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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.09.1879
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1879-09-17
- Erscheinungsdatum
- 17.09.1879
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- Deutsch
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215, 17. September. Nichtamtlicher Theil. 3675 sie fast ausschließlich auf die Artikel angewiesen sind, die ihnen ihr Moskauer Kommissionär in Rechnung zu liefern für gut findet, und zu diesen Artikeln gehören die bessern und gediegenen literarischen Erzeugnisse, die überhaupt fast nur gegen baar zu kaufen sind, nicht. Alle Personen im Innern Rußlands, die wählerisch in der Anschaffung von geistiger Nahrung sind, Pflegen daher ihren Bücherbedarf ausschließlich von Petersburg und Moskau zu be ziehen. Es resultirt daraus, daß diese beiden Städte auch im Sortiment eine vollständig dominirende Stellung einnehinen. Leider ist das Bedürsniß nach Lectüre in Rußland noch viel zu wenig entwickelt und der verhältnißmäßig geringe Bedarf wird wieder zu etwa U von den Zeitungen und Zeitschriften gedeckt, die ausnahmslos sich im Besitz von Nichtbuchhändlern befinden und von denen der Sortimenter bei der Annahme von Abonnements nur einen ganz kleinen Rabatt (15 bis 75 Kop. per Exemplar) erhält. Trotzdem hat die Bücherproduction in der letzten Zeit einen solchen Umsang gewonnen, daß dieselbe zum Konsum nicht mehr im richtigen Verhältniß steht. Dies ist auch einer der Hauptgründe, weshalb so außerordentlich viel Buchhandlungen nach kurzem Be stehen wieder verschwinden. Ein anderer Grund ist das Unwesen der Schleuderet; bei einem Rabatt von durchschnittlich nur 20U, den der russische Sortimenter bezieht, kann, in Anbetracht der hohen Spesen und des beschränkten Umsatzes, nicht viel verdient werden. Trotzdem haben es manche Firmen für möglich gesunden, ihren Kunden im Innern des Reiches nicht nur das Postporto zu rabattiren, sondern bei größerm Bedarf — z. B. an Schulen re. — noch 10 bis 15U zu bewilligen. Von den seit 25—30 Jahren ctablirten Buchhandlungen Petersburgs hat sich nicht der vierte Theil erhalten. Firmen, die s. Zt. mit großem Pompe austraten und zu den glänzendsten Hoffnungen berechtigten, sind entweder spurlos zu Grunde gegangen oder deren Geschäfte wurden vor ihrem Unter gänge zu Spottpreisen verlaust. Den größten Umsatz machte im letzten Jahrzehend die Firma Gebrüder Ssalajew in Moskau, man taxirte denselben bis auf eine halbe Million Rubel jährlich. Der Ches des Hauses ist jedoch kürz lich gestorben und demzufolge ist der Glanz des Geschäftes im Sinken begriffen. Der Buchhandel auf den russischen Messen und Jahrmärkten wird ausschließlich von Moskauer Firmen betrieben. Petersburger, die ein Sortiment führen, welches für gebildetere Ansprüche berechnet ist, finden ihre Rechnung selbst auf der großen Messe von Nischny- Nowgvrvd nicht. Die Spesen sind im Verhältniß zum Umsätze zu hoch, mehrere Versuche haben dies bewiesen. Den größten Umsatz aus der Nischny-Nowgorod'schen Messe, welche ca. scchsWochenwährt, macht wohl Manüchin, der für 15 bis 20,000 Rubel verkauft. Seine Waare besteht zu ^ aus sogenannter Volkswaare, d. h. allerhand billigem Schund, Kirchenwaare, d. h. Gebet- und Andachtsbüchern, Ritualen, Bibeln und officiellen gottesdienstlichen Büchern, meist in slawonischen Charakteren gedruckt und in grell gesärbte Holzdeckel gebunden. Der Rest ist bessere Literatur. Der ganze Bücher- und Bilderumsatz dieser größten Messe wird sich auf 50 bis KO,000 Rubel belaufen. Die Käufer sind meist Provinzial buchhändler, und es ist mindestens ^/z bis ^ des Geschäftes aus Jahresrechnung. Das Risico ist dabei nicht unbedeutend, da ein großer Theil dieser Händler zu den sog. Ofoni (Assni) — wandern den Verkäufern, die keine fest ctablirten Geschäfte besitzen, sondern nur hausiren — gehört, von denen jährlich eine größere Anzahl spurlos verschwindet. Diese Oföni bilden eine eigenartige Erscheinung im russischen Buchhandel. Nach Petersburg kommen sie säst nie. Ihre Waare, die sie ausschließlich in Moskau acquiriren, besteht aus Heiligen legenden, Fibeln, Volkssagen, Gebetbüchern und Bilderbogen. Die letzteren sind vorzugsweise originell. Ueber ihren künstlerischen Werth nur soviel, daß die ordinärste Neu-Ruppiner Waare brillant dagegen zu nennen ist. Das Colorit besteht nämlich vorzugsweise aus größeren Farbeuklccksen und -Strichen, ohne viel den abgebildeten Gegenstand zu berücksichtige». Dieser selbst ist seit uralten Zeiten traditionell. Höchstens, daß die Schlachten der neueren Kriege die Abbildungen aus den ältcrn Kriegen verdrängen (zuweilen werden auch bloß die Unterschriften geändert), und daß neue Nationalhelden wie Skobelew, Tscherniajew, Gurko u. A. hinzukommen. Die be rühmten Feldherren, prächtig zu Pferde, nehmen den ganzen Bogen ein und zwischen den Husen des Pferdes ist dann womöglich ein ganzes Armeecorps aufgestellt, die Perspective kann man sich dazu denken. Das jüngste Gericht mit der Abbildung aller nur denkbaren Höllenqualen ist ein sehr gesuchter Artikel, auch „Wie die Mäuse den Kater begraben" und drgl. Die Ofeni durchwandern das ganze Reich und gelangen bis in die entferntesten und verstecktesten Winkel. Bis iu der neuesten Zeit waren sie es allein, die „Aufklärung und Bildung" in die großen Massen des von den Städten entfernt wohnenden „dunkeln" Volkes trugen. Die Qualität dieser „Bildung" läßt sich aus Vorstehendem abstrahiren. Petersburg sowohl wie Moskau haben ihre Trödelmärkte, die überhaupt in den russischen Städten eine große Rolle spielen. Der Buchhandel auf diesen Märkten ist in den beiden Residenzen nicht unbedeutend. Ich will versuchen, denselben zu charakterisiren. Die Buchhändler im Apraxin und Schtschukin Dwor in Petersburg sind durchschnittlich Leute von geringer oder gar keiner Bildung. Ihre Laufbahn haben sie meist mit dem Sack voll Bücher aus dem Rücken, von Haus zu Haus gehend, kaufend und verkaufend, oder alsMarkt- helser und Ausläuser von Buchhandlungen begonnen. Ihre Waare ist ein Konglomerat von allem Möglichem. Man findet dort seltene und Prachtwerke in allen Sprachen, Restauflagen von vielen russi schen Verlagsartikeln, neue und gebrauchte Schulbücher, antiqua rische Lager von wcrthvollen und werthlosen Büchern, alte Jahr gänge und einzelne Nummern von Zeitschriften, Volksbücher niederer Gattung, Bilder Moskauer Fabrikats ä 80 Kop. Pr. Hundert colo- rirt und thenrere. Diese Märkte sind auch die Sammelplätze für ge stohlene Bücher, deren Anzahl eine ganz beträchtliche ist — denn cs gibt keine Buchhandlung und fast keinen Verleger in Petersburg und Moskau, bei denen nicht mehr oder weniger gestohlen wird. Es ist dies eine so bekannte und gewohnte Erscheinung, daß schon gar nicht mehr viel Aufhebens davon gemacht wird. Daher ist es auch allgemeine Sitte, daß, bevor der Sortimenter nach einem ver langten Buche zum Verleger sendet, er es zuerst bei den Markt buchhändlern suchen läßt, und zwar in vielen Fällen mit Erfolg. Bor dem Brande von 18K2, welcher oben genannte beiden Märkte mit ihrem Inhalte total vernichtete, hatten die dort befindlichen Bücherläden eine noch viel größere Bedeutung durch ihre reichhal tigen Lager, und die Bibliophilen Petersburgs holten sich dort ihre kostbarsten Schätze. Die Marktbuchhändler, oder „Bouquinisten", wie sie sich selbst nennen, haben auch unter sich eine Art Verband, der namentlich bei Auctionen und Partiekäufen in Function tritt. Eine Vereinigung der eigentlichen Buchhändler Petersburgs und Moskaus ist, trotz mehrfacher Versuche, nie zu Stande gekommen. Schließlich will ich noch die Censurverhältnisse, die aus den Buchhandel einen so maßgebenden Einfluß ausüben, kurz berühren. Von der Handhabung der Censur in Bezug aus im Auslände er schienene Druckschriften war bereits die Rede in Nr. 184 d. Bl. Die Censur der im Jnlande gedruckten Erzeugnisse war von jeher eine wesentlich andere. Unter der Regierung Kaiser Nikolai's war die Handhabung derselben eine, wenn auch nicht immer consequente, doch im Ganzen äußerst strenge. Abgesehen von dem eigentlichen Censurcomito, gab es (und gibt es theilweise bis heute noch) ver- 501*
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