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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.09.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1915-09-24
- Erscheinungsdatum
- 24.09.1915
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- Deutsch
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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 223, 24. September 1915. ratlose Publikum und ist entweder dem Ankäufe des Wertvollen im Wege oder schreckt das kaufkräftige Publikum überhaupt ab, entsprechend dem Satze: »Schlecht ist nicht das Schlechte, denn es täuscht nur selten,- das Mittelmäßige ist schlecht, weil es für gut kann gelten!« Die Reklame, die teils oberflächlichen, teils an unlauteren Wettbewerb erinnernden, übertrieben lobenden Rezensionen tun das ihrige, das Publikum irrezufllhren; es liest die Rezensionen, prägt sich ein fremdes Urteil ein, und wenn einer, was viel sel tener vorkommt, ein Buch wirklich kauft, so folgt daraus noch lange nicht, daß er es auch wirklich liest; er kaust es, weil er wiederholt gehört hat, daß er es kaufen und in seiner Bllchersammlung haben muß, oder weil er es jemandem leihen will, bielleicht auch, wenn er einmal Zeit hat, selbst lesen will, u. dgl. m. Man sollte es um gekehrt machen: erst das Buch lesen, oder wenigstens anlesen, bann, wenn es einen genügend interessiert, es kaufen — wobei die Voraussetzung die ist, daß es gebunden und billig ist — und dann meinetwegen auch einmal Nachlesen, was ein vernünftiger Kritiker über das Buch sagt; aber selber denken ist meist nützlicher als Fremdes nachsprechen. Wir haben viel zu sehr das mißverstandene Bildungs- Pflichtgefühl, alles Mögliche kennen und wissen zusollen, ohne die Zeit und die Mittel zu haben, diese eingebildeten Pflichten auch alle zu erfüllen; uns fehlt die naive Selbftsicherheit des im Durchschnitt viel ungebildeteren oder ungeschulteren Engländers, der liest und kauft, was ihm gefällt, der als richtiger Geschäfts mann seine Leute zu kennen glaubt, auch die Buchmacher und Buchhändler ohne Schüchternheit einschätzt und ihre Reklame bei Büchern ebenso wertet, als ob es sich um Waschblau oder Hosenträger handelte. Deshalb wird man bei Engländern, bei »Gebildeten« und »Ungebildeten«, ebenso oft durch unglaubliche Unwissenheit wie durch erstaunliche Belesenheit in älterer, neuerer und neuester Literatur überrascht sein; aber was sie interessiert, das kennen sie in der Regel aus eigener Lektüre, nicht vom Hörensagen aus Rezensionen. Man hat angesichts der Wohl genügend bekannten Tatsache von der Billigkeit und hunderttausendfachen Verbreitung belieb ter Bücher in England die müßige Frage aufgeworfen, ob die große Verbreitung die Folge der Billigkeit, oder die Billigkeit die der großen Verbreitung sei; ich glaube, wir haben es in Deutschland in den letzten Jahren endlich auch erfahren, daß der Versuch mit billigen, für den Massenabsatz berechneten Büchern Wohl gelohnt hat. Dazu kommt aber etwas, das wir glücklicher weise bei uns auch schon begonnen haben nachzumachen, näm lich die äußere Anziehungskraft des Buches. Will man der englischen Konkurrenz begegnen, so mutz man m. E. auf diesem Wege fortfahren, das heißt, man muß das für den Kauf anzulockende Publikum, wie in England, mehr daran gewöhnen, zu lesen und zu kaufen, was es Lust hat, und nicht was es glaubt lesen zu müssen, um als »gebildet« zu gelten. Man muß dem Publikum Lust zum Lesen machen; das Kaufen kommt dann von selbst. Damit ist keineswegs gesagt, daß der Schriftsteller von der hohen Warte seines Idealismus herabsteigen solle, um schnöden Lohnes willen, um die Gunst des tief unter ihm wimmelnden Haufens zu erhaschen! Wir haben leider ohnehin nur zu viel derartiger Literatur, die dem oberflächlichen Sinne nicht selbständig denkender Leser frönt und dabei doch gar hohe Töne redet; also darum handelt es sich nicht. Es handelt sich einfach darum, dem deutschen Publi kum die Scheu vor dem Bücherkauf abzugewöhnen. Betrachten wir die Sache doch rein praktisch! Vorher aber noch die Feststellung einer bedenklichen Tatsache: Aus Deutsch lands armer Zeit ist bei uns noch immer die altväterische Vor stellung tief eingewurzelt, daß Bücher zu kaufen ein ungehö riger Luxus fei, den man sich nur in Ausnahmefällen gestatten soll. Die Schulbücher, die man für die Kinder womöglich in anti quarischen Exemplaren kauft und möglichst bald nach dem Ge brauch in der Schule wieder meistbietend abstößt, sind ja nicht zu vermeiden; aber schönere, beliebtere Bücher sind in der Regel nur als Geschenke, bei Konfirmationen, Weihnachten, Geburts tagen u. dgl., üblich; alle anderen leiht man sich, womöglich vom Autor. Ein wohlsituierter Bürgersmann, höherer Beamter 1298 u. dgl. m. trägt, wenn er nach dem Theater mit seiner Frau und zufällig getroffenen Bekannten noch »auf ein Glas Bier« geht, kein Bedenken, wenn die Stimmung gerade danach ist, eine Zeche von mehreren Mark für einen ebenso geringen wie vorübergehen den Genuß zu machen, aber für die Hälfte des Betrages ein ihn wirklich interessierendes Buch von bleibendem Werte zu kaufen, erscheint ihm ungehörig. Ja selbst Gelehrte, bei denen man mehr Verständnis für die Unentbehrlichkeit der Bücher voraussetzsn sollte, sind darin bei uns oft nicht besser; derselbe Mann, der sich scheuen würde, den Rock eines anderen nur einen Tag zu tragen^ trägt kein Bedenken, Bücher, die er täglich braucht, jahrelang aus der öffentlichen Bibliothek zu entleihen u. dgl. m. Iw der Hin sicht sind die Engländer uns wirklich über; ich erinnere mich u. a. eines Engländers, der sich als Lehrer des Deutschen in England kümmerlich durchschlug; er lebte so sparsam, daß er sich seine einzige tägliche Mahlzeit selbst zubereitete und dabei sich nur sel ten Fleisch sin England!) gönnte; seine germanistische Privat bibliothek war jedoch so reichhaltig und mit allen unentbehrlichen wohlgebundenen Nachschlagewerken ausgestattet, daß daran Wohl nicht gespart worden war. Ein Atavismus aus Deutschlands armer Zeit ist es ja Wohl auch, daß noch heute beim Neubau unserer modernen Schulpaläste der Betrag für Bücheranschaffungen kaum nennenswert im Budget des Ganzen vorkommt. Damit ver gleiche man die englischen und nordamerikanischcn Collegebiblio theken ! Die Gebäude selbst mögen dort oft nur Wellblechbaracken fein, aber die Handbllchereien sind grundsätzlich vollständig, so weit Vollständigkeit des Arbeitsmaterials überhaupt für Geld zu haben ist. Es ist also hier ein grundsätzlicher Unterschied zwischen deutscher und englischer Auffassung, der zwar nicht zu unfern Gunsten spricht, den wir uns aber doch allen Ernstes zu Gemüte führen sollten, wenn wir fragen, wie es kommt, daß bei uns zwar unendlich mehr neue Literatur produziert, aber umso weniger konsumiert wird. Bei der Scheu, vielleicht zum Ankauf eines Buches genötigt zu sein, wagt man, so ein gefährlicher Ding^ wenn es ungebunden ist, beim Buchhändler kaum anzufassen. Wa rum sind denn aber überhaupt bei uns die meisten Bücher unge bunden? Kann man denn ein ungebundenes Buch selbst bei größ ter Vorsicht näher prüfen, ohne es zu beschädigen? Entschließt man sich aber, es wirklich zu kaufen, so muß man'es doch erst bin den lassen, um es benutzen zu können, und das ist nicht nur meist teurer, sondern gewiß viel unbequemer, als wenn man es gleich im Originaleinband bekommt.*) Hingegen ein gebundenes Buch kann jeder saubere Mensch getrost anfassen und auch anlesen, das heißt also etwas näher kennen lernen, ohne es zu beschädigen; und darum handelt es sich vor allem! Selber kennen lernen und sich nicht durch fremdes Urteil, durch den trügerischen Zufall der Reklame oder Rezension bevormunden lassen! Ist der Verleger aber so klug gewesen, durch mäßigen Preis und ansprechende, zu behaglichem Gebrauch einladende Ausstattung auf großen Absatz zu rechnen, dann wird er in den meisten Fällen auch seine Rech nung dabei finden, und der zögernde Liebhaber bald als glück licher Besitzer mit seinem neuerworbenen Schatze nach Hanse eilen. Nun ist er, wo wir ihn haben wollen! Wir haben heute so furchtbar viel zu lesen, Zeitungen, Tages erscheinungen usw., daß man immer weniger Zeit hat, Bücher zu lesen. Besitzt man aber ein Buch selbst, hat man es täglich in Reichweite im eigenen Büchergestell, so kommt man viel leichter dazu, gelegentlich danach zu greifen. Das Buch ist geduldig, es läuft ja nicht fort, es kann warten, bis und so oft man Zeit dafür hat; und hat der Eigentümer es einmal gelesen — wenn es des Lesens wirklich wert war —, so bleibt es lebenslänglich ein kost barer, an Wert nur zunehmender Besitz, an den sich unvergängliche Erinnerungen und unendliche Jdeenassoziationen knüpfen. Ich kenne kaum einen höheren Genuß, als den, in Mußestunden den Blick über meine Bücherreihen schweifen zu lassen und alte und junge Bekannte und Freunde zu grüßen; dies Buch erinnert mich *> In den Ausnahmefällcn, in denen jemand einen besonderen Ein band vorzieht, kann der Buchhändler ihm ja leicht den Band in Bogen liefern, ebenso bei durchschossen zu bindenden Exemplaren. Aber wie viel lästigen Zeitaufwand und Umstand verursacht dem einzelnen doch das Bindenlassenl
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