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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.10.1915
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- 1915-10-27
- Erscheinungsdatum
- 27.10.1915
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^ 2SÜ, 27, Oktober ISIS, Fertige Bücher, 186 Jahrgang Dresdner Anzeiger Nr. 265 Im römischen Hexenkessel Im römischen Hexenkessel betitelt sich ein Buch, das von Otto Nöse erlebt und geschrieben und zum Preise von 2^6 durch den Verlag von W. Spemann in Stuttgart zu beziehen ist. Es enthält, wie das Vorwort sagt, die Erlebnisse eines Deutschen in Rom im Jahre 1915, der in allerlei Lagern seine Bekannten hatte, einigen Hauptpersonen nahe stand und manchen Einblick in W den Untergrund der Geschichte tat. Otto Röse ist seit Jahren U einer unserer führenden Journalisten, der seine schriftstellerischen W Sporen als Mitarbeiter großer deutscher Blätter im Auslande W verdient hat und dort Gelegenheit fand, Bekanntschaften mit allen > führenden Männern der internationalen Diplomatie anzuknüpfen. W Er konnte auf diese Weise, was nicht jedem geglückt ist, einen W Blick hinter die Kulissen des diplomatischen Spiels tun. Als W weltmännisch gebildeter, überlegener Geist konnte er sich diese Er- W fahrungen zunutze machen, als er im Januar 1915 seine Reise D nach Nom antrat, wo er in der Tat einen brodelnden Hexenkessel ^ vorgefunden hat, Barrere und Nennell Nodd bedienten den Herd, Krupenski, der Dritte im Verbände, gebärdete sich wie der August im Zirkus und tat, als machte er es allein. Salandra und Sonnino stellten die Küche zur Verfügung. Die Bürgerschaft Italiens sog halb lüstern, halb ängstlich das Gerüchlein auf, das sich aus dem Untergeschoß des Ministeriums verbreitete. Sie lauerte auf den fetten Bissen Trentino, schauderte aber beim Anblick des Gesindels, das den Köchen zur Hand ging. So faßt Otto Röse die Eindrücke zusammen, die er in Rom gehabt Hot. Was er nun im einzelnen erzählt, gehört mit zu den feinsten Beobachtungen, die je aus W Italien und über Italien geschrieben worden sind. Die Gedanken- W weit, in die er uns einsllhrt, ragt aus der Flut von Schriften, zu > denen Italien die meisten herausgefordert hat, die seinen roman- W tischen Boden betraten, wie ein literarisches Eiland hervor, auf I dem eine sonnige Abgeklärtheit in sein empfundenen Schilderungen W des Lebens und Treibens des betörten Volkes, und in humoristisch- W ironischen Bemerkungen über die Männer, die das Nessushemd I weben, das sie dem italienischen Volke auf den Leib ziehen, ein W behagliches Fest feiert. Otto Nöse läßt uns einen Einblick tun in die Titanenarbeit I des Fürsten Bülow, der die Ausgabe haben sollte, den unsicheren H Bundesgenossen an seinen Pflichten festzuhalten und weist nach, HI warum diese Arbeit scheitern mußte. Der Boden war schon unter- wllhlt, als der Fürst in Rom eintraf, als aber die österreichischen Anerbietungen erfolgten, hatte die Agitation bereits eine der artige Macht erreicht, daß nichts mehr zu halten war. Mochten auch Salandra und Sonnino nicht von Anfang die Absicht gehabt haben, das Volk in den Krieg zu stürzen, mochten die ersten Agitationen gegen Österreich nur den Zweck gehabt haben, den Bundesgenossen durch einen Druck zu den Zugeständnissen zu bringen, zu denen man in Italien nach dem Artikel 7 des Dreibundes ein Anrecht zu haben glaubte, so gelang es doch Barrere und Nennell Rodd die Agitation so weit zu treiben, daß Salandra und Sonnino die Zügel der Macht über die Agitationen aus den Händen entglitten und die eigentlichen Herren von Italien der französische und der eng. lische Diplomat wurden Gewiß war die Mehrheit des Volkes und das Parlament auch jetzt noch für Frieden, aber wie sich ganz anders als die deutsche Einheit die italienische Einheit mit Hilfe der revolutionären Elemente gebildet hat, während der große Teil des Volkes die Einigung unbeteiligt htnnahm, der König von Sardinien sich also die italienische Königskrone nur mit Hilfe der Revolutionäre auf bas Haupt setzen konnte, so mußte sein Enkel, obwohl sein Vater, der König Humbert, diesen Revolutionären durch Meuchelmord erlegen ist, wiederum in die Kerbe seines Groß- vaters schlagen, um sich, wie er meinte, seine Krone erhalten zu können. Nebenbei soll der König dem montenegrinischen Einfluß seiner Gemahlin und die Königin-Mutter, die als Vertreterin der dreibundfreundlichen Gedanken bei Hofe galt, dem ihres belgischen Beichtvaters erlegen sein. Auch in die Welt des Vatikans gewinnen wir einen inter- W essanten Einblick. Zwischen der Kurie und Frankreich sind ja W bekanntlich alle diplomatischen Beziehungen abgebrochen, aber ein W Schwarm von französischen Sendlingen bevölkert die Wandelgänge W des apostolischen Palastes und sucht durch alle möglichen Hinter- W türen auf die Entschließung des Papstes Einfluß zu gewinnen. W Ihnen zur Sette gesellen sich die Belgier, und in diesem großen Augenblick vergißt auch der papstfeindltche Brite seine Jahrhunderte alte Feindschaft mit der römischen Macht und entsendet einen be sonderen Abgesandten zur Kurie. In dieses Spiel mischt sich die russische Diplomatie in der Person des kleinen Neltdow, und der Papst hat in solchem Wirrwarr von Einflüsterungen und wider streitenden Interessen Mühe, sich auf der großen Grundlage der päpstlichen Politik festzuhalten, daß nämlich allein Deutschland und Osterreich-Ungarn den unübersteiglichen Wall darstellen, der sich dem Vordringen der russischen Orthodoxie bis an die Adria entgegenstemmt. In die feingeschllrzten Schilderungen der politischen Umtriebe webt Otto Nöse farbige Bilder aus dem Leben der deutschen W Kolonie, aus dem Leben der Schriftsteller, Künstler und Gelehrten, W die seit Jahren dort mit dem Leben des Landes verwachsen sind und deren Denken und Fühlen über die Alpen geht, nach ihrer großen deutschen Heimat, die sich im Kampf gegen die ganze Welt befindet. Wird Italien, ihre zweite Heimat, auf die Seite des Feindes treten oder nicht? Werden sie die Stätten jahrelangen Glückes in paradiesischer Gegend und unter schönem Himmel auf geben müssen oder nicht? Werden sie sich in Widerspruch setzen müssen zu den vielen italienischen Freunden, in deren Mitte sie sich jahrelang wohlgefühlt haben? Viele darunter giebt es, die man sich ohne Nom gar nicht mehr denken kann, so Otto Greiner, dessen Können dürerisch ist und dessen Kunst ganz unter der italienischen Sonne und im Schatten des großen Kolosseums zu klassischer Wucht und Größe emporgewachsen ist, und der trotz 20jährigen Aufenthalts in Rom und trotz einer echten Nomana de Roma als Frau, mit allen seinen Äußerlichkeiten der Ursachse, der er war, geblieben ist. Man kann sich denken, wie schwer allen diesen Menschen der Abschied von Rom wurde. Er war tragischer, als ihn je Ootd empfunden und Goethe nachempfunden hat. Er fand seinen höchsten Ausdruck in der Pfingstpredtgt, die der Botschafts prediger Schubert in der Botschaflskapelle hielt, dem letzten Gottes dienst in dieser Kapelle auf den Grundmauern des Jupitertempels. Als die Deutschrömer aber alle Italien verlassen hatten und das Waldesgrün der schweizerischen Berge erblickten, da lag Italien mit seinen letzten Nöten hinter ihnen, ein schwerer schwüler Traum, ein Alp, der die Brust beklemmte und nun abgefallen ist, und als die Flüchtlinge an der deutschen Grenze das urgewaltige Deutsch land, Deutschland über alles hörten, da fühlten sie, daß sie der Mutterboden mit aller Liebe und mit alter unbezwinglicher Macht empfing. Da fühlten sie, wo die starken Wurzeln ihrer Kraft lagen: im Vaterlande! So klingt das Buchlein von Otto Röse, > das seinen Platz findet neben dem Besten, was je über Italien ge- W schrieben ist, harmonisch aus. Es wird einen dauernden Wert > haben durch die Feinheit der Beobachtung von Menschen und > Dingen, die richtige — nicht posthume — Einschätzung der politt- > schen Verhältnisse und den fast dokomentarischen Wert der Dar- W stellung, die sich sicher auf Selbsterlebtem in Kreisen aufbaut, die > die Fäden zu dem welthistorischen Geschehen in Italien in den > Händen hielten. Rudolf Müller. W Wen« berufenste Jeder« ein allgemein gefallendes Buch derart marm empfehlen, ja verdient und belohnt es jede Verwendung. Stuttgart, Hermannstraße 5. A W. Sprmann. 875*
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