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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.10.1915
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- 1915-10-08
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- 08.10.1915
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Redaktioneller Teil. 234, 8. Oktober ISIS. die das ihnen verliehene schmückende Beiwort »Backfischlyrik« ja zweifellos verdienten, als mit den »Ausgewählten Gedichten«, die im Jahre IS04 zuerst hervorgetreten sind und bis 1909 doch sechs Auflagen erlebt haben, und stellenweise Wohl auch mit den »Gesammelten Werken«, die in 8 Bänden 1883—84 erschienen und immerhin ein bedeutsames Lebenswerk darstellen. Selbst verständlich, Mörike und die andern genannten großen deutschen Lyriker werden nie wieder hinter Geibel zurücktreten; aber nun, nachdem der Dichter frei geworden ist, kommt die zweite Periode seiner Schätzung, die der geschichtlichen, die dank der, wie ich glaube, doch recht glücklichen Abgrenzung der »Schonzeit« auf dreißig Jahre jeder nennenswerte Dichter erlebt. Sehen wir uns die Werke Geibels vom geschichtlichen Standpunkte an, so müssen wir doch — wie ich in meinen literaturgeschichtlichen Werken auch stets hervorgchoben habe — noch immer das Recht auf stärkere Fortwirkung für sie beanspruchen. Gewiß, die ganzen sieben Gedichtsammlungen: »Gedichte« <1840), »Zeit- siimmcn« (1841), »Junillslieder« <1847), »Reue Gedichte« <18S6), »Gedichte und Gedenkblätter« <1864), »Heroldsrufe« <1871), »Spätherbstblätter« <1877) können nicht lebendig bleiben, aber doch eine gute Auswahl aus ihnen, noch etwas mehr, als die »Ausgewähltcn Gedichte« schon enthalten. Es ist eine sehr schwierige Sache, aus sieben Bänden einen wirklich die »Quint essenz« enthaltenden einzigen zu machen, aber unlösbar ist die Aufgabe doch nicht. Neben dem allgemeinen Auswahlband könnte dann noch ein besonderer, im Grunde nicht ausgewählter stehen, einer, der alle vaterländischen Gedichte Geibels brächte, also nicht bloß die »Hcroldsrufc«, sondern auch die patriotischen Lieder und Sonette aus den ersten »Gedichten« und beinahe ganz die »Zeitstimmen«, die »Zwölf Sonette für Schleswig-Holstein« <1846) und die politischen Gedichte der »Juniuslieder« ent hielte. Dieser Band wäre die beste dichterische Widerspiegelung der Begründung des Deutschen Reiches und würde als solche dauern. Dauernde Bedeutung hat auch der Übersetzer Geibel, der mit Ernst Curtius 1840 die »Klassischen Studien«, ferner »Volkslieder und Romanzen !er Spanier verdeutscht« <1843), mit Paul Heyse ein »Spanisches Liederbuch« <1852), mit A. F. v. Schack einen »Romanzero der Spanier und Portugiesen«, mit Heinrich Leuthold »Fünf Bücher französischer Lyrik« <1862) und zum Schluß noch ein »Klassisches Liederbuch« <1875) herausge- gebcn hat. Es ist ja ein Ruhm unseres Volkes, daß es sich fast alle wertvolle Dichtung der ganzen Welt angeeignet hat; so soll man auch dafür sorgen, daß die wertvollen Übersetzungen le bendig bleiben — ich könnte mir sehr Wohl eine alles sammelnde Bibliothek dieser Übersetzungen denken, in der also auch Geibel stark zu berücksichtigen wäre. — Den Dramatiker Geibel kann man wohl im ganzen fallen lassen. Seinen »König Roderich« <1844) hat er schon selber nicht wieder in seine »Gesammelten Werke« ausgenommen, die »Brunhild« <1857), einmal durch die Tragödin Klara Ziegler getragen, ist jetzt endgültig hinter Heb bels »Nibelungen« zurückgetreten, »Echtes Gold wird klar im Feuer« und auch »Meister Andrea« erscheinen doch heute etwas schwächlich — bleibt nur die 1869 mit dem Schillerprcise ge krönte »Sophonisbe«, die, wenn man den Matzstab der fran zösischen »traAeSik« (für die Geibel auch stark eingenommen war) anlegt, ein respektables Werk ist und, auf einem Hoftheater vor gebildetem Publikum gespielt, sehr gut wirken könnte — schade nur, daß auch unsere Hofthealer nicht mehr wissen, was sie sollen und wollen. Geibels Werke sind, etwa mit Ausnahme des »König Rode- rich« und der Gelcgenheitsveröffentlichungen, wie der »Zwölf Sonette«, Wohl noch alle in den Originalausgaben des Cotta scheu Verlags erhaltbar. Dazu sind nun seit dem Freiwerden auch eine Anzahl Neuausgaben getreten. An die achtbändige Gesamt ausgabe hat sich, soviel ich sehe, noch kein Verlag herangewagt, wohl aber sind zwei Ausgaben der Werke in Auswahl er schienen, »Emanuel Geibels Werke. Vier Teile in einem Bande. Ausgewählt und herausgegeben von vr. R. Schacht« bet Hesse L Becker Verlag, Leipzig, und »Geibel, Ausgewählte Werke, 2 Bände, von Max Mendheim« in den Helios-Klassikern Reclams. Die Ausgabe Schachts bringt die Jugendgedichte und He roldsrufe ganz, von den »Juniusliedcrn« die ersten vier Ab- l35l schnitte vollständig, die übrigen Sammlungen in ziem lich kleiner Auswahl, alle Dramen und einige Über setzungen aus dem »Klassischen Liederbuch« und den »Fünf Büchern französischer Lyrik« — sie genügt als Aus wahl und hat auch einen 40 Seiten langen Lebensabriß und ästhe tische Einleitungen, in denen ich freilich nicht alles unterschreiben möchte (wie z. B. nicht den Satz, daß Geibel, wenn ihm in seinem Liebesleben so viele Hemmnisse erwachsen wären, wie seinen Reichshoffnungcn entgegenstanden, möglicherweise den großen nachgocthischen Lyrikern, den Mörike, Storm und Keller, eben bllrtig geworden wäre). Die Mendheimschc Auswahl kenne ich nicht, wohl aber seine Auswahl der Gedichte Geibels (Universal bibliothek 5731—5733), die sehr geschickt ist. Von den fünfzig Gedichten der »Heroldsrufe« bringt sie, das zeigt ungefähr das Matz an, achtzehn. Die Heroldsrufe sind natürlich durch den gegenwärtigen Krieg wieder zeitgemäß geworden. So hat der Cottn'sche Verlag eine neue Ausgabe gebracht, daun auch Hesse L Becker (mit Einleitung von Karl Quenzel) und ferner der Insel-Verlag. Auch die Sammlung »Des Reiches Herold« von W. Müller-Rüdersdorf und »Ein deutsches Reich für immer«, herausgegeben vom Verein für das Deutschtum im Auslande, gehören hierher. Die große Ausgabe sämtlicher vaterländische» und politischen Dichtungen Geibels, von der ich oben sprach, ist aber bisher noch ausgeblieben. Dem Menschen Geibel nahezukommen ermöglichen zwei be reits hervorgetretene Briefsammlungen: »Jugendbriefe (Bonn- Berliu-Gricchenlaud)«, 1910 erschienen, und »Ein. Geibels Briese an Karl Freiherrn v. d. Malsburg und Mitglieder seiner Familie«, Hrsg, von Albert Duncker, 1885. Auch die »Geibeldenkwürdig- keiten«, Hrsg, von K. Th. Gaedertz, Berlin 1886, und Th. Litz- manns Buch »E. Geibel, aus Erinnerungen, Briefen und Tage büchern«, Leipzig 1887, bieten manches Authentische. Eine große Geibel-Biographie Plante der mit Geibel persönlich be kannte Karl Goedeke, aber es ist nur der erste Band (Stuttgart 1869) erschienen. Wilhelm Scherer hielt Geibel eine später im Druck erschienene Gedächtnisrede (Berlin 1884). Werke über Geibel schrieben dann noch C. Leimbach <»E. G.'s Leben, Wirken und Bedeutung«, Wolfenbüttel 1877, 2. Ausl. v. Trippenbach, 1894), und Gaedertz <»E. G.«, Leipzig 1897), aber das große abschlie ßende Werk, das selbstverständlich auch ein hervorragendes Ge schichtswerk werden müßte — denn Geibel hängt von 1840 an mit der Zeitgeschichte sehr nahe zusammen —, vermochten sie na türlich noch nicht zu schaffen. Neuerdings sind noch einige Disser tationen hervorgetreten, die sich meist mit der Lyrik Geibels und ihren Abhängigkeitsverhältnisfen beschäftigen. Zum 100. Ge burtstage hatte ich im Aufträge der Firma Velhagen L Klasing eine kleine Geibclschrift für deren »Volksbücher« geschrieben, aber man hat sie wegen des Krieges leider nicht herausgebracht, was ich als Mißgeschick nicht für mich, aber für den Dichter empfinde, der gerade jetzt eine Ehrung Wohl verdient hätte. Denn es ist keine Frage, er steht unter unfern vaterländischen Dichtem mit in erster Reihe, bildet gewissermaßen die Brücke von den Dichtern der Freiheitskriege zu denen des gegenwärtigen Weltkrieges. So erscheint es denn auch angebracht, zu seinem 100. Geburtstage noch einiges über die vaterländische Dichtung der Deutschen überhaupt zu sagen. Der Wiener Literaturprosessor Walter Brecht hat eben im Verlag der Weidmannschen Buch- Handlung, Berlin einen von ihm gehaltenen Vortrag »Deutsche Kriegslieder sonst und jetzt« veröffentlicht, der, ob auch im Titel nur die Kriegslieder genannt sind, doch über dieses besondere Gebiet gelegentlich hinausstreift. Leider ist die Arbeit wenig befriedigend: es stimmt beispielsweise durchaus nicht, daß man in dieser Entwicklung erst über den »Staat« zum »Volke«, zum Lande kommt — die Dichter des 17. Jahrhunderts, Weckherlin, Opitz, Rist, Hans Atzmann von Abschatz ufw., die Brecht gar- nicht erwähnt, reden alle die Deutschen und das deutsche Vater land an; es stimmt auch nicht, daß der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht der Vater des neuen deutschen Kriegsliedes sei — irgendwelcher Demokratismus lag den Arndt, Kömer, Schen- kendorf usw. in dieser Beziehung vollständig fern. Doch «s wird nach dem Kriege noch Zeit genug fein, sich mit Brecht aus einanderzusetzen, und so will ich auch seine Behauptung, daß
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