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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1908
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 16.06.1908
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- Deutsch
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6636 «orsmdlatt s. 0. »tlchn. vuchh-nd-l. Nichtamtlicher Lei^. 137, 16. Juni 1SÜ8. liest nian mit Nutzen die Ausführungen des Geh. Hofrats Albrecht aus Leipzig in seinem Deputationsbericht von 1870, den er der sächsischen Ersten Kammer erstattete. »Auch die Unter zeichnete Deputation«, heißt es darin, »ist der Ansicht, daß die B e r e i ch e r u n g der öffentlichen Bibliotheken durch die Pflicht exemplare aufgegeben werden muß. Ließ sie sich auch früher zur Zeit der Zensur als eine Gebühr für das Imprimatur annehmen und aus diesem Gesichtspunkte einigermaßen erklären, so erscheint sie doch jetzt als eine Abgabe, die jedes Rechtsgrundes entbehrt, und die- semMangel gegenüber kann der dadurch er zielte Gewinn für die Bibliotheksfonds nicht in Betracht kommen.« Auf demselben Standpunkt stehen heute von den 32 Terri torien, in die das einige deutsche Reich zerfällt, IS, während nur 13 eine Ansicht vertreten, die allerdings durch ihr Alter ge heiligt ist — sie wurde schon zur Zeit Rudolfs von Habsburgs von den Raubrittern geteilt — nämlich daß Gewalt vor Recht geht. Stellt doch der hervorragende Staatsrechtslehrer Alb. Friedr. Berner in seinem Lehrbuch des deutschen Preßrechtes die Auflage der Pflichtexemplare auf dieselbe Stufe wie die Ver pflichtung der ehemaligen Kammerknechte zur Lieferung des Pergaments für die kaiserliche Kanzlei und nennt doch der bedeutende Rechtslehrer Franz v. Liszt in seinem Reichs- preßrecht den Pflichtexemplarzwang eine »irrationelle und der Staatsgewalt unwürdige Einrichtung«! Der Versuch zur Wiedereinführung dieser unwürdigen Ein richtung in Sachsen ist aber kein Novum. Schon 1879 hat, wie ich aus Frankes Buch entnahm, ein Herr Otto Richter, Ratsarchivar in Dresden, seine Stimme dafür erhoben in einer Broschüre »Notstand bei den Sächsischen Bibliotheken«. Ich kenne dieses Opus, das auch jetzt wieder angezogen worden issi^nur aus einem Zitat, das der Oberbibliothekar an der Kgl. und Universitätsbibliothek zu Königsberg, vr. Phil. Karl Kochendörffer, in seiner Broschüre »Buchhandel und Pflichtexemplar« bringt, dem entgegenzutreten ich vor sieben Jahren schon die Ehre und das Vergnügen hatte. Also dieser Herr Richter sieht in dem Pflichtexemplarzwang etwas ganz an deres als die simplen Juristen Liszt und Berner; nach jenem handelt es sich dabei ganz einfach um eine nackte Gegenleistung für eine Wohltat des Staates! Man höre: »Wenn man mit Recht verlangen kann,« sagt der Herr Ratsarchivar, »daß der gesetz liche Schutz dem Buchhandel unentgeltlich gewährt werde, so ist doch nicht unbillig, wenn der Staat für die Benutzung seiner Bibliotheken, ebenso wie für die seiner Schul einrichtungen und sonstigen Bildungsanstalten ein geringes Ent gelt fordert. Wenige Bücher werden geschrieben, ohne daß der Verfasser dabei eine öffentliche Bibliothek hätte in Anspruch nehmen müssen, ja fast alle wissenschaftlichen Werke können geradezu als Früchte aus dem Garten öffentlicher Bibliotheken und Archive bezeichnet werden (Leider riechen so viele nach der Studier lampe!) Man sollte meinen, daß deshalb Schriftsteller wie Verleger (sie!) es als eine Pflicht der Dankbarkeit betrachten müßten, auch ihrerseits neue Samenkörner in diesen Garten niederzulegen.« Wär' der Gedank' nicht so verwünscht gescheit... Die Paral lele mit den Schuleinrichtungen und sonstigen Bildungsanstalten ist ja recht einleuchtend. Die Lehrer und die Bibliothekare ziehen zweifellos einen erheblichen Nutzen aus der Dummheit der Men schen. Denn kämen sie gleich schon gescheit zur Welt, daß sie weder Schulen noch Bibliotheken gebrauchten, so gäbe es keinen Bedarf für ihre segensreiche Tätigkeit. Man kann also nach der Logik des Herrn Richter mit Fug und Recht verlangen, daß sie sich dankbar beweisen dadurch, daß sie zu den Kosten dieser Ein richtungen, die ihnen Brot bringen, einen Beitrag liefern, geradeso wie die Verleger dafür, daß sie aus ihrer Verlegertätigkeit Nutzen zu ziehen suchen, zu den Kosten derjenigen Einrichtungen bei steuern sollen, die angeblich eine Voraussetzung dieser Tätigkeit bilden. Das so sehr einleuchtende und einfache, auf der sittlichen Pflicht der Dankbarkeit errichtete System könnte mit leichter Mühe zu ungeahnter Schönheit und Vollständigkeit ausgearbeitet werden; ich werde mich demnächst zu diesem Zwecke mit einem Volks wirtschaftler in Verbindung setzen. Doch sehen wir einmal von solchen Scherzen ab und betrachten wir lieber die Beweggründe, die in Sachsen neuerdings die dort schon so lange erledigte Frage der Pflichtexemplare wieder auf geworfen haben. Wie in Nummer 126 dieses Blattes mitgeteilt worden ist, hat die Finanzdeputation ^ der zweiten sächsischen Kammer in ihrem Bericht über die zum königlichen Hausfidei- kommiß gehörigen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft einen Bericht erstattet, in dem der relative Rückgang des Bestandes der Königl. Bibliothek beklagt wird. Diese Erscheinung wird in erster Linie auf einen »verhängnisvollen Akt der Gesetzgebung in Sachsen« zurückgeführt. Gemeint ist die Abschaffung der Pflichtexemplare bei der oben angeführten Gelegenheit. Der Deputationsbericht sagt, die damaligen Gegner der Studienexemplare hätten »unter dem Einfluß vermeintlicher buchhändlerischer Interessen« gestanden, als sie die Pflichtexemplare zu Falle brachten. Ich bin der An sicht, daß es durchaus nicht nötig ist, die Vertretung irgendwelcher Interessen dabei im Auge zu haben, wenn man sich gegen eine Abgabe erklärt, die nach dem Deputationsbericht von 1870 »jedes Rechtsgrundes entbehrt« und die von juristischen Autoritäten ersten Ranges als »eine der Staatsgewalt unwürdige Einrichtung« gekennzeichnet worden ist! Der neue Deputationsbericht stellt es so dar, als ob bei der vorgeschlagenen Wiedereinführung des Pflichtexemplarzwauges weniger finanzielle Beweggründe ausschlaggebend ge wesen seien als solche literarischer Natur. Es heißt darin, der Notstand der Königl. Bibliothek könne zwar durch Aufwen dungen wesentlich größerer Mittel etwas gemildert, nie aber wirklich behoben werden. »Denn damit ließen sich wohl die in den Buchhändlerkatalogen verzeichneten Bücher beschaffen, nicht aber einer fernen Zukunft alle jene kleinen Schriften sichern, die vielfach im Selbstverlag, oft aber gar nicht im Buchhandel erscheinen, und die meist achtlos wieder verschwinden, während sie doch frühe Anregungen zu wichtigen Erfindungen, erste Ge danken von bedeutungsvollen Entwickelungen bieten können, nicht alle jene Flugblätter, die für die richtige Beurteilung politisch bewegter Zeit unentbehrlich sind, nicht alle jene unscheinbaren Zeitungsnotizen, die für die Lokalgeschichte eines Landes von unschätzbarem Werte sind.« Entweder hält es der Verfasser des Berichtes, was den Zweck der Sprache anbetrifft, mit Talleyrand, oder aber er verfügt über eine sehr geringe Kenntnis der wirklichen Verhältnisse. Wenn es wirklich nur darauf ankäme, kleine Schriften des Selbstverlags oder Flugblätter zu erhalten, so müßte zunächst einmal diese Art der Erlangung jener Kleinigkeiten auf d e m Wege, daß dem ganzen Verlagsbuchhandel der Pflichtexemplarzwang aufgebürdet wird, als ein Schießen mit Kanonen nach Spatzen bezeichnet werden. Wenn der Verfasser aber glaubt, die Selbstverleger be eilten sich, der Königl. Bibliothek ihre Werke, die sie noch nicht einmal in den Hinrichsschen Katalog aufnehmen lassen und die deshalb der Königl. Bibliothek unbekannt bleiben, nun beim Be stehen des Pflichtexemplarzwanges schleunigst zuzuschicken, so kann man einen solchen Optimismus nur mit einem Schütteln des Kopfes begleiten. Man frage einmal in unserem geliebten preußi schen Staate die Selbstverleger, wie viele von ihnen etwas von ihrer Pflicht wissen, zwei preußische Bibliotheken mit Exemplaren ihrer schätzbaren Geisteswerke zu beglücken! Die allermeisten leben in dem schönen Wahn, daß kein Mensch berechtigt sei, ihnen etwas von dem, dessen Herstellung sie selbst mit schwerem Gelds bezahlt haben, mit Gewalt abzunehmen, und man wird zugeben, daß niemand, etwa von der Stimme des Gewissens dazu getrieben oder aus moralischen Erwägungen heraus, von selbst auf die ab-
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