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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.04.1915
- Strukturtyp
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- 1915-04-23
- Erscheinungsdatum
- 23.04.1915
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. .U 92, 23. April 1915. Kriege ein wenig vorbereiteten? Denn, täuschen wir uns nicht, mit der in den letzten Jahrzehnten eingerissenen Art der deutschen Kuliurverwaliung sich spiele auf einen bekannten Aufsatz des Kunstwart an) wird es nach dem Kriege Wohl nicht mehr gut gehen, cs wird an Haupt und Gliedern manche Änderung vorge nommen werden müssen. Fängt man damit allmählich an, so wird der ernste Teil unserer deutschen Schriftsteller auch schon während des Krieges sein Brot leidlich verdienen können. Den Buchverlegern könnte man Ähnliches sagen wie den Zeitungsverlegern, doch hat es zurzeit wenig Zweck, da sie natür lich jetzt vor dem Risiko, Bücher zu verlegen, im allgemeinen zu- rückscheuen. Man kann es ihnen auch nicht übelnehmen, da Bll- cherkaufen beim Publikum nun Wohl meistens als Luxus gilt. Vielleicht gibt es zwischen den Verlegern und den Autoren immer noch »menschliche« Verhältnisse, und die wirtschaftlich Schwäche ren werden von den wirtschaftlich Stärkeren unterstützt. Nach dem Kriege werden wir namentlich über zwei Dinge mit unfern Buchverlegern zu reden haben: erstens über die unzweifelhafte Bevorzugung der fremden Literaturen vor der deutschen, die eine weit über das natürliche Matz gehende Übersetzungsliteratur nach sich zog, und zweitens über das Bestreben der Verleger, ihre Bü cher, womöglich in Zyklen, selbst zu machen und den Autor möglichst auszuschalten. Wir Deutschen bildeten uns ja vor dem Kriege ein, daß wir die Weltliteratur hätten, und ich mutzte mir noch vor kurzem von einem jungen Manne in sehr un geziemender Weise sagen lassen, datz der deutsche Literaturwtssen- schastsbetrieb »universal« zu sein habe. Nun haben wir wieder einmal die Erfahrung gemacht, datz man uns trotz unseres uni versalen Betriebs für Barbaren hält und von unserer Kultur ein fach nirgends etwas weiß sein bißchen Heuchelet ist freilich da bei). So empfiehlt es sich denn wohl, nach dem Kriege die Be schäftigung mit den fremden Literaturen in geziemenden Grenzen zu halten und lieber erst einmal den Landsleuten gegenüber die völkische Pflicht zu erfüllen. Wir brauchen wirklich nicht jeden Franzosen dritten Ranges zu übersetzen und jeden neu auftau chenden Russen für ein Genie zu erklären. Es genügt durchaus, wenn unsere Berufenen die Entwicklung der fremden Literaturen verfolgen und nur die Werke übersetzt werden, die uns wirklich etwas zu geben vermögen. — Auch die Buchmacherei der Verleger ist kein Glück für unsere Literatur, das Neue und Ursprüngliche wird erdrückt durch die unendlichen Neuausgaben und Zurecht machungen für bestimmte Zwecke. Ja, wenn noch das früher Verkannte zu seinem Recht käme, aber zuletzt herrscht auch auf diesem Gebiete die Schablone — keine Klassikerbibliothek entbehrt z. B. des ganz überflüssigen Börne, aber an Willibald Alexis oder Sealsfield-Postl will niemand so recht heran. Ein neuer Geist oder vielmehr der gute alte unseres Volkstums mühte nach dem Kriege auch unser Verlagswesen durchfluten. Sicherlich kä men dabei die ernsten Schriftsteller auf ihre Rechnung, und, wie ich glaube, die ernsten Verleger auch. Am meisten Verfahren sind ja von allen Kunstgebietcn die Theaterverhältnisse. Darüber ist jetzt während des Krieges schon vieles gesagt worden, und ich will es nicht wiederholen. Die Dinge stehen so, datz ein deutscher Dramatiker, der Ernstes erstrebt, aber noch keinen Namen und keine Beziehungen hat, ein fach nicht auf die Bühne gelangen kann, da niemand seine Werke liest. Ein Bekannter von mir Pflegt, wenn er seine Dramen ein reicht, immer einige Blätter leicht zusammenzukleben; noch nie aber hat er, wie er mir erzählte, wenn er sein Stück zurückerhielt, das Zusammengeklebte gelöst gefunden. Immerhin mag es ja noch den einen oder den anderen lesenden Dramaturgen geben, aber man darf überzeugt sein, datz gerade dieser durchaus keinen Einfluß besitzt. Nun kenne ich als Literarhistoriker, der regel mäßig auch seine Zusendungen erhält, ja die ungeheure Über produktion der mittelmäßigen Talente, ich weiß aber auch, datz es sehr viel entwicklungsfähige Begabungen gibt. Beim heuti gen Theater kommen nicht einmal die bekannten deutschen Ta lente — von einem Dutzend berühmter und Modeleute abgesehen — zur Geltung, viel weniger noch unbekannte, es sei denn durch Streberei oder durch Zufall. Die Folge ist natürlich, datz unser Theater völlig traditionslos, rein sensationell geworden ist. Im besondern schlimm steht es mit dem Geschichtsdrama, das doch- 562 jedes Volk aus nationalen Gründen dringend braucht; mit Lessings »Minna«, Kleists »Prinz von Homburg« und etwa noch Gutzkows »Zopf und Schwert« und Heyses »Kolberg« wird der gesamte, sehr starke patriotische Bedarf unserer Bühnen jahraus, jahrein bestritten — und dabei haben wir Hunderte von neueren Geschichtsdramen, unter denen ein ziemlich starker Prozentsatz des Guten und Brauchbaren ist. Sollte man nicht jetzt zur Kriegs zeit versuchen, den Schatz endlich flüssig zu machen? Ich bin ein viel geplagter Mann, aber bei dieser Sache, der Aufstellung einer nationalen Dramenliste, würde ich auch sehr gern Mitwirken, und wenn ich noch hundert Stück neu lesen müßte. Im besondern müßten auch die Lebenden zu ihrem Rechte kommen, man müßte, sobald die Liste feststünde, kräftige Anforderungen an die Theater richten — vielleicht kämen diese, wenn sie längere Zeit gute histo rische Dramen aufführten, aus dem Schlendrian und reinen Ge schäftsbetrieb heraus, und es bildete sich wieder eine Tradition. Bei unseren deutschen Dramatikern aber würde viel Verbitterung aus der Welt geschafft, zumal wenn auch die Kritik ihre Pflicht täte und bedächte, datz es nicht die Ausgabe jedes Dichters ist, ein Genie zu sein, datz man für jeden Ernslstrebenden Wohlwollen haben mutz. Das scharfe Wort Hebbels: »Unglückseliges Volk, das deutsche, mit seinen Talenten, die es an keinem besitzt, aber an sedem verliert« wird ja bei unserem Nationalcharakter bis zu einem bestimmten Grade immer wahr bleiben, aber immer mehr Ausnahmen ließen sich vielleicht doch nach und nach erzielen. Wer wie ich ein Menschenalter im Literaturleben steht, hat nicht allzu viele Hoffnungen mehr. Aber manches wäre doch auch in der Literatur zu bessern, wenn man nur einmal entschieden wollte. Ohne ernst strebende Dichter und Schriftsteller des eige nen Volkstums gibt es keine wertvolle Kultur — so helfe man ihnen über die schwere Kriegszeit hinweg und gebe ihnen nach dem Kriege bessere Aussichten, als sie vor ihm hatten! Meine Beziehungen zum Buchhandel. (Zum 50. Geburtstage Meinrad Lienerts, 21. Mai 1915.) Sie schreiben mir, daß ich am 21. Mai dieses Jahres 50 Jahre alt werde und daß Sie anläßlich dieses Tages gern etwas über meine Beziehungen zum Buchhandel vernehmen möchten. Ihr Ansuchen ehrt mich sehr. Eigentlich wundert es mich fast, daß da draußen im sturmbewegten Deutschen Reiche überhaupt jemand ist, der meinen Namen kennt oder vielmehr sich seiner jetzt erinnert. Ich bin auch fast versucht, mich zu entschuldigen, daß ich nur 50 Jahre alt bin, ja ich schäme mich geradezu: So ein Junger und will am Ende gar schon ein Dichterjubiläum feiern. Ich nicht, ich nicht! Ich will ja gern warten, bis ich sechzig Jahre alt bin und ein wenig den Knie knicker habe. Und wenn ich dann noch zu jung sein sollte für irgendein lokales Lebehoch, so warte ich mit größtem Vergnügen bis zum sieb zigsten Geburtsjahr. Das ist ja das Alter, in dem man die Poeten und andere Leute mit dem Lorbeer kränzt, ob sie dann den Kopf dazu haben oder nicht. Das ist die Zeit, in der man plötzlich dieses oder jenes Licht, das man bisher für ein simpel Talglichtlein hielt und das es vielleicht auch ist, auf den Leuchter hebt und nrdi et orlri strahlen läßt. Aber weun's auch ein ansehnliches Licht sein sollte, nur nicht zu früh anerkennen, ich bitte Sie! Man bedenke, so ein Junge, der etwa erst seinen »Gyges und sein Ring« oder den »Prinzen von Homburg« geschrieben hat! Wenn ein derartiger Poet denn durchaus einen Lorbeer haben muß, so warte man wenigstens bis 60, wo er schon ge wisse Altersschwächen haben kann, die mit tröstlicher Süße das Neidolin, das seine Vorzüge in uns produzieren, verdünnen. Aber immerhin, das richtige, durch altehrwiirdige Übung der Weltfestgemeinde geheiligte Jubiläumsalter, für Dichter wenigstens, wäre 70. Da mag es ein bis über den Herzbart erwärmender Anblick sein, zu sehen, wie der alte Poet so rührend die linden Speisen, die man ihm, als an seinem Leichenschmaus, vorsetzt, mümmelt und wie er so schön ausgehonigt, wie ein Bienenkorb im Hornung, an der Festtafel sitzt und den Schein werfer der öffentlichen Gnadensonne auf sich richten läßt. Nun, die großen Dichter mit ihren unsterblichen Werken hatten und haben diese Altersgrenzfestlichkeiten nicht nötig, obwohl sie ihnen gewiß auch wohltun oder wohlgetan hätten. Gewiß, einst, in ihren jungen Jahren, in ihren eigentlichen Schaffeuszeiten, nach Voll endung eines ewigen oder langewähreuden Buches, wäre ihnen eine herzhafte Anerkennung, ihnen und ihren künftigen Taten, recht wohl bekömmlich gewesen. Ich, freilich, bin nur ein einfacher Volksöichter in den Schweizer- bergen, der auf keine Jubiläen Anspruch hat noch macht. Dennoch will
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