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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1908
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- Erscheinungsdatum
- 16.06.1908
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- Deutsch
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sichtigen. Der Begriff des Schenkens ist freilich in diesem Falle nur figürlich zu verstehen, denn die unentgeltliche Abgabe eines Besitzgegenstandes lieben sie genau wie alle Welt nur in der passiven Form. Der verstorbene Oberbibliothekar der Universität Göttingen Karl Dziatzko vereinigte beide Typen dieser Interessenten in seiner Person, und er ist denn auch als einer der Hauptkämpfer für das Pflichtexemplar hervorgetreten. In der von ihm herausge gebenen Sammlung bibliothekswissenschaftlicher Arbeiten ist als drittes Heft im Jahre 1889 ein dickes Buch über die Abgabe der Pflichtexemplare »mit besonderer Berücksichtigung Preußens und des Deutschen Reiches unter Benutzung archivalischer Quellen von Dr. Johannes Franke« erschienen. Es wird als grundlegendes Werk in dieser Frage betrachtet, und es ist in der Tat ein fleißiges Buch. Meine ganze Leichtfertigkeit, mit der ich vor zwölf Jahren in der Beurteilung dieser Angelegenheit vorging, kann mir nachge wiesen werden durch den Vorhalt, daß ich damals, als ich mich unter fing, in der Pflichtexemplarfrage eine Meinung zu äußern, dieses Werk gar nicht kannte. Ich war so naiv, zu glauben, daß es ge nüge, zur Behandlung dieser Frage ein bißchen Menschenverstand, Gerechtigkeitsgefühl, logisches Denken und Urteilsfähigkeit mitzu bringen. Ach, damals wußte ich noch nicht, daß es in Deutschland nur demjenigen gestattet wird, mitzureden, der eine Frage auf Grund von Büchern beantworten kann, der sie historisch mindestens bis zur Zeit des Trojanischen Krieges, oder, wenn das absolut heute noch nicht möglich ist, wenigstens bis in die römische Kaiser zeit zurückzuverfolgen imstande ist. Die Verlagshandlung Asher L Co. in Berlin machte mich damals schonend auf mein sinnloses Handeln aufmerksam, indem sie mir nach Erscheinen meines Auf satzes in diesem Blatt besagtes Buch mit einem liebenswürdigen Schreiben dedizierte. Sie mochte es wohl sozusagen als ein frei williges Pflichtexemplar ansehen und es soll nicht auf unfrucht bares Erdreich gefallen sein; denn in diesem Augenblick, wo sich ein deutscher Bundesstaat wie Sachsen mit der Frage der Wieder einführung des Pflichtexemplarzwanges beschäftigt, wird nur die Sache doch bedenklich. Ich nehme das wohlkonservierte Werk aus dem Regal und schneide es vorsichtig auf, um zu erfahren, welche Gründe denn wohl ein gründlicher deutscher Forscher für das Fortbestehen dieses Brauches von alters her Vorbringen könnte. In Wahrheit kann man aus dem Buche viel lernen. Man liest dort, daß die unglücklichen alten Völker keine Kontrollbehörde zur Überwachung ihrer literarischen Tätigkeit hatten, daß die römi schen Kaiser zu Bücherverboten sich aufgeschwungen haben, und daß das heilige römische Reich deutscher Nation nach und nach zu einer systematischen Fürsorge um das geistige Wohlbefinden der Untertanen kam. Der organische Zusammenhang der Forde rung zum Einliefern des Werkes mit der Zensur ist natürlich unschwer einzusehen, und wir freuen uns, mit Franke zu dem Er gebnis zu gelangen, daß »diese Kontroll- und Entschädigungs exemplare der Zensoren als eine der ersten natürlichen Quellen der Pflichtexemplarlieferungen überhaupt anzusehen« sind. Ich muß die Leser, die sich für die Entwicklungsgeschichte der Pflichtexemplare interessieren, auf das Werk selbst verweisen, das, wie ich aus Stichproben festgestellt habe, für Leute, die über genügend Zeit verfügen, eine ganz interessante und instruktive Lektüre ist. Erwähnen muß ich nur, daß Franke außer der er wähnten Quelle des Pflichtexemplars noch drei andere kennt: näm lich das Privilegien- bezw. Konzessionswesen, das Überwachungs- wesen und das Schutzwesen. Dabei ist zu erläutern, daß die Überwachung wieder als aus der Zensurgesetzgebung und dem Privilegienwesen entspringend dargestellt wird: der Staat »über wachte« das Preßgewerbe und erkannte das literarische Eigentum an. Deshalb mußte er von jedem Druck Kenntnis haben, um die getreuen Untertanen vor Schriften zu bewahren, die ihm nicht gefielen. Das Schutzexemplar endlich bedarf der Staat als authen tisches Beweismittel, wenn ein Nachdrucker sich herausnehmen sollte, das Autorrecht zu ignorieren. Mit anderen Worten: der Staat sagte zu dem Autor: Es ist ein Unrecht, wenn man dir dein Eigentumsrecht an deinem Werke stiehlt; das kann mein fein ent wickeltes Gefühl für das unantastbare Eigentum nicht zugeben; ich werde das verhüten; dafür nehme ich selbst dir aber von deinem Eigentum so viel ab, als es mir beliebt. Diesen trefflichen Stand punkt haben wir in Deutschland zwar aufgegeben, aber es gibt heute noch Staaten, die noch auf ihm stehen, z. B. England, und es gibt noch manche Leute bei uns, die ihn wieder herbei sehnen. So hat z. B. Dziatzko in dem Vorwort zu dem Frankeschen Buche dieses dahin ergänzen zu müssen geglaubt, daß er ausführte, das Pflichtexemplar rechtfertige sich doch auch durch den besonderen Schutz, den das Buch, z. B. gegen Nachdruck, genieße. Auch der Patentnehmer müsse doch für seinen Schutz ein Geldopfer bringen. Ich werde weiter unten auf diese absonderliche Begründung noch zurückkommen. Da nun die Historie im konservativen deutschen Vaterland 'tets eine so bedeutsame Rolle spielte und noch spielt, so möchte ich, da die neuesten Bestrebungen in Sachsen die Veranlassung zu diesen Auslassungen bieten, auf sie hier mit einigen Worten eingehen. Nach Franke war die Abgabe anfänglich in Kursachsen eine freiwillige, und sie wurde im Jahre 1691 sogar für lange Zeit überhaupt beseitigt. Erst am 6. April 1816 kam eine Ver ordnung des Kirchenrats heraus, die dein Zensor ein Recht auf ein Freiexemplar gab, »da es sowohl dein Zweck der Zensur anstalt überhaupt, als dem Verhältnis des Zensors wegen seiner Verantwortlichkeit angemessen sei, daß er von jeder Druckschrift ein Exemplar erhalte«. »Hier wurde also«, sagt Franke, »weniger aus Gründen einer billigen Entschädigung als zu Überwachungs zwecken die Abgabe von Exemplaren an den Zensor wieder ein geführt«. Die Verordnung scheint übrigens lediglich auf dem Papier ihre Wirkung geübt zu haben. Als der Dresdner Ober bibliothekar Beigel einen Antrag auf Ablieferung von Studien exemplaren stellte, der vom Oberkonsistorium unterm 21. Februar 1821 befürwortet wurde, lehnte der König ihn ab! »Auch in der Folgezeit, bis zur Beseitigung der Überwachungsexemplare durch Art. 10 des Preßgesetzes vom 24. März 1870, ist d i e Erhebung von Studienexemplaren in Sachsen niemals Sitte gewesen« (Franke S. 46). Dagegen wurden von privilegierten Büchern Freiexemplare verlangt, und zwar war man hier durchaus nicht blöde, man forderte 18—20 Exemplare! Wie die Beschlüsse des deutschen Bundes ausgeführt wurden, ist bekannt. Die Bundesakte vom 8. Juni 1815 verhieß dem- nächstige Preßfreiheit, aber wenn wir heute einen Wettlauf der Langsamkeit aus der Geschichte zusammenkonstruieren, so ließ der deutsche Bund das später berühmt gewordene Puttkamersche »Sofort« bei weitem hinter sich. Er konnte sich nur noch messen mit der virtuosen Vergeßlichkeit, die der preußische König mit Bezug auf das Versprechen des Zugeständnisses einer Verfassung aufzuweisen hatte. Vier Jahre später stellte ein neuer Bundes beschluß die Prüventivzensur wieder her und erst der Sturmwind von 1848 fegte sie hinweg auf Nimmerwiedersehen. Das Bundes- preßgesetz vom 17. März 1848 sagte in § 1: »Die Zensur wird hiermit aufgehoben. Alle auf dieZensur bezüglichen Bestimmungen, Anordnungen, Einrichtungen und Strafvorschriften treten außer Kraft«. Nun hätte es mit den Pflichtexemplaren gleichfalls vorbei sein sollen und war es auch tatsächlich in Sachsen. (Auf Preußen mit seinen Spitzfindigkeiten will ich hier nicht eingehen.) In der reaktionären Zeit führte aber das sächsische Preßgesetz vom 14. März 1851 das Pflichtexemplar zu »Überwachungszwecken« wieder ein, und zwar zugunsten der königlichen Bibliothek in Dresden oder der Leipziger Universitätsbibliothek. Das Preßgesetz vom 24. März 1870 beschränkt sodann das Überwachungsexemplar auf politische Zeitungen, und so war Sachsen frei von dem unerträglichen Zwange einer Naturalsteuer, die man in der Tat im 20. Jahrhundert nicht mehr für möglich halten sollte. In einer Zeit, wo man Ver suche macht, in Sachsen das Pflichtexemplar wieder einzuführen, t-63'
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