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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.07.1915
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- 1915-07-17
- Erscheinungsdatum
- 17.07.1915
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Rr. 1«3. LÄ'gMumöÄMrstMerelWberSMW 32. Jahrgang. Leipzig, Sonnabend den 17. Juli 191b. Redaktioneller Teil Auf feldgrauer Straße. Aufzeichnungen des Armierungssoldaten Otto Riebicke. II. (I s. Nr. 145.) »Goldap«. »Goldap« ist der häßlichste Dorfköter, fett, faul, gefräßig. Aber wir lieben ihn alle. Denn er kann so herzzerreißend zum Monde sprechen, wenn wir schlafen wollen. Außerdem gehört er dem Herrn Feldwebel und durch ihn wieder der Kompagnie. Er sei elegisch, sagte einer von uns und zog sich darauf die Faustforderung eines schlesischen Kameraden zu. Wir andern lösten das Ultimatum, indem wir nachwiesen, daß »elegisch» etwas anderes als »englisch« sei. So erfuhren wir auch Goldaps Geschichte Als unsere, damals noch rasse rein schlesische Kompagnie der großen masurischen Heerstraße nachmarschierte, fand sie den Hund heulend auf den Trüm mern von Goldap. Erst wollte er von den Joppenmenschen nichts wissen, aber dann kam er doch winselnd nachgetrottet, fand Essen und Verpflegung annehmbar und ließ nicht mehr locker; er marschierte mit nach Rußland hinein pnd nahm es für selbstverständlich, daß ein Armierungstischler auch ihm ein festes Obdach ins Quartierdorf setzte. Seitdem heißt er »Goldap« und zeigt auch Mut. Oft, wenn wir vorn an vorderster Front eine Schippe der anderen nachwarfen, stand er plötzlich weißscheckig neben uns. Dann gab's kleine Sorgen. Denn »Goldap« ist vorwitzig genug, wie der Wirbel wind auf Höhen zu laufen, die militärisch streng verboten sind. Und die Russen haben scharfe Augen und wissen auch, daß zum Hund der Herr gehört. »Goldap« singt also den Mond an, und wir lieben ihn trotzdem. Wir haben ja keine Musik im Dorfe, nicht einmal ein Arbeiterklavier oder eine Schnutenorgel (Zieh- oder Mund harmonika), und es liegt so eine prächtige Wehmut in dem Geheul dieses Hundes, der nach Liebe ruft. Abends, wenn es längst dunkel ist, in Deutschland aber wohl noch die Sonne aus Giebeln und Kirchtürmen liegt, entfacht sich das Herdfeuer dex Kompagnieküche noch einmal zur Flamme. Im schläfrig flackernden Licht wird die Post verlesen. Schneeweiße Briefe kommen an und sauber verpackte Paketchen, wir wagen sie kaum anzurühren, so kulturvoll; und wenn es geschieht, haben wir gewiß unsere längst ungewaschenen Hände vorher verstohlen an der derben Manchesterhose entlang gewischt. Wenn dann die Postkörbe leer sind, glimmen an wär meren Abenden unten im Walde kleine Flämmchen auf. Da hocken wir, den müden Rücken an einen Tannenrtesen gelehnt, und leuchten mit elektrischen Glühbirnen in die Briese aus der Heimat. Oh! was können die alles erzählen, wie deuteln wir jedes Wort und wie ziehen wir jeden Buchstaben, bis sie uns eine Geschichte geben, belanglos an sich, aber so süß ... so süß! Ernste Frauen schreiben uns, Freunde, die blonden Bräute und die Weißen Mütter. Oder Väter — ich darf nicht mehr lesen, wie Väter ihrem Soldatensohne schreiben. denn mein Vater ist über den Sternen — aber ich weiß es doch, wie er geschrieben hätte und wie Väter heute schreiben. Wir träumen über diese Briefe, bis der kalte Schauer der russischen Nacht auch in den Wald kriecht. Dann stehen wir auf und sehen plötzlich den grotesken Tanz der Schein werfer am Himmel, erwachen unsere Ohren zum Gehör der brüllenden Front, und wir gehen in die harten Kammern unserer engen Quartiere. Dann steht »Goldap. noch draußen und heult so — wehmütig. Der Wald. Prächtige Tannenwälder schützen unser Dorf gegen Osten. Bäume, in Wildheit gewachsen, derranken sich mit den Ästen zum Urwald. Eine ragende Mauer, durch die nur Furten führen oder Granaten die Bresche schlugen. Da liegen vier Gräber. Kameraden. Schlichte Holzkreuze nennen sie, die einer Mutter Namen trugen. Wir schmückten die Hügel mit Moos und bunten Steinen. Abseits davon geht die Heer straße, feldgrau im wirbelnden Staub. Sie stößt senkrecht zur Front. Erst waren die Russen darüber geflohen und nun ist sie ein Nerv der deutschen Stellungen. In langen Ko lonnen lebt sie, deutsche Soldaten ziehen darüber, Bagage und Artillerie rollt durch die Nächte. Flieger übersurren den Wald, sie gleiten über die feindlichen Stellungen. Schrapnells platzen gegen sie. Zu tief, zu hoch, zu rechts, zu links. Wir stehen oft in hoher Spannung. Unbeirrt fliegt der Pilot durch die tödlichen Schneewölkchen. Mit langen, Hellen Rauch- säden zeichnet er die russische Stellung an den Himmel. Dann brechen unsere Batterien los. Ein kurzer Heller Metallklang — und heulend jagen die Projektile über uns hinweg. Bum . . . Bum . . . Bum . . . Bum — Ausschläge drüben, schwarze Erdfontänen, Stille. Getrosten! Über eine Nacht hatten die Russen den Beobachtungsturm gebaut. Wie ein schmaler Strich ragte er aus dem Horizont. Unsere Artillerie schoß. Mit zwei Schüssen tastete sie sich zur Richtung, im dritten Donner verschwand der Turm. Und wie die Russen! Oft bestrichen sie von frühmorgens bis zur Dunkelheit unsere Stellungen, ohne zu finden, was sie suchten. In diesem Front abschnitt ist auch schwerlich an einen artilleristischen Munitions mangel des Feindes zu glauben, eher möchte ich das für die Gewehrmunition wahrscheinlich halten. Die Russen hatten auch eine besonders Überraschung für uns Armierer. Daß sie uns flottweg auf dem Wege zur Arbeitsstätte beschossen, sagte ich schon. Sie glaubten uns aber auch, nachts belästigen zu müssen. Als unser Quartier halb niederbrannte, haben die Rauchwolken bei ihnen Wohl die Erinnerung an dieses schmutzige Dörfchen geweckt. Denn seither pulverten sie Unmassen von Munition des Nachts da gegen. Sie griffen zwar nur bis auf fünfzig Meter an uns heran, aber es mußte uns doch leid tun, — um der schönen Bäume unseres Waldes willen. Wir haben da auch einen Brunnen, und dieser Brunnen wäre bei einem Haar ver schüttet worden. Der Brunnen gibt zwar nur jauchiges Wasser, aber wir lieben ihn doch, wie man ein Requisit liebt. Es ist ein Ziehbrunnen, den unsere Truppen beim ersten Vormarsch gebaut hatten, der von den Russen durchmistet wurde lOul
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