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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1908
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 16.06.1908
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- Deutsch
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sonderliche Idee verfallen könnte, daß er verpflichtet sei, jemand ihm Fremdem von seinem Eigentum etwas zu »schenken«. Ich gehe aber noch weiter und behaupte, daß es zweifellos unter diesen Selbstverlegern Verbrechernaturen genug gibt, die, selbst wenn sie von dieser Verpflichtung unterrichtet sind, unter höchst unehr erbietigen Gedanken, vielleicht sogar Worten über den Staat, den sie aus ihrem Vermögen einzig als Strafe dafür, daß sie gerade unter die Verleger gegangen sind, bereichern sollen, sich von ihrer Verpflichtung drücken und nicht den geringsten Gewissensskrupel dabei empfinden! Man erkundige sich einmal z. B. aus der Ber liner König!. Bibliothek danach, wieviele Sachen sie freiwillig erhält, die sie nicht auf Grund des Hinrichs verlangen kann! Sollte es aber dem Verfasser des Berichtes wiiMch ernst sein mit dem, was er behauptet, so wollen wir ihm gern zugestehen, ein Gesetz zu machen, das die Verleger von solchen kleinen Schriften, sagen wir im Werte bis zu 50 Pfennig, und von Flugblättern, zur Abgabe eines Exemplars an die König!. Bibliothek zu Dresden verpflichtet, damit dem Lande diese unschätzbaren Werte nicht verloren gehen. Was endlich die »Zeitungsnotizen« mit dem Pflichtexemplarzwang zu tun haben sollen, wovon der Be richt spricht, ist mir unerfindlich. Als sonstige Begründung dieser Rückwärtserei, wie Joh. Scherr sagen würde, im Staate Sachsen finde ich in dem Bericht nur den Hinweis, daß »fast alle Kulturstaaten der Welt« sie gesetzlich vorgeschrieben haben. »S el b st die Türkei«, sagt der Ver fasser, »erhebt Pflichtexemplare«; das soll doch wohl heißen, die Türkei, die sonst nicht über die nachahmenswertesten Einrichtungen verfügt, marschiert in diesem Falle an der Spitze der Staaten, die die Errungenschaft der Pflichtexemplare haben. Es scheint also, daß diese Institution als Zeichen von fortgeschrittener Kultur betrachtet werden soll. Demgegenüber darf man jedoch nicht vergessen, daß der Weg, den die Kultur genommen hat, genau der umgekehrte ist: Je höher die Kultur eines Volkes steigt, desto weniger ungerechte Steuern werden von ihm erhoben. Daß zunächst eine N a t u r a l st e u e r auf eine sehr hohe Stufe der Kultur deutet, wird vielleicht auch der Verfasser des Berichtes doch wohl nicht behaupten wollen. Wir sehen aber — die Ge schichte ist doch zu etwas gut — daß, wo diese Naturalsteuer noch besteht, sie ein Überbleibsel einer Jahrhunderte weit hinter uns liegenden entschieden weniger kultivierten Zeit ist und daß die Staaten, die sie seitdem abgeschafft haben, wie z. B. Sachsen und Belgien, in ihrer kulturellen Entwickelung nicht einen Schritt rückwärts, sondern einen sehr großen Schritt vorwärts getan haben! In allen Ländern, die ihre Verleger noch mit dem Pflichtexemplarzwang belästigen, hängt er mit der früheren Ur heberrechtsgesetzgebung zusammen, oder hat wenigstens von der Nachdruck- und Zensurgesetzgebung seinen Ausgang genommen. Es ist aber wirklich kein Zeichen fortgeschrittener Kultur, die An wendung bestehender Gesetze von einer besonderen Bezahlung abhängig zu machen. Die fortgeschrittensten Länder sind also un zweifelhaft diejenigen, die weder für die Anwendung ihrer Gesetze Bezahlung verlangen, noch aus bloßer Willkür einer bestimmten Klasse von Staatsbürgern eine Naturalsteuer auferlegen, und in die entgegengesetzte Gesellschaft paßt allerdings die Türkei recht gut hinein. Ob es für einen Staat aber ein Zeichen hoch ent wickelter Kultur ist, mit dem kranken Mann auf einer Stufe zu rangieren, darüber dürfte es in den weitesten Kreisen doch kaum mehr als eine Meinung geben. Der Verfasser des Berichtes schreibt sodann folgenden Satz: »Wenn dem Staate die Pflicht obliegt, den geistigen und literarischen Schatz der Nation zu behüten und zu bewahren, muß ihm auch das Recht zustehen, die hierzu notwendigen gesetz geberischen Maßregeln zu treffen«. Durchaus meine Ansicht! Die notwendige gesetzgeberische Maßregel ist einfach die Vorschrift, daß die gesamte Literatur eines Landes in mindestens einem Exemplar angekauft wird. Der Verfasser scheint aber einer an deren Logik zu huldigen. Er meint: wenn dem Staat diese Pflicht Börsenblatt sllr den Deutschen Buchhandel. 7K. Jahrgang. obliegt, muß ihm auch das Recht zustehen, die Literatur sichohne Leistung eines Äquivalents von den Besitze rn anzueignen! Diese eigenartige Logik führte, in Reinkultur durchgeführt, zu sonderbaren Zuständen. So z. B.: Wenn der Staat die Pflicht hat, die Literatur aufzubewahren, so hat er auch das Recht, Bibliothekare dazu anzustellen. Zweifellos! Nur würde sich der Verfasser des Berichtes wohl selbst wundern, wenn man nach seinem Rezept folgern wollte, daß dem Staate selbst verständlich diese Bibliothekare nichts kosten dürften, d. h. daß sie kein Gehalt bekämen! Mit der Anwendung solcher Grund sätze könnte man die notwendigen Aufgaben eines Staates in der Tat sehr einfach lösen. Aber das Sonderbare ist, daß die selben Leute, die diese Art von Logik in den letzteren Fällen als Folgerungen eines Narren betrachten würden, sie in dem speziellen Fall der Pflichtexemplare höchst ernsthaft verfechten! Ein alter Satz sagt, daß derjenige, der den Zweck wolle, auch die Mittel wollen müsse. Wer aber von den »Mitteln« nichts wissen will, darf logischerweise auch nicht den Zweck wollen. Es ist selbst verständlich, daß die Mittel moralischer Natur sein müssen, da man sonst keinen Räuber mehr aufknüpfen darf. Höchst bemerkenswert ist, daß die Verfechter der Idee, daß der Staat die sonst so streng gewahrte Heiligkeit des Eigentums nach dem schönen Grundsatz, wonach der Zweck die Mittel heiligt, einem einzelnen Stande gegenüber verletzen dürfe, stets mit den untauglichsten und hundertmal in ihrer Unhaltbarkeit bloßgelegten Argumenten arbeiten. So kann es auch nicht wundernehmen, daß der Berichterstatter sagt: »Wenn von dem Erfinder eine Patent- st e u e r, von dem Zeichner oder Gewerbetreibenden eine Musterschutz st euer abgefordert wird, kann dem Verleger oder Schriftsteller, dem der Staat sein Autorrecht schützt, vom Staate auch mit nicht minderem Rechte diese kleine Abgabe abverlangt werden«. Der erste Erfinder dieses Arguments — ich glaube es war Dziatzko — hat sich damit kein besonders gutes Zeugnis für seine Kenntnisse über Angelegenheiten, über die er urteilt, ausgestellt, aber es immer von neuem wieder Vorbringen, beweist zudem mindestens, daß man auch das, was darüber schon geschrieben worden ist, nicht kennt. Schon 1901 habe ich in einem Artikel dieses Blattes (Nr. 44) des langen und breiten auseinander gesetzt — ich wiederhole hier, was ich Herrn Kochendörffer gegen über schon gesagt habe —, daß die Patentgebühren nicht Be strafungen dafür sind, daß jemand etwas erfunden hat, sondern daß sie einen Kostenersatz darstellen. »Wofür«, fragte ich in dem betreffenden Artikel, »wird diese Gebühr entrichtet? Etwa für den Erlaß des Gesetzes im Jahre 1891? Mit Nichten! Diese Gebühren haben den Zweck, die nicht unbeträchtlichen Kosten des Berliner Patentamtes zu decken! Eine ganze Reihe von rechts kundigen Mitgliedern, die die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst haben müssen, sowie von solchen, die aus technischen Berufen hervorgegangen sind, arbeiten einzig und allein jahraus jahrein für die Patentnehmer. Daß diese nun für die Kosten, die sie allein verursachen, aufkommen müssen, ist nicht mehr als recht und billig. Es liegt eben in der Natur der Sache, daß für die Beurteilung von Erfindungen eine amt liche Stelle vorhanden sein muß. Also nicht das Gesetz wird durch die Patentgebühren bezahlt, sondern es handelt sich lediglich um einen durchaus gerechtfertigten Ersatz von Kosten, die durch die Patentnehmer notwendigerweise entstehen!« Ich bin der Meinung, diese Klarlegung der Verhältnisse wäre nicht gar so schwer zu verstehen; aber das hinderte Herrn Kochen dörffer ebensowenig, sie gänzlich zu ignorieren und die damit als unhaltbar nachgewiesene Parallele des Pflichtexemplarzwanges mit den Patentgebühren nach wie vor aufzuführen, als es den Verfasser des Berichtes gehindert hat, diesen alten Ladenhüter wieder aufmarschieren zu lassen. Eine Unrichtigkeit wird aber nicht dadurch zur Wahrheit, daß man sie beständig wiederholt. Dasselbe gilt von der Musterschutzgesetzgebung; auch diese setzt notwendigerweise eine Eintragung voraus, die nur mit der Ein- 664
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