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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.09.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1915-09-17
- Erscheinungsdatum
- 17.09.1915
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
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- Saxonica
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^ 216, 17. September 1915. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. schwermütigen Melodien, mit denen sie sich in die weiten Länder ihrer Heimat zu ihrer Maruschka und ihren schmutzigen Kindern träumen. Mehrere spielen Mandoline oder Ziehharmonika, andere sind Virtuosen auf der Mundharmonika. Nach geistiger Nahrung haben sie, wie cs scheint, gar kein Verlangen. Es ist noch nie vorgekommen, daß einer von selbst den Wunsch nach einem Buch oder einer Zeitung ausgesprochen hat. Ein Teil von ihnen kann ja auch nicht lesen oder schrei ben, einzelne können lesen, aber nicht schreiben, ein Teil nur kann beides. Freiwillig erhalten sie von der Lager-Kommandantur einigen Lesestoff, von dem man glaubt, daß er sie interessieren, anregen und ihnen eine Vorstellung von den Ereignissen auf den Kriegsschauplätzen erwecken kann, die sie ziemlich gleichgültig zu lassen scheinen. Man will damit erreichen, daß die Gefangenen immer mehr Achtung vor den deutschen und österreichischen Er folgen, mehr Verständnis für deutsche Art und Menschlichkeit be kommen sollen, und hofft, daß das so in sie gelegte Samenkorn einst in ihrer Heimat im Sinne des wachsenden Verständnisses ihrer Volksgenossen für das Deutschtum Frucht bringen wird. Möchte man sich darin nicht täuschen! Das erste, was ihnen gegeben wurde, waren russische Neue Testamente, die, wie man beobachten kann, von Hand zu Hand wandern und wirklich gelesen werden. Es ist merkwürdiger weise eine Ausgabe der Britischen und ausländischen Bibel gesellschaft (Wien). Ferner sind in großer Anzahl, sodaß jeder Mann ein Heft erhalten hat, Einzelausgaben der Evangelien Johannes und Markus verteilt worden. Dünne Hefte, anschei nend für diesen Zweck vorgenommene Neudrucke (Berlin) nach der vom St. Petersburger Synod durchgesehenen Ausgabe. Es ist Grundsatz, jeder unter den Gefangenen vertretenen Religions gemeinschaft, Orthodoxen und Römisch-Katholischen, Lutheranern, Muhammedanern und Juden in bezug auf die Ausübung ihrer Religionsgebräuche das weiteste Entgegenkommen zu zeigen. Auch ein Umstand, der nur geeignet sein kann, den Unterschied zwischen russischer und deutscher Duldsamkeit augenfällig zu machen. Allwöchentlich werden einige Dutzend Nummern der russi schen Ausgabe einer Wochenschrift, die sich »Tb« Oonti- nental-Tiines. üussstijn isrrjestijn. Lmoristnnsstij rrjestnilc. — Ljespartjaaja nsutrainaja gassta nennt, also eine unparteiische neutrale Zeitung ist, kostenlos verteilt, um dem Zweck der Auf klärung zu dienen. Ich habe die Beobachtung gemacht, daß man sich nicht gerade darum reißt, man sieht sie aber doch öfter in den Händen Einzelner, und es scheint auch, als bürgerte sie sich ein. Ihr rein sachlicher Inhalt und der Mangel an Abbildungen stellt schon höhere Anforderungen an Aufnahmefähigkeit und Kennt nisse, als unsere Russen besitzen, die nichts anderes sind als große, unwissend« Kinder. Anders ist es schon mit dem Illu strierten Kriegskurier (Verlag Deutscher Kurier A.-G. in Berlin), der wöchentlich einmal erscheint und nur Abbil dungen bringt mit ganz kurzen Unterschriften in deutscher, rus sischer, englischer, französischer und holländischer Sprache. An scheinend wird er auch in allen andern Gefangenenlagern ver breitet. Freilich nicht kostenlos. Trotzdem aber jede Nummer nur 5 H kostet, und fast jeder Russe im Lager Arbeitsgelegenheit hat und-Geld verdient, haben sich doch nur ganz vereinzelte Be steller gefunden. Wie überall: für geistige Bedürfnisse will man nichts ausgeben. Die wenigen Stücke, die gehalten werden, erfüllen aber ihren Zweck schon reichlich: durch die Anschauung auch die Analphabeten über die Kriegsvorgänge zu unterrichten, so gut es geht. Die Beschaffung von Büchern in russischer oder deutscher Sprache ist nicht nur erlaubt, sondern würde gern, selbstverständ lich unter Beaufsichtigung, begünstigt werden. Es ist ja eine nicht unwichtige Frage, wie die Menge Menschen beschäftigt werden soll, wenn einmal nicht für alle Arbeitsgelegenheit vorhanden ist. Zu Spielen, Tennis, Fußball, Krokett, Faustballspielen und ähn lichem, wie sie in Franzosen- und Engländer-Gefangenenlagern betrieben werden, zeigen unsere Russen weder Verständnis noch Neigung. Aber auch die Gelegenheit zur käuflichen Anschaffung von Büchern, die ihnen durch Lagerbefehle geboten wurde, hat nicht ein einziger benutzt. Das Angebot einer deutschen Verlags buchhandlung von russischen erzählenden Büchern zu leidlich bil ligen Preisen wurde den Gefangenen zugänglich gemacht, ebenso wurde ihnen mitgeteilt, daß Bestellungen auf antiquarische wissen schaftliche und Unterhaltungslitcratur aufgcgebcn werden dürf ten — eine rührige Leipziger Antiquariatsbuchhandlung hat die Mühe nicht gescheut, einen Katalog russischer und sonst einschlägi ger Werke ihres Lagers zusammenzustellen, die sich zur Anschaf, fung für Kriegsgefangene eignen —, es ist aber in unserm Lager nicht eine einzige Bestellung gemacht oder nur eine Anfrage gestellt worden. Ich glaube nach diesen Erfahrungen nicht, daß in ande ren Mannschaftslagern bessere Erfolge erzielt wurden, und fürchte, der Antiquar wird mit seiner geschäftlichen Spekulation, die an sich gewiß nur zu bewundern ist, keine große Freude erleben. Der Briefwechsel unserer Gefangenen mit ihren Angehörigen in der Heimat ist nicht entfernt so lebhaft wie jener der gefangenen Franzosen und Engländer. Auch die ankommenden Briefe, Kar ten, Paket«, die ebenso wie die abgehenden durch die Hände des mit der Prüfung betrauten Offiziers und seiner Dolmetscher gehen, erreichen nur ein geringes Maß. Es scheint mir das nicht allein daran zu liegen, daß ein großer Teil, weil er nicht lesen und schreiben kann, die Hilfe der Kameraden in Anspruch nehmen mutz, die nicht gern ohne Entgelt gewährt wird, sondern mehr an dem Umstand, daß ihnen der briefliche Verkehr etwas durchaus Fremdartiges ist. Diesem Naturvolk, das daheim mit den Haus tieren fast in derselben Weise wie mit den Familienangehörigen lebt, fehlen noch vielfach die einfachsten Begriffe des Kulturlebens. Abgesehen natürlich von Ausnahmen, die aber im allgemeinen nur die Bewohner der Städte darstellen. Es ist erlaubt und wird sogar gewünscht, daß jeder möglichst oft in die Heimat schreibt, weil man sich davon, gewiß mit Recht, eine aufklärende Wirkung im russischen Volke zu unfern Gunsten verspricht. Die Lager- Verwaltung verteilt kostenlos Fcldpostkarten, um die Häufigkeit des Schreibens zu unterstützen, und eine Art Kartenbricf, auf dem der Speisezettel einer Woche abgedruckt ist, um den Angehörigen schon dadurch den Beweis zu liefern, daß es den Gefangenen gut geht. Dennoch ist der Briefaustausch mit der Heimat mäßig. Gleichförmig vergeht den der Freiheit Beraubten Tag für Tag, Woche für Woche. Nur von wenigen weiß ich, daß sie sich Sorgen um ihre Frauen und Kinder machen, von denen sie selten, von manchen, die im Operationsgebiet wohnen, gar keine Nach richt erhalten. Der großen Menge scheint aber das sorgenlose und verhältnismäßig faule Leben im Gefangenenlager gerade recht zu sein. Sie erscheinen stumpf und gleichgültig gegenüber den großen Weltbegebenheiten, die gerade in ihrem Heimatland« sich an Gewaltigkeit förmlich überstürzen. Erzählt man ihnen vom Fall Warschaus, Kownos, Nowo-Georgiewsks, Brest-Li- towsks, von den riesigen Zahlen Kriegsgefangener, der ungeheuren Kriegsbeute, so hat man bei den einen das Gefühl, als glaubten sie es nicht, während andere mit blödem Lächeln erwidern: »Alles kaput«. Sie geht ja das alles jetzt nichts mehr an, sie können das Ende abwarten. Nur nicht mehr in den Heeren des Zaren in den Tod gejagt werden! ckn. 8. i?. Deutsche Schrift auch für Fremdsprachliches? Mit Recht ist in Nr. 181 b. Bbl. der Satz eines in Göttingen er schienenen Untiquariatskataloges, der durchweg, also auch in den fremdsprachlichen Titeln, in deutschen Buchstaben gesetzt ist, bean standet worden. Wenn ich auch bankend darüber quittiere, daß dabei Götiingen als die Hochburg der deutschen Buchstaben bezeichnet wird, so muß ich doch der Schriftsache, wegen alle Verantwortung für solche Satzart ablehnen. Schon in Nr. 158 d. Bbl. 1818 habe ich in einem Artikel »Wörterbücher in lateinischen Lettern?«', von dem ich Sonderabzüge ans Verlangen abgebe, eingehend auseinandcrgcsctzt, daß der Verleger sich des besten Unterscheidungsmittels begebe, wenn er deutsche Wörterbücher fremder Sprachen nicht in gemischtem Satze herstelle. Ich konnte damals be richten, daß von vier verschiedenen Sabproben eines große» griechi schen Wörterbuches, die einer größeren Anzahl von Gelehrten vor- gelcgt wurden, einstimmig diejenige in Fraktur mit griechischer Schrift und mit technischen Bezeichnungen in Lateinschrift ausgewählt wor den ist. Ferner habe ich in meinem »Kleid der deutschen Sprache« 5. Auflage, S. 62, an den eingehenden Nachweis, daß der Übergang 1275
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