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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.05.1905
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 18.05.1905
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- Deutsch
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4720 Nichtamtlicher Teil.. .äf 114, 18. Mai 1905. (Roeren) — Da sehe ich schon, daß der Herr Kollege Heine absolut keine Ahnung von allen diesen Sachen hat. Ein Beicht zettel ist etwas ganz andres als ein Beichtspiegel; unter Beichtspiegel versteht man die in Erbauungs- oder Gebet büchern gedruckten Anweisungen zur Gcwissenserforschung für die Beichtkinder und namentlich für diejenigen derselben, die zum erstenmal zur Beichte gehen. Da werden ihnen Anleitungen gegeben, wie sie ihr Gewissen zu erforschen haben, und Fragen aufgestellt, die sie so oder in ähnlicher Weise au sich stellen mögen. Das ist der Beichtspiegel, und nun weiß ich nicht, ob die einzelnen Fragen, die Sie vor gelesen haben, gar so unpraktisch sind. Wie wollen Sie denn zweckmäßiger ein zwölf- oder dreizehnjähriges Kind, das zur Beichte geht, darauf aufmerksam machen, wie es sich in bezug auf das sechste Gebot zu erforschen hat. und worüber es sich der Sünde anklagen muß? (Zuruf von den Sozialdemokraten) Dann hat der Herr Kollege Heine auch gemeint, dem Kinde müsse die natürliche Keuschheit eingeimpft werden Ja. Herr Kollege Heine, wie soll das geschehen? Wenn das Sittlichkeitsgefllhl bei unfern Kindern schon in den Volks schulen durch die schmutzige Literatur und die schmutzigen Bilder, mit denen auch unsre Volksschulen überschüttet werden, ertötet wird, wie wollen Sic denn gleichzeitig das natürliche Keuschheitsgefühl einimpfen? Das geht nicht; erst muß der Schmutz beseitigt werden, ehe der Boden der Pflanze des Keuschheitsgefühls bebaut werden kann! Ist der Schmutz beseitigt, dann mag man anfangen, das natürliche Keusch- heitsgefiihl im Kinde auszubilden. Ich will hiermit schließen und nur nochmals bitten, die Petition einstimmig anzunehmen. (Bravo! in der Mitte) Vizepräsident vr. Graf zu Stollberg-Wernigerode; Der Herr Abgeordnete Stadthagen hat das Wort. Stadthageil, Abgeordneter; Ich hatte nicht dis Ab sicht. heute zu sprechen; ich bin provoziert worden durch einige Äußerungen des Herrn Abgeordneten Lattmnnn. Bevor ich auf sie eingehe, will ich mit zwei Worten auf die Äußerungen des Herrn Abgeordneten Roeren eingehen. Wenn es richtig wäre, daß in der Tat in der Petition nur verlangt werde, auf Mittel und Wegs zu denken, wie man ein sittlicheres Gefühl bei der Jugend, insbesondere bei derjenigen Jugend, die in reiferm Alter ist. Hervorrufen könnte, dann ließe sich die Art der Begründung, die er ge geben hat. wohl hören. Die Petition will etwas andres; und wenn man überhaupt noch im Zweifel war. daß ein großer Teil der Herren, die nachher für die Petition stimmen werden, etwas andres haben wollten, so waren es die Aus führungen des Herrn Abgeordneten Lattmann. die das klar- gestellt haben. Die Petition will »bei dem Königlichen Staatsministerium und beim Reichstag eine erneute Prüfung der einschlägigen strafgesetzlichen Bestimmungen dahingehend in Anregung bringen, daß den Verwaltungs- und Gerichts behörden schärfere gesetzliche Handhaben zur Unterdrückung schlechter Literatur- und Kunsterzeugnisse (wir verweisen be sonders auf Witzblätter und dergleichen) gegeben werden». Herr Kollege Roeren. das. was Sie auch schon früher hier von der Tribüne herab vertreten haben, liegt auf einem ganz andern Standpunkt. Der Standpunkt, der hier in der Petition eingenommen ist, geht dahin, daß man alles das jenige unterdrücken solle, was nach Ansicht derjenigen, die ein Stück Heuchelei treiben, vielleicht anstößig sein könnte, was insbesondere ihre politischen und ihre sonstigen unsitt lichen Bestrebungen ins rechte Licht zu setzen geeignet wäre. Daher kommt es. daß besonders hingewiesen wird auf die schlechte Literatur, auf die Witzblätter nicht in dem Sinne, wie Sie von der »Jugend» und dergleichen sprechen Kein Gedanke in der ganzen Petition davon! Auch dagegen würde ich eventuell sein. Daher kommt es. daß in der Petition an das Strafrecht gedacht wird; daher kommt es, daß man dort an die Klassenjustiz und Klassenverwaltung denkt und sagt; die soll unterdrücken, durch sie will man geschützt werden. Man will nicht eine Kritik der Heuchelei, des bodenlosen Gemeinen haben, sondern diejenigen, die gegen das bodenlos Gemeine, gegen die Heuchelei auftreten. unterdrückt und bestraft wissen. Das gibt die Petition ganz klar zu erkennen. Meine Herren, ich meine, es kommt noch hinzu, daß als Weg verlangt wird ein Weg. der absolut ungangbar ist, der strafrechtliche Weg. Durch den Weg, der leider durch die bestehende Isx Heinze gegeben ist, haben wir bereits ein Schnüffeln, eine Art und Weise des Vorgehens gegen die besten Werke der Literatur, wie ich sie überhaupt nicht für möglich gehalten habe. Es ist mir dieser Tage mitgeteilt worden, daß auf ein hochwifsenschaftliches Werk — ich will es hier nicht nennen —. ein Werk, das von Künstlern der verschiedensten politischen und religiösen Rich tungen als ein tonangebendes, hervorragendes Werk be zeichnet worden ist. gefahndet wurde, bevor es überhaupt noch erschienen war, weil der betreffende, hervorragende Verleger, um es eben nicht in die Hände der Jugendlichen kommen zu lassen, sich nur an die Erwachsenen wendete und ausdrücklich mitgeteilt hatte, daß nichts in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen soll. Da hat der Staatsanwalt Jagd gemacht und, bevor er überhaupt das Ding gesehen hat, angenommen; das muß unsittlich sein. Der Amtsrichter hat die Beschlagnahme abgelehnt. Es haben sich aber drei Richter gefunden, die die Beschlagnahme vorläufig beschlossen, und ähnliche Richter werden sich all mählich in immer größerer Zahl finden. Nein, was die Petition kennzeichnet, das ist der Zug gegen Wahrheit, der Zug gegen Kritik. Daher die Äuße rung gegen die Witzblätter. Der Herr Abgeordnete Latt mann hat in der ihm eignen Tiefe der Selbstschätzung be hauptet; »Wenn Sie jetzt nicht meiner Ansicht sind, dann gehören Sie überhaupt nicht hierher». Er meinte, wenn inan nicht der Ansicht wäre, daß man das. was er als unsittlich oortragen würde, als unsittlich erachtete — nein, meine Herren, ich erachte das was er vorgetragen hat, nicht als unsittlich. (Zurufe in der Mitte.) — Sie meinen; Schwein? Gewiß, dem Schwein ist alles Schwein, dem Reinen ist alles rein! (Heiterkeit.) Es mag das Angeführte derb, grob, schmutzig sein, alles mögliche; wollen Sie aber behaupten, daß ein derartiges Ding irgendwie der Sittlichkeit gegenüber, der Jugend gegenüber gefährlich sein kann? Nein, es bewegt sich in derben, meinetwegen in groben Ausdrücken — das ist mir gleichgültig, wie man den Ton bezeichnen will; die grobe Ausdrucksweise vermag doch das Recht nicht zu nehmen, in berechtigter oder nichtberechtigter Kritik gegen Erscheinungen vorzugehen, die nach Ansicht des betreffenden Artikelschreibcrs vorhanden sind. Sind sie in der Tat nicht vorhanden, dann braucht man demgegenüber doch insbesondere dann kein Strafgesetz, wenn der Ausdruck die Wirkung vielleicht schwächt. (Zurufe in der Mitte.) — Ach, meine Herren, vor mir liegt — ich habe heute nicht sprechen wollen — gerade ein Ausschnitt, der noch in ganz anderm Ton, freilich über ein andres spricht, ein Aus schnitt aus einer Zeitung der bürgerlichen Presse, aus einem Harburgcr Blatt. Dort wurde ein Flugblatt verbreitet, ein Flugblatt, das ein Prediger Pflüger geschrieben hatte. Der
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