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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1908
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- Erscheinungsdatum
- 16.06.1908
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- Deutsch
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6638 vörlmdlatt f. 0, Dy«». «llch!,°»dkl Nichtamtlicher Teil. ^ 137, 16. Juni 1908. tragung eines anonymen literarischen Werkes in die Leipziger Eintragsrolle in Parallele gestellt werden kann. Es hat sich aber meines Wissens noch niemals ein Buchhändler dagegen gesträubt, für diese Arbeit der Eintragung die festgesetzte Gebühr von 1.50 Mk. zu entrichten! Denn hier liegt eine notwendige, Kosten verur sachende Arbeit vor und diese muß selbstverständlich von den Interessenten bezahlt werden. Man hört schon auf sich zu wundern, daß auch die oft gehörte Behauptung wiederholt wird, wonach die Kosten der Pflicht exemplare nur in der Ausgabe für Papier und Druck bestehen. Schon vor sechs Jahren habe ich den Verlegern den Rat gegeben, sich diese Entdeckung zunutze zu machen. Danach kostet alles, was über die Auflage hergestellt wird, nichts weiter als Papier und Druck. Man drucke also nur eine Auflage von etwa 100 Exem plaren, so kann man 1000 über die Auflage Herstellen, die nur Druck und Papier kosten. Es ist mir nicht bekannt geworden, ob ein Verleger — sie sind manchmal so schwerfällig gegen Neue rungen — die geniale Erfindung praktisch verwertet hat. Dziatzko hatte sich zu dieser Höhe der Auffassung noch nicht durchgerungen; er glaubte noch, daß der Herstellungswert der Pflichtexemplare »doch nur auf etwa ein Drittel oder höchstens die Hälfte des Laden preises zu berechnen« sei. In den Verhandlungen in der Zweiten sächsischen Kammer am 30. Mai d. I., als der Vorschlag der Wieder einführung des Pflichtexemplarzwanges zur Sprache kam, hat der Minister vr. v. R ü g e r in anerkennenswert gemäßigter Form diese Frage behandelt. Er hielt es für »ganz wünschenswert«, wenn Sachsen zurückkehrte »zu der alten Einrichtung der so genannten Pflichtexemplare, die wir, auch nach meinem Dafür halten, ohne zwingende Gründe, aber zu unserm großen Schaden aufgegeben haben«. Man kann nun sa über die Stichhaltigkeit von Gründen manchmal verschiedener Meinung sein, ich glaube aber kaum, daß es zwingendere Gründe gibt für eine Maßregel als die der Gerechtigkeit, welche auch dann maßgebend bleiben muß, wenn finanzielle Folgen sich mit ihr verknüpfen. Das Geld ist denn doch noch nicht der Güter höchstes, wohl aber stellt nach einem alten lateinischen Wort die Grundlage der Reiche die Ge rechtigkeit dar. Eine Institution aber, die von hervorragenden Staatsrechtslehrern (vgl. oben) eine so einmütig vernichtende Beur teilung erfahren hat, wie der Pflichtexemplarzwang, kann unmög lich anders als moralisch verwerflich und dem ersten Grundsatz in einem modernen Staatsleben, der Gerechtigkeit widersprechend gekennzeichnet werden. Herr vr. v. Rüger ist nicht der Ansicht, »daß etwa der Ver lagshandel oder irgend ein anderer Buchhandel« unter dem Pflicht exemplarzwang leiden könnte; »denn wir haben die Einrichtung in den meisten Ländern Deutschlands, ohne daß der Verlagshandel darunter leidet«. Ich muß gestehen, daß mir diese Argumentation nicht einleuchtet, weil sie auch z. B. folgendermaßen angewendet werden könnte. Viele deutsche Städte haben früher die Juden allerlei Beschränkungen unterworfen. Sie mußten z. B. einen viel höheren Steuersatz zahlen als die Christen, hatten dagegen viel weniger Rechte und sie sind doch reich geworden; diese Be handlung war zwar eine Ungerechtigkeit, aber da die Juden offenbar nicht darunter gelitten haben, so können wir unbedenklich zu diesem Steuersystem und diesen Verhältnissen zurückkehren. Ich wüßte nicht, daß ein anderer Grund dagegen spräche, als der der Gleichberechtigung, der Gerechtigkeit! Woher aber will man wissen, daß der Verlagshandel nicht unter dem Pflichtexemplar zwang leidet? Wenn der sächsische Staat sich unfähig erklärt, die Summen aufzubringen, die die Anschaffung der Literatur erfordern würde, so müssen es doch ganz ansehnliche Beträge sein, um die es sich handelt. Diese Summen werden also dem Verlags handel zum großen Teil entzogen und daß dies geschehen kann, ohne daß dieser Handel leidet, scheint mir doch nicht wohl erklär lich. Wer freilich nur dem Bürger das Existenzminimum zubilligen will und alles was darüber ist, als vogelfrei für den Staat be trachtet, der kann freilich auch in die Schröpfung des Verlags buchhandels einwilligen unter der Begründung, daß er davon noch nicht zugrunde geht. Daß die Ansicht Rügers, in den meisten Ländern Deutschlands habe man den Pflichtexemplarzwang, irrig ist, geht schon aus meiner obigen Darlegung hervor. Auch der Minister legt den Hauptwert der Einrichtung der Pflichtexemplare auf die Erlangung der kleinen Literatur. So möge er bei der Einbringung des in Aussicht gestellten Gesetzentwurfs diesen Stand punkt in obigem Sinne zum Ausdruck bringen, unbeschadet von meiner Zuversicht für den gesunden Sinn und die Gerechtigkeits liebe der Abgeordneten, daß der Entwurf auch dann keine Mehrheit finden wird. Der natiopalliberale Abgeordnete Gontard hat bei diesen Verhandlungen gegen die Einführung der Pflichtexemplare gesprochen. So sehr ich in der Sache mit ihm einverstanden bin, kann ich doch die Verteidigung unseres Standpunkts — wenn der Bericht darüber in Nummer 127 dieses Blattes genau ist — nicht für ganz geschickt halten. Er meinte nämlich, daß das Ver langen an den Verleger, Exemplare seines Verlags gratis zu liefern, einfach ein Eingriff in das Privatrecht des einzelnen sei. Das könne der Staat nur dann tun, wenn große Interessen der Allgemeinheit in Frage kämen. Das sei aber nicht der Fall, wenn es sich darum handle, unsere Bibliotheken zu füllen.^ Hier aus könnte man schließen, daß nur der Zweck maßgebend sei für die Billigung einer Enteignung, wie sie der Pflichtexemplarzwang mit sich bringt. Das ist aber durchaus nicht der Fall, abgesehen davon, daß es stets zweifelhaft erscheinen kann, ob dieser Zweck genügend wichtig erscheint oder nicht. Herrn Gontard hat jeden falls bei seinen Ausführungen die Polenenteignung vorgeschwebt, die kürzlich so viel von sich reden gemacht hat. Aber will man denn den Polen ihr Eigentum etwa ohne Entschädigung fort nehmen? Das ist doch niemand eingefallen! Mit keiner von allen gesetzlichen Enteignungen begeht doch der Staat einen Diebstahl, indem er das, was im wesentlichen Interesse der Allgemeinheit gebraucht wird, dem Eigentümer einfach wegnimmt, sondern er muß dafür den vollen realen Wert bezahlen in Mark und Pfennig! Die Tätigkeit der Ansiedelungskommission hat uns jährlich Millionen gekostet und das neue Gesetz wird noch mehr Millionen kosten, weil es heutzutage in einem Rechtsstaat für ganz undenkbar gehalten wird, daß man dem Besitzer sein Eigentum, das die Allgemeinheit braucht, ohne weiteres fort nimmt. Nur einzig den Verlegern gegenüber scheint das öffent liche Gewissen zu schlummern, gibt man den fundamentalsten Grundsatz der Eigentumslehre auf! Wenn also die Füllung der Bibliotheken auch als ein wichtiges und unumgängliches Mittel für die Erhaltung unserer Kultur betrachtet werden müßte, so dürfte doch nie und nimmer dieses Mittel durch einfache Annek tierung, durch Expropriierung ohne Äquivalent erreicht werden! Sehr richtig hat dann der Abgeordnete Langhammer auf die Nachteile hingewiesen, die die Einführung des Pflicht exemplarzwanges für Sachsen mit sich bringe. Zweifellos hat Leipzig die Vormachtstellung im deutschen Buchhandel zum großen Teile der Liberalität zu verdanken, mit der es diesem Handelszweig entgegengekommen ist, als noch Frankfurt a. M. diese Stellung innehatte. Nicht zum geringsten waren auch die Eintreibung der Freiexemplare mit der Grund, daß die Main stadt die Vorteile verlor, die ein Zentrum des Buchhandels für eine Stadt und ein Land mit sich bringt. Kaiser Maximilian II. setzte 1569 eine Bücherkommission ein mit zwei Hauptaufgaben: die Verhinderung der Ausbreitung ketzerischer Schriften und Wah rung der Rechte des Kaisers auf Freiexemplare, die ihm für Privilegierung jedes neuen Buches abzuliefern waren. Kaiser liche Räte kamen nach Frankfurt, um diese Zwecke rücksichtslos zu erreichen. Zehn Jahre später erfuhr die Zensur noch eine Verschärfung und als der Kaiser 1608 eine Kommission zur Schi- kanierung der Buchhändler einsetzte, da waren es gerade die sächsischen Buchhändler, die sich diesen Anordnungen widersetzten.
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