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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.06.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1914-06-09
- Erscheinungsdatum
- 09.06.1914
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- Deutsch
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- Saxonica
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^ 130, 9, Juni 1914. Redaktioneller Teil. beträchtliche Vermögen eingebüßt. Ja, in mehreren dieser Buchhandlungen hat dieser Vorgang sogar mehrmals stattgefunden, und mehrmals haben neu hineingebrachte Kapitalien dazu dienen müssen, die alte Firma, den Namen — nur den Namen! — über Wasser zu halten, nachdem die Inhaber zusammengebrochen waren. Das sind vergangene und unbestreitbare Tatsachen. Herr Heinrich Schöningh hat hier einiges aus Münster erzählt, was in dasselbe Gebiet hineinschlägt. Es ist nicht angängig, unvollendete Tatsachen aus der Gegenwart heranzuziehen, aber das eine will ich betonen: von den Maßgebenden, die mir gegenüber vor zehn Jahren die allgemein einsetzende Not des Sortiments bestritten, wird mir heute schon dieser oder jener genannt, welcher erbleicht, wenn er an seine eigene Zukunft denkt. Und die Gründe für diese Tatsachen sind uns allen bekannt. Es gibt unter uns Männer, die lieben es, das Wort «Gewerbefreiheit« im Munde zu führen, wenn wir nach gesetz geberischen Reformen verlangen, die uns zurusen: hilf dir selbst. Und doch, meine Herren, hat der Börsenverein mit der Klinke seiner Gesetzgebung gegen das Sortiment gerade da die Gewerbefreiheit unterdrückt, wo die Möglichkeit unserer Existenz ihre Quelle hat. Es ist doch gewiß eine blutige Ironie, wenn man innerhalb des Börsenvereins uns zuruft: Ihr dürft an der Gewerbefreiheit nicht rütteln, sie nicht antasten, — wenn der Börsenverein in seinem ersten und Hauptgesetz den Grundsatz unserer Gewerbefreiheit aufhebt und in seine eigene Hand nimmt. Vorsitzender Herr Geheimer Hosrat Karl Siegismund-Berlin Iden Redner, der mit erhobener Stimme spricht, unter brechend): Herr Or. Lehmann, strengen Sie Ihre Stimme nicht so sehr an; wir haben das Podium höhergestellt und verstehen Sie sehr gut. (Heiterkeit.) Herr Or. B. Lehmann-Danzig: Ich verletze doch niemand? Vorsitzender Herr Geheimer Hofrat Karl Siegismund-Berlin: Nein, Herr Doktor, nur in Ihrem eigenen Interesse .. . (Heiterkeit.) Herr Or. B. Lehmann-Danzig: Ach, mein Interesse! — Ich habe sonst ein gutes Gehör, ich habe aber vorhin von meinem Platze sehr schwer hören können; ich bin indessen für diese Liebenswürdigkeit sehr dankbar; aber wenn einer 10 Jahre in einer Sache gearbeitet hat, wird er wohl auch diesen Tag überstehen. Denn was ist die Wurzel jeder Gewerbe freiheit? Daß ich meine Arbeit so teuer verkaufen kann, als ich sie wert schätze und es zur Wahrung meiner Existenz notwendig ist? Dieser erste Grundsatz der Gewerbefreiheit kann im Interesse sowohl des Standes als der Allgemeinheit modi fiziert werden; es kann ein alle Teile befriedigender Tarif festgesetzt und zur Vorschrift erhoben werden, der das Interesse der Allgemeinheit befriedigt und den Bedürfnissen des Standes gerecht wird. Man kann auch die Feststellung — und nun komme ich auf die Herren Verleger —, man kann auch diese Feststellung eines Tarifs einer bestimmten Schicht überlassen, wenn die Verhältnisse es bedingen und dabei das Wesen der Gewerbesreiheit bestehen bleibt. Das hat im deutschen Buchhandel stattgefunden. Aus der Erwägung heraus, daß der Verleger auf das Sortiment angewiesen war und notwendig ein Interesse daran hatte, sich das Sortiment warmzuhalten, hat man es dem Verlag allein überlassen, den Laden- und Nettopreis zu bestimmen, das heißt dem Sortiment den Preis zu bestimmen, für den es seine Leistung verkaufen durfte. — Denn das ist der Rabatt. Das war eine Abweichung von der Gewerbeordnung, aber sie geschah im Interesse auch des Sortimenterstandes. Und wenn früher der Rcchnungsrabatt bei vielen Verlegern im Interesse des Sortiments durchgängig 33 >/,"/„ und der Barrabatt 40°/» und mehr betrug, so wurde das Interesse der Allgemeinheit dadurch wieder gewahrt und ausgeglichen, daß der Sortimenter einen höheren Rabatt an das Publikum abgab. Das war ein Mißbrauch, aber er war dadurch erträglich, daß der Sorti menter wenigstens nicht gezwungen war, unter seinen Selbstkosten zu arbeiten. Das ist also die Durchbrechung der Gewerbefreiheit, der von dem Verleger allein festgesetzte Ordinär- und Nettopreis Eine Maßregel zum Schutze unseres ganzen Buchhändler-Standes! Und was ist aus dieser Schutzmaßregel vielfach geworden? Meine Herren, ich muß es hier aussprechen: ein grau sames Werkzeug der wirtschaftlichen Ausbeutung, der Auspowerung und materiellen und moralischen Unterdrückung des Sorti menterstandes ! Indem ich diese Worte ausspreche, betone ich: ich lege es nicht dem ganzen Verlag zur Last, ich will auch nicht einmal dem einzelnen Verleger die ganze Schuld daran zuschieben. Was uns und Sie alle an Schuld trifft, ist, daß wir bisher ver säumt haben, entsprechend den veränderten Verhältnissen einen Wandel in der Gesetzgebung zu treffen. (Zustimmung.) Meine Herren, der Wert der menschlichen Arbeit ist seit 50 Jahren um mehr als das Doppelte im Preis gestiegen. Der Lohnarbeiter bekommt heute mehr als das Doppelte wie vor 40 Jahren, ein Minister sicher mehr wie das Dreifache, unser Personal durchschnittlich das Doppelte. Als ich meine erste Uhr in der Tasche trug, bezahlte ich für ein zerbrochenes Uhrglas 10 Pf.; vor einer Woche nahm mir mein Uhrmacher 50 Ps. dafür ab. (Heiterkeit.) Das Glas in der Fabrik (ich sage nicht: aus der Fabrik, denn unsere angeblichen Nettopreise gelten auch nur in Leipzig oder am Verlagsorte) — ich sage: das Glas in der Fabrik kostet gewiß heute nicht mehr wie damals, vielleicht 4 Pf. Der Mann hatte also nach unseren Be griffen 92»/„ verdient. So hoch berechnet heute ein solcher Verkäufer bei solchen Kleinigkeiten seine Tätigkeit. Und bei uns? Ich kenne ein kleines Heft, erschienen in Breslau, irgendeine Versicherungsberechnung für Volksschulen enthaltend, das mit r, Ps. ord. und 4 Pf. netto berechnet wird. Ich habe in drei Jahren 12 Exemplare verkauft, und 18 andere sind nach drei weiteren Jahren noch auf Lager. Ich darf also nur einen Pfennig Bruttogewinn nehmen, trotzdem mein Arbeitsverdienst nach dem Beispiel meines Uhrmachers 46 Pf. betragen müßte, statt dieses einen Pfennigs, wovon noch die Spesen und Verluste bezahlt werden sollen. Das ist unsere sogenannte Gewerbesreiheit im Buchhandel! Aber nun lassen Sie mich auf die gegenwärtigste Gegenwart eingehen. Es ist bekannt, daß im letzten Jahre große Verlage im Besitz einer Monopolstellung dazu übergehen, den Rabatt immer tieser herabzuschrauben, tief unter die Spesen, die wir haben. Ich will hier keine Namen nennen; in meinem »Sortimenter« tue ich es stets und grundsätzlich. Dort finden Sie in der Nummer vom l. Mai 1914 den Nachweis, daß eine angesehene Firma den Preis ihrer Schulbücher mit 7 — 8"/), brutto rabattiert, d. h. einen Bezugspreis von Büchern feststellt, welcher weit höher ist als der uns vorgeschriebene Verkaufspreis. Ich brauche nicht zu betonen, daß darin die schwerste Ausbeutung des wirtschaftlich Schwächeren liegt, zu der man die Notlage eines anderen benutzt. Denn wir sind in einer Notlage, indem wir uns nicht dagegen wehren können. Und worin liegt die Notlage des ausgebeutetcn Standes und wer schafft sie? Meine Herren, das ist das Gesetz des Börsenvereins, womit er unsere Gewerbefreiheit durchbricht und uns den Preis — resp. die Strafe für unsere Arbeit —, den einheitlichen Ladenpreis verschreibt; verschreibt, ohne Garantien zu schaffen, daß diese ursprünglich gemeinnützige Einrichtung nicht einseitig ausgebeutet und zu einer gemeinschädlichen Zwangsmaßregel gegen den Sortimenterstand gemacht wird. 933
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