenswerten Ergebnisse und Leistungen doch noch zu sehr in Fluß befindet, um sie als festen Unterbau praktischer Arbeit überall benutzen zu können. Vielmehr scheint es angebracht, das Lehrbuch zunächst als starke Anregung für die Weiterarbeit der praktischen Psychologen und für die Beteiligung der in Betracht kommenden Laienkreise zu betrachten. Dieser eigentliche Sinn des Buches wird uns offenbar, wenn wir es in Anwendung auf un seren Beruf unter Ausscheidung alles dessen betrachten, was für den Lehrer, Juristen, Mediziner, Fabrikanten usw. bestimmt ist. Eine für den Pädagogen wichtige Voraussetzung dürfte aber auch für die anderen Berufsstände, besonders auch für den Buchhandel Gültigkeit haben. Münsterberg schreibt: »In einigen Ländern haben die Leiter des Unterrichtswesens den Glauben, daß alles Heil für die Schule vom Pshchologie- studium der Lehrer zu erwarten sei, so einseitig begünstigt, daß andere pädagogische Bewegungen vernachlässigt wurden. Darüber sollte kein Zweifel obwalten, daß keine Psychologie und keine psychologische Pädagogik ein Substitut für das allererste Erfor dernis sein kann, nämlich für eine gründliche wissenschaftliche Durchbildung des Lehrers in den Gebieten, in denen er zu lehren berufen ist.« So können auch psychologische Liebhabereien oder gar Spielereien nicht über das erste Erfordernis des Buchhänd lers, eine gründliche fachw issenschaftliche Durch- *> Grundzüge der Psychotechnik von Hugo Mün ster b e r g. 8ex.-8". LII, 787 S. Leipzig 1914, Johann Ambrosius Barch. Brosch. ^ 18.— : geb. »tk 17.— ord. bildung imBerufe, hinweghelfen. Münsterberg geht noch einen Schritt weiter. Er sagt, daß die Kenntnis der angewandten Psychologie auch durchaus nicht mit den natürlichen Instinkten oder mit den anerzogenen Fähigkeiten in Konflikt zu geraten brauche. »Es wäre durchaus bedenklich, wenn die Kenntnis der Psychologie den einzelnen in seiner frischen Natürlichkeit beein trächtigen würde und ihm gewissermaßen eine wissenschaftlich be rechnete Stellungnahme aufzwingen wollte, wo das Leben eine unmittelbare, naive Antwort verlangt.« »Wir gehen und laufen, ohne uns mit den Physiologischen Gesetzen der Muskelkontraktion zn beschäftigen. Wir kommen dem Bedürfnis nach wissenschaft licher Betrachtung schon näher, wenn wir nicht an gehen und laufen, sondern an die körperliche Ernährung denken. Die Wahl unserer Nahrung ist auch gewöhnlich dem bloßen Instinkt über lassen, rmd doch ist es hier schon klar, daß cs einen großen Ge- ' winn bedeutet, wenn die wissenschaftliche Physiologie uns da- ^ rüber berät, welche Zusammenstellung von Nahrungsmitteln am geeignetsten wäre, uns für die Arbeit kräftig zu erhalten.« Münsterbcrg scheidet die Psychotechnik in zwei wichtige Teils. Der eine, den er mit »psychologischer Voraussage« bezeichnet, geht darauf aus, die seelischen Wirkungen zu erkennen, die durch unsere Handlungen z. B. bei den Käufern hervorgerufen werden können. Der andere Teil »psychologische Beeinflussung« ist die ak tive Betätigung, die die psychologische Voraussage zu zeitigen vermag. Wir unterscheiden u. a. gruppen- und individualpsycho logische Voraussage. Ins Buchhändlerische übersetzt, würde es sich also darum handeln, unser Publikum nach Berufsständen, Volksschichten, Geschlechtern, Altersstufen usw. genau kennen und beurteilen zu lernen und unser Augenmerk außerdem auf die Psyche des einzelnen zu richten. Wir würden z. B. im Verlag, der ja eine zunehmende Neigung zur Spezialisierung zeigt, eine gruppenpsychologische und im Sortiment mehr eine individual psychologische Erfassung unseres Abnehmerkreises haben. Selbst verständlich bleibt die psychologische Wissenschaft nicht bei der Kundschaft stehen, sondern bezieht z. B. auch Angestellte und Ar beiter in ihren Bereich ein. Ihr Feld ist aber in diesem Falle mehr die Fachschule und der Groß- und Fabrikbetrieb. Z. B. würde ich keinem Buchhändler raten, die sog. Jntelligcnzprüsungen bei seinen Lehrlingen vorzunehmen, weil diese lediglich Sache des Pädagogen sind und im allgemeinen den Zweck haben, Anhalts punkte dafür zu finden, wohin man einen jungen Mann stellen kann, wenn er im Begriff ist, seinen Beruf zu wählen, und nicht, wenn er ihn schon gewählt hat. Auch dürsten diejenigen Betriebe in unserem Berufe doch nicht häufig genug Vorkommen, in denen die Funktionen des einzelnen hinsichtlich seiner geistigen Eigen schaften auf grundverschiedenen Voraussetzungen beruhen. Viel mehr hat der junge Berufsgenosse noch immer dann sein besseres Fortkommen gefunden, wenn er nicht eine Spezialität allein er lernte, sondern z. B. vom Sortiment in den Verlag überging. Fast alle Zweige des Buchhandels sind eben doch in ihren in neren und äußeren Beziehungen derart miteinander verbunden, daß die Kenntnis des einen die des andern fast einschließt. Wir haben auch gar keine Ursache, zu wünschen, daß die zunehmende Mechanisierung der Betriebe hier den Eintritt einer Einseitigkeit begünstige, die dem gegenseitigen Verständnis und der im Inter esse der Allgemeinheit notwendigen Zusammenarbeit noch weni ger förderlich sein würde als es heute schon der Fall ist. Den eigentlichen Ausgangspunkt für die Anwendung der Psychologie in unserem Berufe bildet das Kapitel »Wirtschaft« des Münsterbergschen Buches, und innerhalb desselben wiederum die Abteilung »Handel«. Wir haben es hier mit den Ausgaben des Psychvtechnikers innerhalb des Güteraustausches, also beim Kaufen und Verkaufen zu tun. Seine Tätigkeit kann nur eine fördernde, niemals eine hem mende sein und wäre insofern mit der des Eisenbahningenieurs zu vergleichen, als dieser nicht vor der Frage steht, weshalb so viele Menschen hin- und herfahren und ob es nicht für viele besser wäre, wenn sie still zuhause säßen, sondern sein Augenmerk da rauf richtet, wie der Bau neuer Eisenbahnen am besten bewerk stelligt wird. »Der Psychotechniker der Wirtschaft kann und sott ebenfalls nur sagen, welche psychischen Vorgänge der Verteilung der Güter dienen können, sobald die Kulturgesellschaft, für die er
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