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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.09.1915
- Strukturtyp
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- 1915-09-24
- Erscheinungsdatum
- 24.09.1915
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LrWLMjürömDEeMchhlmdeL 8 Nr. 222. Leipzig. Freitag den 24. September 1915. 82. Jahrgang. Redaktioneller Teil Bücher als Besitz. Eine Betrachtung zum Konkurrenzkampf mit England. Von Arnold Schröer, ordcntl. Professor an der Handels hochschule Cöln. Im gegenwärtigen Weltkriege, dessen Ende noch kein Mensch abzusehen vermag, ist England Wohl nach allgemeiner Überzeugung unser gefährlichster, hartnäckigster Feind, politisch, militärisch, wirt schaftlich. Da ist es für den deutschen Buchhandel nicht weniger wie für das deutsche Bildungslebcn in aller Welt von nicht zu unterschätzender Bedeutung, sich die Tatsache zu vergegenwär tigen, daß der englische Buchhandel nicht erst durch den Weltkrieg, sondern schon vorher, wie die statistischen Ausweise lehren, der gefährlichste Konkurrent des deutschen gewesen ist und es daher »ach dem Kriege voraussichtlich noch mehr sein wird. Die Tragweite eines solchen Verhältnisses kann gar nicht scharf genug betont werden, wenn man bedenkt, daß einerseits selbst unsere Feinde, die Engländer, uns ohne weiteres den Ruhm der besonderen Wis senschaftlichkeit und literarischen Leistungsfähigkeit zugestehen, andrerseits aber trotzdem der Geist des Engländertums nicht nur die Angehörigen- des britischen Weltreiches, sondern auch die ineisten der wirklichen oder angeblichen Neutralen, insbesondere die Amerikaner beherrscht. Darin scheint ein Widerspruch zu lie gen, denn wenn die Literatur — das Wort im weitesten Sinne genommen — eine Macht ist, wie kommt es, daß die Macht und der Einfluß der deutschen Literatur in der Welt hinter der eng lischen Zurückbleiben, sobald man nämlich von den an Zahl ver schwindend kleinen Kreisen der Fachgelehrten absieht? Die rein wissenschaftliche Fachliteratur spielt im englischen Buchhandel nur eine verhältnismäßig geringe Rolle, weil eben der Interessentenkreis ein kleiner ist; kein vernünftiger englischer Ver leger wird die Veröffentlichung fachwissenschaftlicher Werke, deren Absatz voraussichtlich nicht groß ist, unternehmen, außer auf Subskription oder als Gesellschastspublikation, wobei es bezeich nend ist, daß die Stützen mancher solcher Publikationen diedeut - scheu Subskribenten sind und daß viele solcher Unternehmungen aus Mangel an Mitteln ins Stocken geraten. Denn der englische Buchhändler veröffentlicht nicht das, was nach Ansicht der Fach gelehrten wünschenswert ist, sondern das, was vom kaufenden Publikum gewünscht und gebraucht wird. Ohne jede Sentimen talität oder außergeschäftliche Nebengedanken schätzt er die tat sächlichen literarischen Bedürfnisse ein; und maßgebend ist nicht, was nach dem Urteil der Weisen gelesen werden sollte, sondern was gelesen wird. Dementsprechend ist auch die Tätig keit der für das große Publikum tätigen Autoren. Es hat nicht jeder bescheidene Provinzialschulmeister den Ehrgeiz, seine persön lichen Ansichten z. B. über Shakespeare oder über die Abstammung des Menschen oder über die englische Verfassung der Öffent lichkeit in einem selbständigen Werke vorzutragen. Wenn er es wünschte, müßte er es auf eigene Kosten drucken lassen. Abge sehen von der schönen Literatur, für deren Verbreitung es keine Normen gibt, hat die für den Massenbedarf des großen Publi kums erscheinende Literatur gewissermaßen überhaupt keinen »Autor« im strengen Sinne des Wortes, sondern ist das Produkt unternehmender Verleger, die ihre literarischen Konrpilatoren (»kaoks«) engagieren, um aus den bereits anerkannten Werken von Autoritäten brauchbare Handbücher herzustellen. Nicht selten liebt es in England auch ein bereits auf seinem Gebiete an gesehener Fachgelehrter, dies Gebiet in einem netten kleinen »Urimor« für den Massenvertrieb selbst zu popularisieren, und das fällt in der Regel besonders gut aus. Auf diese Weise erscheinen über ein bestimmtes Thema nicht gleich Dutzende von Konkurrenz werken, die sich gegenseitig behindern und deren angestrebte Ori- ! ginalität oft im umgekehrten Verhältnisse zu ihrer Brauchbarkeit ? steht, sondern statt deren nur ein oder einige wenige praktische Hilfsmittel, die die maßgebenden Ansichten der Fachleute wieder geben und aus diese Weise in die Massen hincintragen. Während man also in Deutschland oft den Wald vor Bäumen nicht sehen, d. h. den wirklichen Stand einer Frage vor lauter Autoren, die sich gegenseitig den Rang ablaufen, nicht klar erkennen kann, kom men in England die zurzeit geltenden Ansichten, weit weniger durch individuelle Autorenncigungen gefärbt, im großen Publi kum zur Geltung. Die praktische Folge ist die, daß die deutschen Bücher als Neuerscheinungen zwar viel zahlreicher sind, ihr Absatz aber nur um so geringer ist. Dies ergibt als weitere Folgen in Deutschland einerseits die Tatsache, daß das Buch als Geschäfts- artikel viel weniger gangbar ist, andrerseits die, daß die Wirkung des Buches auf das geistige Leben der Zeit viel fraglicher ist, denn es steht eines dem anderen im Wege. Dies ist eine Erscheinung, die weit über das besondere Inter esse des deutschen Buchhandels hinausgeht und in der die Zu- kunft unseres deutschen Bildungslebens und die siegreiche Be hauptung des deutschen Geistes in der Welt mit der wirtschaft lichen Zukunft des deutschen Buchhandels zusammenfällt. Der Widersinn, über den wir nicht hinwegkommen, liegt eben darin, daß die deutsche Geisteswelt zwar viel mehr literarische Werte schafft, d. h. einzelne Bücher produziert, die englische aber un endlich viel mehr Exemplare von Büchern nicht nur kauft und verkauft, sondern auch liest. Dadurch wird die Literatur — wieder im weitesten Sinne des Wortes verstanden — in der englischsprechenden Welt ungleich mehr Gemeingut derselben und dadurch eine für ihre Weltanschauung maßgebende Macht, als dies in der deutschsprechenden der Fall sein kann. Unsere seit Jahrzehnten beklagte literarische Überproduktion verschuldet einerseits eine Zersplitterung der (rezipierenden d. h.) geistig ausnehmenden Kräfte und dadurch andererseits eine Verminde rung der Verkaufbarkeit, d. h. eine Verteuerung der Bücher. Wenn ein deutscher Gelehrter Umschau hält über all das, was in seinem Spezialfache alljährlich in deutscher Sprache gedruckt wird, so kann er sich des Unbehagens über diesen Wust wissenschaft lich, und auch populärwissenschaftlich wertloser Büchcrmasscn nicht entschlagen. *> Da in der Regel nur der Fachmann ohne zu viel Zeitverlust mit sicherem Blick die Spreu von dem Weizen in der jährlichen Literatur seines Spezialfaches scheiden kann, wälzt sich die schwere Masse überflüssiger Literatur auf das *) Es gehörte in ein besonderes Kapitel, die Weltunklugheit man cher namhaften Gelehrten zu beleuchten, die darin besteht, daß sie sich gar nicht vorstellen, was, wieviel oder wie wenig von ihrer Spezial- wtssenschast bas gebildete Latcnpublikuni vernünftigerweise interessieren kann und soll. Das Publikum wehrt sich ja, indem es eben nicht kaust. Aber die armen Verleger! 1297
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