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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.08.1908
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- Erscheinungsdatum
- 15.08.1908
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- Deutsch
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^ 189, 15. August 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d, Dtschn. Buchhandel. 3655 Nichtamtlicher Teil. Pariser Brief. ii. (Vgl. Nr. 144 d. Bl.) Im letzten Jahre tauchte eine Nachricht auf, die ganz dazu angetan war, den französischen Verlagsbuchhandel ernst lich zu beunruhigen. Es handelte sich um nichts mehr und nichts weniger, als um eine nachträgliche Besteuerung frei gewordener Werke (vgl. Börsenblatt 1907, Nr. 338). Die Sache war ernst: es war bereits eine aus Parlamentariern und Autorenkreisen zusammengesetzte Kommission ernannt worden unter dem Präsidium des damaligen Kultusministers Briand, und was das Schlimmste war, der einflußreiche Minister selbst befürwortete den Gesetzentwurf sehr eindring lich. Diese Kommission ist indessen nie zusammengetreten, hauptsächlich wohl deshalb, weil inzwischen ein Minister wechsel stattgefunden hat und der Nachfolger des Herrn Briand dieser Idee seines Vorgängers bis jetzt keine Folge gegeben hat. Der Verlagsbuchhandel hatte also keine Ge legenheit, sich zu wehren, und die Gefahr scheint vorläufig beseitigt zu sein. Nun ist aber kürzlich eine andere Idee aufgetaucht, die zwar nicht den Verlags-, wohl aber den Kunsthandel sehr nahe berührt. Ein Herr Jacques Dhur, gelegentlicher Mit arbeiter an der sehr verbreiteten Pariser Tageszeitung »Us öournal« und eifriger, aber bis jetzt erfolgloser Parlaments kandidat, entrüstet sich in einem Leitartikel des »ckonrviU« über die exorbitanten Verdienste der Kunsthändler, während die Schöpfer der Werke selbst häufig unbekannt und im Elend stürben und ihre Familien Mangel litten. Er er innert dabei an Millet, der tatsächlich in Armut gestorben ist, der seinen »Angelus« angeblich für 75 Frcs. verkauft hätte, ein Werk, das nach nur einigen Jahrzehnten vom Louvre-Museum für die Summe von 300 000 Frcs. an gekauft worden sei. Er erinnert ferner an Corot, der eben falls in Armut gelebt hätte und arm gestorben sei und von dem heute jedes seiner Werke ein Vermögen bedeute. Gerade von diesem Künstler führt Herr Dhur ein Beispiel an, nach dem eine Landschaft von Corot, die, ursprünglich vom Künstler für 650 Frcs. verkauft, kürzlich im Hotel Drouot zur Versteigerung gelangt, für 60 000 Frcs. ausgeboten und für 100 000 Frcs. zugeschlagen worden sei, und zwar an einen Kunsthändler, der das Gemälde seinerseits und jedenfalls mit starkem Nutzen weiter verkaufen wolle. Im Anschluß hieran rechnet Herr Dhur sich aus, wieviel wohl für die Kinder und Kindeskinder des Künstlers abgefallen wäre, wenn bei jedem (!) Besitzwechsel eine Steuer von »nur« 10 Prozent zu ihren Gunsten erhoben worden wäre. Der Referent ereifert sich darüber, daß solche Zustände in unserem zivilisierten zwanzigsten Jahrhundert überhaupt noch möglich seien, gibt aber zu, daß die »Ausbeutung« der bildenden Künstler durch die Kunsthändler und der damit zusammenhängende riesige Verdienst der letzteren durchaus keine Eigentümlichkeit unserer Tage sei: schon Corregio hätte seinen »Christus am Ölberg« für die Summe von drei Gulden an einen Händler verkauft, der sich Isaak Levi nannte. Heute sei das Werk kaum noch richtig zu schätzen, während es Corregio nie mehr als drei Gulden eingebracht hätte. — Zur Beseitigung dieser Mißstände schlägt nun Herr Dhur folgendes, nach seiner Ansicht sehr einfach durchzuführende Mittel vor: Ganz wie es eine »Locistö äss gsvs äv lsttrs»«, eine »Lociötä äes »utvllrs et eowpositsurs ärLMLtiquvs« gäbe, so sollte auch eine »Locistä paar l» protection äe ls, propriste »rtiktiqnsr gegiündet werden. Aufgabe dieser letzteren Socists sollte es sein, darüber zu wachen, daß bei jedem Besitzwechsel von Kunstwerken (Herr Dhur denkt hier offenbar nur an Gemälde und Skulpturen) ein Aufschlag von zehn Prozent des Ver kaufswertes des betreffenden Kunstgegenstandes zugunsten des Künstlers oder seiner Rechtsnachfolger erhoben werde, — also ganz wie bei dem vorhin erwähnten Gesetzentwurf der Schriftsteller. Es kann sich hier offenbar nur um die Rechts nachfolger, nicht aber um den Künstler selbst handeln, denn es liegt kein vernünftiger Grund dafür vor, dem Künstler für ein Werk, das er selbst, und zwar zu dem höchsten Preise, den er erreichen konnte, verkauft hat, bei jedem Besitzwechsel noch zehn Prozent von dem dann erzielten Preise draufzu zahlen. Es soll gewiß nicht geleugnet werden, daß der Wert eines Gemäldes in der fabelhaften Weise wie in dem angedeuteten Beispiel von Millet steigen kann; aber das sind große Selten heiten. Indessen geht Herr Dhur ganz entschieden zu weit, wenn er behauptet, daß die Kunsthändler Künstler, die vom Geschäft nichts verstünden und den Wert ihrer Werke auch nicht annähernd richtig schätzen könnten, »in der schamlosesten Weise ausnutzten«, daß die Kunsthändler Gemälde und Skulp turen, die Aussicht hätten, nach dem Tode ihrer Schöpfer eine bedeutende Preissteigerung zu erfahren, billig einkauften, um dann später ein entsprechendes Geschäft damit zu machen und schnell reich zu werden. Solche Preissteigerungen werden durchaus nicht, wie Herr Dhur anzunehmen scheint, durch einen Machtspruch der Kunsthändler bedingt, sondern durch die Nachfrage, die Zeit, die Mode, die Geschmacksrichtung des Publikums u. a. Ferner ist es zu allen Zeiten so ge wesen, daß einzelne Künstler erst nach ihrem Tode voll ver standen und berühmt geworden sind, und das wird — selbst wenn der Vorschlag des Herrn Dhur zum Gesetz werden sollte — auch immer so bleiben. Auch ist dieses verspätete Berühmtwerden durchaus keine Eigen schaft der bildenden Künstler allein, sondern kommt auch in andern Berufsarten vor, z. B. bei Musikern; ich erinnere hier nur an Richard Wagner, an Lortzing. an Bizets Carmen u. a. m. Allerdings sind diese Werke, da in einem Re produktionsverfahren hergestellt, gesetzlich geschützt und sichern den Nachkommen der Künstler für eine Reihe von Jahren eine Einnahmequelle; wie dies aber bei einem Kunstwerke, das nur in einem einzigen Exemplar existiert, für das außerdem noch eine ewige Schutzfrist beansprucht wird, durchzuführen sein soll, ist vorläufig, trotz des einfachen Vorschlages des Herrn Dhur, noch völlig unklar. Zunächst muß man sich darüber wundern, daß dieser Gedanke nicht aus Künstlerkreisen, die doch am ehesten dazu berufen wären, hervorgeht, sondern von einem Zeitungs unternehmen und gar nur von einem Einzelnen. Auch die Art des Einziehens der Steuer denkt sich Herr Dhur augen scheinlich viel einfacher, als sie in Wirklichkeit ist. Damit ein etwaiger Betrug ausgeschlossen sei, schlägt Herr Dhur vor, eine Art Katalog zu schaffen, in dem die erzielten Preise bei jedem Besitzwechsel zu verzeichnen seien. Der betreffende Erwerber müßte mit Namen und Adresse in dem Katalog genannt werden, und somit sei es ein leichtes, die Werke weiter zu verfolgen. Solche Kataloge existieren auch heute schon, wenigstens über wertvolle Bücher, und sind den Antiquaren ein unentbehrliches Handwerkszeug; es sei hier nur auf das Handbuch der Bücherpreise von Harrasso- witz hingewiesen. Das wäre also nichts Neues und würde auch nicht den geringsten Schutz gegen Unterschlagungen ge währen. Ferner vergißt Herr Dhur, daß auf Kunstauktionen nicht nur Ölgemälde und Skulpturen zur Versteigerung kommen, sondern auch Werke, die, wie seltene Bücher, alte Stiche und dergl., in irgend einem Reproduktionsverfahren 1129*
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