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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.05.1905
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 18.05.1905
- Sprache
- Deutsch
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4722 Nichtamtlicher Teil. ^ 114, 18. Mai 1905. (Statthagen) Herrn Abgeordneten Roeren dahin aufgeklärt haben, daß gar nicht die Rede davon ist auf jener Seite, wegen des rein Geschlechtlichen vorzugehen, sondern daß das Wesentliche ist, die Ansicht andrer zu unterdrücken. Ihre Ansicht, be sonders wenn sie gegeißelt, kritisiert wird, steht Ihnen so hoch, daß Sie deswegen jeden Angreifer Ihrer Ansicht, wie es hier im Harburger Blatt heißt, mit -lebenslänglicher Zuchthauszüchtigung- strafen möchten. Nein, es ist auch kein Zufall, daß es gerade die Witzblätter sind, welche das Entsetzen jener Herren erregen. Der Witz ist eine besondere Form des menschlichen Geistes, die sich nicht aus der Welt schaffen läßt, durch welche ganz zweifellos, besonders wenn es karikierender Witz ist, viel schärfer wirklich vorhandene Schäden gegeißelt werden als sonst. Wer gegen Witz und Karikatur zu Felde geht, der zeigt, daß die Fehler, welche durch Karikatur und Witz getroffen werden sollen, vorhanden sind, daß er aber nicht wünscht, daß sie aufgedeckt werden, der zeigt seine Furcht vor dem Witz — (Zurufe.) Vizepräsident vr. Graf zu Stolberg - Wernigerode: Meine Herren, ich bitte, den Herrn Redner nicht zu unter brechen! Dtadthagen, Abgeordneter: — daß er nicht versteht, diejenigen Laster, über welche sich die Satire und der Witz ausläßt, aus der Welt zu schaffen, sondern daß er sie ledig lich verhüllt haben will. Also ich möchte Sie dringend bitten, der Petition ent gegenzutreten. Denn wenn wir für diese Petition eintreten, so würden wir eintreten für etwas, was im letzten Grunde Heuchler, Oberheuchler (Heiterkeit) fordern und verlangen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Vizepräsident vr. Graf zu Stolberg - Wernigerode: Der Herr Abgeordnete Heine hat das Wort: Heine, Abgeordneter: Nur ein paar Worte der Ent gegnung an den Herrn Abgeordneten Roeren! Dieser meinte, wir wären beide wohl einig, daß man im jungen Menschen Keuschheitsgefiihle erregen solle, bloß wüßte er nicht, wie ich das bei meinem Standpunkt machen wollte. Ganz einig sind wir darin nicht; denn ich glaube doch: das mit den be- sondern Keuschheitsempfindungen stimmt nicht. Es gilt davon, was der Dichter so schön sagt: Das Gute, dieser Satz steht fest, Ist stets das Böse, das man läßt. Und die Keuschheit ist die Abwesenheit der Unkeuschheit, der unkeuschen Empfindungen. Sie braucht meines Erachtens nicht besonders anerzogen zu werden, sie soll bloß erhalten werden. Nun ist das Geschlechtliche etwas Natürliches und durchaus noch nichts Unkeusches, die Kenntnis vom Ge schlechtlichen keine unkcusche Kenntnis. Aber — und darin stimme ich vollständig dem Herrn Kollegen Roeren bei — wenn Menschen einen widernatürlichen Reiz in der geschlecht lichen Literatur, im Anschauen von Nuditäten empfinden, so ist das unkeusch; aber die Unkeuschheit liegt meistens an den Menschen (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), sehr oft gar nicht in den Bildern und Schriften. Selbst heilige Schriften, wissen Sie, werden von unkeuschen Menschen in unkcuscher Weise mißbraucht; und ebenso manches ernste Kunstwerk. Es gilt also, die Seelen zu bewahren, daß sie nicht auf diesen Weg kommen. Das kann aber nicht dadurch geschehen, daß man sie vollständig vom Geschlechtlichen fern hält. Deswegen wende ich mich mit solchem Eifer gegen diese Klapperstorchphilosophie (Heiterkeit) und gegen alle diese kleinlichen Kindereien. Auf diese Art erhält man den Menschen die Keuschheit nicht, sondern, in dem man sie das Geschlechtliche überhaupt nicht als etwas so überaus Besondres und Wichtiges ansehen lehrt. Wenn die Kinder immer gleich hören: »geschlechtlich ist tabu», so wollen sie alle hinter den Vorhang gucken, wo das Ge heimnis liegt. Wenn man ihnen sagt, geschlechtlich ist un sittlich, so wissen sie, daß sie auf diesem unsittlichen Wege gekommen sind, und so wollen ste's erst recht mal probieren. (Heiterkeit.) Das ist eine ganz verkehrte Methode, die Jugend zu be wahren. Ich wiederhole, es gibt nur ein Mittel gegen diese Gefahr: daß man die Jugend frühzeitig sittlich stärkt, daß man ihr Interesse auf andre Dinge richtet, daß man den Kindern freie Seelen schafft, die vor nichts Natürlichem zurück schrecken, aber von selber vor dem Schmutz zurllckschaudern. Darum lege ich auch so viel Wert auf die Dinge, die ich vorhin von der Beichte vorgebracht habe. Ich gebe ohne weiteres zu, daß ich kein Sachverständiger bin, und mir ist das Ungeheure passiert, daß ich, meiner Quelle folgend, diesen Zettel, der ein Zettel war und zum Zwecke der Beichte ge geben war, einen »Beichtzettel- genannt habe, während er, wie ich höre, ein »Beichtspiegel- genannt werden mußte. Also korrigiere ich mich hiermit feierlich, aber ich habe mich im übrigen nicht deshalb zu entschuldigen; denn ich glaube nicht, daß dieser mißverstandene Ausdruck an der Sache irgendwie das geringste ändert. Es war ein hektographierter Zettel, der den Schülern in der Schule gegeben war und die vorhin von mir gestellten Fragen enthielt, uowbeno die Fragen für die Schüler, die zur ersten Kommunion gingen, die also vermutlich 12, höchstens 13 Jahre, vielleicht erst 11 Jahre alt sind. Und auf diesem Zettel wird gefragt: wie oft habe der Betreffende Unkeusches gedacht, gern ge sehen, Unkcusches gesprochen, Unkeusches gesungen, Unkeusches getan, allein oder mit andern? — Beachten Sie diesen Hinweis! —> Ja, meine Herren, Sie sagen: das ist richtig; aber ich glaube, daß alle andern Leute außer Ihnen sagen werden: das ist falsch. Ich weiß auch, daß sehr streng gläubige Katholiken Ärgernis nehmen werden an dieser Praxis. (Oho! in der Mitte.) Jedenfalls ist das ein Verfahren, das geeignet ist, die Un keuschheit, die lüsternen Empfindungen in Kindern zu er wecken. Das ist das gerade Gegenteil von dem, was wir für das richtige Mittel gegen das Gift halten. Ich will endlich noch gegen die juristischen Ein wendungen des Herrn Kollegen Roeren etwas sagen. Herr Kollege Roeren spricht von einem Mißverständnis; diese Petition wolle keine Erweiterung des S 184 des Straf gesetzbuchs. Nun, was will sie denn? Herr Kollege Roeren hat selber gesagt, daß dieser Z 184 unzulänglich sei, denn er fei seit 30 Jahren nicht umgeändert. Das heißt doch, jetzt müsse er nmgeändert und erweitert werden. Herr Kollege Roeren sagt, die Regierung solle nur er wägen, was geschehen solle. Meine Herren, wir sind daran gewöhnt: wenn unsere Regierungen so etwas »erwägen-, dann kommt nichts Gutes dabei heraus! (Sehr richtig! und Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Vizepräsident vr. Graf zu Stolberg-Wcrnigerode: Der Herr Abgeordnete Lenzmann hat das Wort. Lcnzmanu, Abgeordneter: Meine Herren, es ist gewiß ganz erfreulich, daß der Präses der Berliner Kreissynode, ein orthodoxer evangelischer Geistlicher, mit den Führern des
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