V 1»2, 5. Mai 1914. Künftig erscheinende Bücher. In Kürze erscheint: Karl Friedrich Kurz: MitLernachtsonne und Nordlicht (VIII, 240 Seiten inkl. 16 Vollbildern und 34 Textbildniffen) 8", geb. M. 4.50 /»Draußen an der Westküste Norwegens, im weltverlorenen Fjord, wo nur zeitweilen das Brausen der Brandung und das Gekreisch der Möwen und Eiderenten die Einsamkeit stört, lebt unter wortkargen Fischersleuten ein schweizerischer Schriftsteller. Eines jener erfreulichen Talente, die Zufallsgunst ihre „Entdeckung" verdanken und die daher um so forscher und zukunftsfroher aus dem Vollen schöpfen. Eine Lamburger Reederei spielte bei ihm die Vor sehung. Sie bat ihn, der bisher nur Pinsel und Zeichenfeder geführt, einem für ihre Kursfahrten gewonnenen Schriftsteller die Kartons für ein Reisebuch zu liefern und, da jener verhindert wurde, auch noch den Text zu übernehmen. Da setzt sich der des Schreibens noch ungewohnte Malersmann hin, schreibt und zeichnet, und er liefert, noch unter dem Eindrücke der Fahrt, jenes wunder volle poetische Ostasienbuch „Vom Nil zum Fujiyama", das ihn mit einem Schlage in die vorderste Reihe der Reisepoeten führte. Nun liegt das zweite, wir dürfen wohl sagen, noch reifere und vertiestere Reisebuch vor. Den mehr oder weniger flüchtigen Eindrücken einer Seefahrt in südlichen Zonen, die Kurz in dem Erstlinge so stark poetisch verdichtete, und worauf wohl auch der Lauplreiz dieses Buches beruht, stellt er hier tiefgründige Beobachtungen gegenüber, die ihm ein mehrjähriger Aufenthalt an der nor wegischen Küste ermöglichte. Gewiß ruhte auch über diesen Schilderungen überall das poetisch verklärende Malerauge. Ihr Schwerpunkt liegt aber doch entschieden mehr in dem geschickten Erfassen der Volkspsyche, der Sitten und Gebräuche und in der unübertrefflichen und erschöpfenden Plastik, in der er die sagenumwobenen Geburtslande Frithjofs und ihre seestarken Bewohner in ihrem Daseinskämpfe vor uns erstehen läßt. Seine Schilderungen, insbesondere wo er auf Naturgewalten, den Kampf mit den Elementen, zu sprechen kommt, haben etwas Grandioses, Linreißendes. Man merkt, hier kämpft der Maler Kurz nicht allein selber mit, sondern hier gibt auch ein Meister der Feder sein Bestes. Aber auch im stillen Gaard, auf lärmfrohen Bauern hochzeiten und auf Begräbnissen, auf den großen Fisch- und Walmärkten, am Schenktische, auf einsamen Bootsfahrten und Iagdausflügen ins Gebirg, überall, sogar im Idyll, geht er lauschen und erfährt — insbesondere aus dem Volks munde selber— vieles, was seine Poetischen Aufzeichnungen weit über das Durch schnittsmaß der Reiseerinnerungsbücher hinaushebt und zu einem wohlgetroffenen Lokalgemälde dernorwegischen Küstenlande in allenihren Schönheiten und Schrecken und zugleich zu einem einzigartigen Spiegel nordischen Volkslebens stempelt. Huber K Co., Verlag, Frauenfeld