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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.03.1927
- Strukturtyp
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- 1927-03-31
- Erscheinungsdatum
- 31.03.1927
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- Deutsch
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X- 76, 3l. März 1927. Redaktioneller Teil. geschaffen werden? Das ist, als ob dem Volk nach Einführung des metrischen Systems Zollstäbe in die Hand gedrückt worden wären. Diese gar nicht von kulturellen Absichten, sondern lediglich von kaufmännischen Interessen diktiert« Neubelebung des halb oder ganz Toten ist nichts weiter als eines der zahlreichen Merk male von Unfruchtbarkeit und Ideenlosigkeit. Sie steht in der gleichen Linie wie unsere bis aufs feinste ausgebildete Museums kultur, wie die Pseudorenaissance der 80er Jahre, wie die Nach ahmung des Bauernhauses im Villenbau; sie riecht nach Firnis und ein bißchen nach Moder. Alles keine eigene, sondern Kultur aus zweiter Hand. Sie steht ferner in der gleichen Linie mit dem vollkommen irrsinnigen Betrieb 'der bOstcn, kosten, 70stcn Ge burtstage, der hundertsten bis OOOsten Todestage; o Glück aller ideenlosen Konjunkturlinge, daß das herrliche Dezimalsystem er funden ist, das uns erlaubt, so genau wie die Wiederkehr eines Kometen alle Gedenktage der nächsten 50 Jahre vorauszuberech nen und je nach Bedarf die Grammophonplatte Pestalozzi, Beet hoven oder Spinoza ablausen zu lassen! Durch diese Wirtschafts tatsachen, die den Tatsachen des wirklichen geistigen Lebensablaufs sich widersinnig und gewaltsam cntgegcnstellen, die die natürliche Entwicklung verbiegen und umsälschcn, hat ja gerade unsere Epoche ihren so vollkommen sinnlosen und verlogenen Charakter erhalten. Es ist unserer Zeit Vorbehalten geblieben, die Eigentümlichkeit des »schleppfüßig dahinwandelndcn Hornviehs«, nämlich das Wiederkauen, ins Geistige zu verpflanzen, und wir wären keine Deutschen, würden wir dieser Tätigkeit nicht noch einen phrascn- strahlenden Heiligenschein umlegen. Eben durch die Nachdrucks- sabrikation hinkt der Geist der Zeit stets hinter dem Leben her. Der schon immer vorhandenen geistigen Trägheit der Massen wer den noch künstliche Bleillötze angehängt. Der Kreis derer, die dem modernen Geist offenstehen, wird künstlich verengt; zwischen den Schaffenden und den Nehmenden wird eine Kluft aus-gerissen. Die seelische Rückwirkung auf die Schaffenden ist klar: sie geraten ganz von selbst in eine verneinende, in eine Abwehrstellung gegen ihre Zeit, weil sie von ihr nicht getragen werden. Vieles von der Blutleer« und den Krampszuständen unserer heutigen Literatur ist darauf zurückzuführen, daß der natürliche Zusammenhang mit dem Nährboden der Volksseele, die durch das ewige Abdrehen der Walz« »Vergangenheit» künstlich zurückgcschraubt wird, vcrloren- gegangen ist. Diese Erscheinung zeigt sich ebenso in den bildenden Künsten wie in der Musik und der Literatur. Das freie Wachs tum, die stets im Feuer sich vollziehende Wandlung und Neu geburt des Geistes wird durch eine gewaltsame Aufwertung ab gelebter Geistesepochen zurückgedämmt. Wie ein Alpdruck lastet diese Nachdrucksfabrikation auf den jungen, lebendigen Kräften der Nation. Es ist ja so viel bequemer für Verleger, Sortimenter und Publikum, 'das bewährt«, wohl- etikettiertc Alte zu kaufen. Jeder Wille, sich mit den neuen, ringenden Kräften unserer Zeit auseinanderzusetzen, wird durch die Denkfaulheit ertöte?, die durch die Dublcttenfabrikation »am laufenden Band» erzeugt wird. In der Musik ist es nicht anders. Hat jemals eine Epoche geringere Fühlung mit der lebenden Kom position gehabt als die unsrige? Warum? Weil die Klassiker, jene breit ausgewalzte Straße, sich über das Junge legen wie ein Sargdeckel. Schubert war noch zu seinen Lebzeiten populär, schon Brahms mußte dazu zehn Jahre tot sein, und Reger, vollends gar Hindemith werden es wahrscheinlich noch dreißig Jahre nach ihrem Tod« nicht so weit gebracht haben. Es kommt also darauf an, im Namen des lebenden Geistes gegen den Merkantilismus zu Feld zu ziehen und die Zahl der Objekte jenes Wiederkausystems nach Möglichkeit zu verringern. Hierzu ist die fünfzigjährige Schutzfrist das richtige Mittel. Ver längert man die dreißigjährige Schutzfrist um zwanzig Jahre, jene Hauptursache der Überproduktion, so ist dem Buchhandel und gleichzeitig dem Geiste geholfen. Man komme mir nicht mit der bequemen Behauptung, das wahre Genie setze sich immer durch; das ist so das richtige Ruhepolster für einen untüchtigen Verleger. Und wenn dem so wäre: am Himmel unsres geistigen Lebens brauchen wir die Sterne des Talents ebenso wie die einzige Sonne des Genies; die Kultur eines Volkes ist ja nicht nach der großen Münze einer einzigen Spitzenleistung, sondern deren Ausmünzung, nach ihrem Durchschnittsniveau zu bemessen. Wir Verleger haben di« Aufgabe, die schöpferischen Kräfte nicht nur zu unterstützen, sondern auch sie zu entbinden, und dazu gehört, daß wir ihnen die besten Existenzmöglichkeiten verschaffen und ihnen die Hinder nisse aus dem Wege räumen. Ich sehe in der Zukunft eine Kultur vor mir, die weniger aus der Konservenbüchse lebt, die weniger historisierend und rück schauend, die weniger »als ob« ist, dafür aber befreit von der ge schäftstüchtigen Ausnützung des deutschen Hanges zur Romantik, wahrhaft schöpferisch und ein flammendes Bekenntnis zu dem lebenden Geist, zu der unter uns geschehenden Schöp fung. Laßt uns diese Kultur mit heraufsühren und befreien, statt sie einzumauern! Mein Umfall? Von Fritz Th. Cohn. Obgleich meiner Ansicht nach der Worte nun genug gewechselt sind und ich, wie es, nach Herrn ivr. Kirsteins Ansicht, viele Autoren getan haben, »meine Meinung in der Tasche ballen könnte«, muß ich ihm doch aus seine Ausführungen in Nr. 70 des Bbl. erwidern, da er — sogar gesperrt gedruckt — die Änderung meiner Ansicht aus die Einwirkung eines Hypnotiseurs zurückführt. Verehrter Herr Doktor, ich bin kein Medium und keiner Hypnose zugänglich, weder der Teufel Draku noch irgendein Engel können mich be einflussen. Ich habe auch meine Ansicht gar nicht geändert; ich bin nach wie vor der Meinung, daß das Urheberrecht, wie es augenblicklich besteht, mit einer 30jährigen Schutzfrist am aller besten urigeändert bleibt. Eine Änderung halte ich vom übel. Darum bin ich auch sür die Beibehaltung der bisherigen Schutz frist mit allen dafür sprechenden Gründen eingetreten. Nachdem ich mich aber habe überzeugen müssen, daß das Urheberrecht doch geändert, daß in irgendeiner Weise den Wünschen der zahlreichen Autorenverbände Rechnung getragen wird, sei es nun, daß ledig lich die Aufführungsrechte um 20 Jahre verlängert werden, sei es, daß den Erben ein 20 Jahre länger währendes Nutznießungs- recht zugebilligt wird, sei es, daß den Erben die ausschließliche Bestimmung über dieses Recht überlassen oder daß es ein Freirecht wird, für das die Erben ein« Lizenz zu beanspruchen haben, sei es, daß in irgendeiner andern Weise der internationalen Forde rung, das Schutzrecht an Werken der Literatur und bildenden Kunst auf 50 Jahre sestzusetzen, Rechnung getragen wird seit dem ich also die Überzeugung gewonnen habe, daß die Propaganda für ein Unangctastetlasscn des Urheberrechts verlorene Liebesmüh ist, erst seitdem trete ich dafür ein, die Verlängerung des Schutz rechtes nicht als ein Benefiz sür die Urheber festsetzen zu lassen, sondern in diesem Falle das Verlegermonopol der verlängerten Urheberschutzfrist anzupassen. Ich habe die Überzeugung, daß dies im Interesse des gesamten Buchhandels und auch im Inter esse des deutschen Volkes liegt. Wenn ich auch Herrn vr. Kirstein ohne weiteres zugebe, daß die Verstopfung des Büchermarktes durch die Überschwemmung freiwerdcndcr Standardwerke nicht die einzige und vielleicht nicht einmal die ausschlaggebende Ursache für die Krisis im schönwissen schaftlichen Verlag ist, so kann ich ihm doch nicht darin folgen, wenn er die Tatsache, daß auch viele ungeschützte Werke zu kata strophalen Schleuderpreisen auf den Markt geworfen werden, als Gegenargument anführt. Im Gegenteil. Diese Schleuderei ge schützter Werke ist eben auch eine notwendige Folge der Schleudere!, die mit ungeschützten getrieben wird. Sie wird meiner Über zeugung nach in dieser Beziehung noch viele weitere Nachfolge finden. Vielleicht ist damit dem Lesebedürfnis des Publikums ge dient. Der Verlag aber und das solide Sortiment, vor allen Dingen aber das Fundament des Börsenvereins, der feste Ladenpreis, werden dadurch völlig untergraben. Ich habe in langen Verhandlungen mit den Autoren um einen Normalvertrag sehr häufig Gelegenheit gehabt, den Herren zu erklären, daß der Verleger verdienen mutz, da er, wie das schon Albert Brockhaus erklärt hat, nur an lOA seiner Verlagswerke überhaupt verdient. An diesen ION muß er erheblich verdienen, sonst kann er die 30A, an denen er nichts verdient, und die 60A, 357
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