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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.11.1915
- Strukturtyp
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- 1915-11-10
- Erscheinungsdatum
- 10.11.1915
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- Deutsch
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Nr. 202. Leipzig, Mittwoch den 10. November ISIS. 82. Jahrgang. Redaktioneller Teil Warschauer Eindrücke. Beim Lesen dieser Überschrift wird Wohl in manchen der Kollegen der Wunsch geweckt werd-m, jetzt einmal Warschau, das »Klein-Paris«, zu besuchen. Um den Gesamteindruck jedoch gleich oorwegzunehmcn: zu den großen Annehmlichkeiten gehört cs nicht, als Zivilist eine Festung ca. 2 Monate nach der Okkupa tion zu besuchen und die natürlich notwendigen militärischen Anordnungen, wie tägliches Melden, Erlangung des sogenannten Entlausungsscheins, die neuerdings an der Grenze eingeführte Leibesvisitation nach Schriften und vieles andere, über sich er gehen zu lassen. Es werden auch Vergnügungsreifenden keine Erlaubnisscheine ausgestellt, im Gegenteil, es ist ungemein schwer für einen Zivilisten, ohne sehr triftige Gründe eine Aufenthalts genehmigung zu erhalten, über die das Generalgouvernement in jedem einzelnen Falle entscheidet. Trotz sehr guter behörd licher Empfehlungen und amtlich telegraphisch beantragter Geneh migung mutzte ich 3 Wochen warten, ehe diese eintraf. - Die V-Zug-Verbindung Berlin—Warschau (über Posen) ist glänzend. Die Fahrt Posen—Warschau dauert fahrplanmäßig nur 8 Stunden, doch ist auf dem Hinweg mit ein- bis zweistündi ger Verspätung zu rechnen, da in den Abendstunden auf der von Lowicz aus von unseren Pionieren angelegten Strecke langsam gefahren wird; auf dem Rückwege treffen die Züge tagsüber pünktlich ein. Nach Ankunft — ganz gleich, ob am Tage oder nachts — hat sich jeder Ankömmling — Zivil- oder Militärperson — bei der Kommandantur zu melden, wo er seinen Quarticrzettel erhält, j ohne den ihm in keinem Hotel Aufnahme gewährt wird. Die Stadt hat durch die Belagerung nicht gelitten, sie ist unversehrt, bis auf die beiden großen zerstörten Brücken über die Weichsel und den von den Nüssen zerstörten und völlig aus gebrannten Petersburger Bahnhof, auf dem noch einige Hundert ebenfalls völlig verbrannte Waggons lagern. Das Leben und Treiben in den Straßen ist äußerst rege, ob gleich, wie mir mitgeteilt wurde, nur ein Fünftel der früher vor handenen Droschken im Betrieb ist; die großen Hotels in den Hauptstraßen sind fast vollständig mit Offizieren belegt, sodatz Las militärische Leben in diesen Gegenden besonders lebhaft ist. Prachtvoll sind die breiten Alleen mit Vorgärten, die schönen Villen und Paläste, imponierend die großen Plätze mit den öffentlichen Gebäuden und den prunkvollen, goldstrotzenden rus sischen Kirchen, landschaftlich reizvoll die vielen mitten in der Stadt gelegenen großen Parkanlagen, wie der Sächsische Garten »sw., die allerdings im Sommer noch einen weit schöneren Eindruck auf den Fremden machen müssen. Die großen Sortimentsbuchhandlungen befinden sich sämtlich in den Hauptstraßen; die Auslagen enthalten fast nur polnische Literatur, und zwar ältere, vor dem Kriege erschienene Bücher, da die Produktion, besonders von wissenschaftlicher Lite ratur, seit Ausbruch des Krieges äußerst gering war. In den Sortimentslagern ist nur wenig deutsche Li teratur vorhanden, da Warschau seit einem Jahre völlig von jeder Zufuhr abgeschnitten war, aber auch fran zösische und englische Werke waren selbst in den Hauptgeschäf ten nur in geringer Anzahl auf Lager. Wie mir gesagt wurde, ist auch in Friedenszeiten die Nachfrage nach deutscher wissen schaftlicher Literatur ziemlich bedeutend gewesen, sodatz in dieser Beziehung mit der Zeit sich hier wohl deutschen Verlegern größere Absatzquellen eröffnen werden. Allerdings ist das erst ein Wechsel aus die Zukunft, da bisher die Einfuhr deutscher Bücher nur bis 1880 A (also 3V Pfg.-Kreuzband) gestattet ist. Der Verlagsbuch handel liegt sehr danieder, und eine Änderung wird wohl schwerlich in absehbarer Zeit eintreten, da die Papierpreise so enorm hoch find, daß die Verleger sich scheuen, besonders wissen schaftliche Werke drucken zu lassen, zumal auch die Druckpreise und die Löhne bedeutend gestiegen sind. Außerdem fehlt Galizien als Absatzgebiet, mit dem hoffentlich recht bald eine regelmäßige Postverbindung hergestellt wird. Zur Zeit ist eine Ausfuhr von Büchern nicht möglich, nur deutsche Schriften bis 1880 g sind zum Versand zugelassen. Eine sehr große Verlagsbuch handlung, die maßgebend für den polnischen Buchhandel ist, läßt den größten Teil ihrer Verlagswerke aus den obener wähnten Gründen schon seit vielen Jahren in Krakau Herstellen, und da die seit Kriegsbeginn für sie in Krakau gedruckten vielen Verlagswerke nicht nach Warschau eingesllhrt werden konnten, so ist der interessante Fall eingetretcn, daß der Verleger seine eigenen Verlagswerke erst zu Gesicht bekam, nachdem sie in Ga« ! lizien und anderwärts bereits langeZeit Vertrieben worden waren. Ich war zufällig Zeuge als nach IHjährigerj Pause die großen Wagenladungen aus Krakau — von der Grenze per Axe zuge führt — dort eintrafen; sie sind erst jetzt für den Warschauer Buchhandel »Novitäten«. Warschau hat nur wenige wissenschaft liche Antiquariate, dagegen unzählige Winkelantiquare, die alle in derselben Straße ihre Lädchen haben. Die öffentlichen Bibliotheken, durchweg schöne Monumental bauten, sind teilweise geöffnet. Die Universitätsbibliothek, reiz voll mitten in Parkanlagen gelegen, sollte in diesen Tagen für das Publikum geöffnet werden. Sie ist ein moderner Bau mit allen modernen bibliothekstechnischen Einrichtungen. Leider ha ben die Russen vor ihrem Abzüge sämtliche Handschriften mitge nommen, was einen unersetzlichen Verlust bedeutet, ebenso ist ein Teil der Inkunabeln und das gesamte Repertorium ver schwunden; zur Wegschaffung der Bibliothek blieb ihnen Wohl nicht mehr genügend Zeit. Das Staatsarchiv ist dagegen unver sehrt, wie mir der Leiter, der auf seinem Posten geblieben war, versicherte. Die Schätze, besonders der Bibliotheken der kgl. Schlösser, zu besichtigen, hatte ich leider keine Zeit. Wenn auch äußerlich in Warschau das Leben sehr rege ist, so klagen doch die Geschäftsleute sehr über schlechten Geschäfts gang, und alle erhoffen jetzt unter deutscher Verwaltung bessere Zeiten. Die Armut und Arbeitslosigkeit ist groß, und besonders macht sich der Mangel an Brot und Kohlen fühlbar. Zu Hun derten stehen die armen Leute und warten auf Eröffnung der Geschäfte, in denen zu bestimmter Stunde Brot verkauft wird. Durch die jetzige Einführung der Brotmarken und weitere Ein richtungen der deutschen Verwaltung dürste Wohl auch darin baldigst eine Besserung eintreten. Posen, November ISIS. Albert Jo lowicz. ckn. 1477
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