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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.05.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1914-05-02
- Erscheinungsdatum
- 02.05.1914
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. ^ 100, 2. Mai 1914. Literatur, die ein Paar Jahrzehnte zurücklicgt, ohne Gefahr feh len, und wir im Antiquariat erleben es ja auch fast täglich, mit welcher rührenden Hilflosigkeit selbst tüchtige Sortimenter da stehen, wenn es sich um etwas ältere Literatur handelt, von der Literatur früherer Jahrhunderte ganz zu schweigen, denn das grenzt an Zauberei! Und erst Seine Gnaden der Herr Verleger! Ach du lieber Gott! Wo soll so ein armes Menschenkind, das zeit seines Lebens einsam in seinem Kontor seine Auslieferung besorgt hat, wo soll das große Literaturkenntnisse sich aneignen! Einige Beispiele für viele Fälle: Wenn ich oben behauptet habe, die Bibliophilen wären durch den modernen Verlag zu dem Sortiment hinübergezogen worden, so hat der Antiquar diesem Ab zug natürlich nicht tatenlos zugcsehen. Sein Eingreifen hat aber selten genützt, wenigstens dem sortimentslosen Antiquar nicht, denn das Publikum macht einen großen Unterschied zwischen ihm und dem Sortiment, und fast immer kann der Antiquar bei seiner Bereitwilligkeit, die neuen bibliophilen Erscheinungen zu be schaffen, dieselbe Antwort hören, nämlich die: besten Dank, aber das bekomme ich von meinem »Buchhändler«. Über solche Unterschiede darf sich der Antiquar nicht Wun dern, und er selbst Pflegt ja seinem Stand ein Mäntelchen umzu hängen. womit er anderen gegenüber eine bessere Figur machen will. So konnte man neulich erst in der Familien-Anzeige eines bekannten Antiquars diesen als Verleger unterzeichnet sehen. Ein Antiquar, der durch seine Kataloge einen hochgeachteten Namen in der ganzen Kulturwelt errungen, und der in diesen Katalogen eine Riesenarbeit niedergelegt hat. eine Arbeit so schwer und umfangreich, daß man sich wundert darüber, wie sie ein ein zelner hat leisten können, der verleugnet das stolze Werk seines Lebens und nennt das seinen Beruf, was er so ganz nebenbei und gelegentlich getan hat. Es bedarf Wohl keiner Erörterung, daß nur sehr wenig Spiritus dazu gehört, als Gelegenheitsver leger hinter der Front der Berufsverleger mit unbedeutenden Verlagsartikeln herumzukrebsen, daß es aber sehr schwer ist, sich in der wissenschaftlichen Welt des ganzen Erdkreises ein Denkmal eigener Intelligenz zu setzen. Aber der Titel »Verlagsbuch händler« mutz doch für viele einen besonderen Reiz haben, denn sonst würden nicht so oft auch Sortimenter, die sonst geistig durch aus normal sind, wie jener Kollege aus dem Antiquariat ver suchen. auf ihrem Schiff die Flagge des Verlegers aufzuziehen, um sich damit in einen ihrer Meinung nach vornehmeren Hafen einzuschmuggeln. Und dabei liegt der Unterschied so offen da! Das, was den Verleger mit Recht über den Sortimenter und über den Antiquar erhebt, ist doch nur das schöpferische Moment in seiner Tätigkeit, das Bewußtsein, die Literatur durch eigne Gedanken in die von ihm gewünschten Bahnen zu zwingen. Nur derjenige unter den Verlegern, der dem Geistesleben seiner Zeit seinen Stempel aufdrllckt, darf mit Recht sich höher dünken als die andern im Buchhandel. Im übrigen aber macht er genau das selbe wie die anderen, d. h. er versucht, möglichst viele Bücher mit möglichst großem Gewinn loszuwerden. Ob das nun »an gras« geschieht oder »en ckstail«, die Sache bleibt die selbe, ganz abgesehen davon, daß viele Verleger ihren Grossistenstolz zu bändigen wissen und gern auf die Hebammendienste des Sorti ments verzichten, wenn sich ihnen Gelegenheit zum direkten Liefern bietet. Dem Wissenden sagen alle diese Dinge genug. Das ist der Fluch der traurigen Tatsache, daß der Büchcrkäufer oder sein Erbe durch den Antiquar erst erfährt, was er an seinen Büchern im Laufe der Zeit eingebützt hat. Der Verleger und der Sorti menter sind die honorigen Leute, die saubere, bazillenfreie Bücher zum festgesetzten Ladenpreis verkaufen, aber der Antiquar ist der Räuber, der mit getragenen Sachen handelt, und der für die alten Auflagen und sür die geschmacklos gewordene Belletristik nichts bezahlen will, von dessen Geschäftsgebaren man daher nur mit Augenzwinkern sprechen kann, und dem gegenüber natürlich die größte Vorsicht geboten ist. Diese Verachtung des Antiquars geht sogar so weit, daß die meisten, die mit dem Antiquar in Verbindung treten, sich nicht zu einem anständigen Geschäfts gebaren verpflichtet halten; Worlbruch und Lüge werden Wohl selten so regelmäßig angewandt wie gegen den Antiquar, dem man rücksichtslos große Opfer an Zeit, Arbeit und Reisespesen 730 aufbllrdet, wenn es sich darum handelt, eine Taxation heraus zubekommen, dem gegenüber aber jede Unwahrheit erlaubt ist, wenn es gilt, die Geschäftsverbindung nach glücklich erlangter Taxe ohne Entschädigung zu lösen. Das also ist das Glück, das für viele mit dem Begriff »Anti quar« eng verbunden ist. So ist es mit dem großen Gewinn be stellt, den der Antiquar allerorten einheimst, auch dann, wenn er einmal zum Verkauf seines Geschäfts gezwungen ist. Die Kauf preise nämlich, die Sortimente zu erzielen Pflegen, sind dem An tiquariat ganz unbekannt, und in der Regel nehmen die Antiqua- riatsfirmen ein rühmloses Ende, indem ihr Lager in alle Winde verstreut wird. Demnach muß im Sortiment das Geldverdienen doch viel sicherer sein, denn sonst würden wir nicht die sehr große Anzahl Jahrzehnte, ja Jahrhunderte alter Sortimente haben, während es Antiquariate, reine Antiquariate wenigstens, die die 50 überschritten haben, überhaupt nicht gibt. Auch aus einem anderen Grunde scheint das Alter der Fir men im Antiquariat beschränkter zu sein als der im Sortiment. Wenn einmal über einem Antiquariat der Pleite-Geier sein Ge fieder rauschen läßt, dann verläuft diese Krankheit infolge der steten Anspannung der Barmittel im Antiquariat akut und hitzig in kürzester Zeit, denn es fehlt die Möglichkeit des Weiterbe stehens ohne eigenes Kapital und ohne eignes Risiko durch den Verkauf des Kommissionsgutes, das der Verleger bis zur nächsten Messe kreditiert. Dieser Kredit vermag schwankende Sortimenter lange zu stützen, und so gibt es auch nicht selten Künstler im Sor timent, die den an sich ganz klaren Zustand einer Pleite zu einem chronisch verlaufenden Prozeß umzuwandeln verstehen; Pleiten, die durch geniale Finanzmanöver von Messe zu Messe dem erfin dungsreichen Sortimenter ein wenn auch dornenvolles, aber immerhin doch noch auskömmliches Fortwursteln Jahre hindurch ermöglichen. Die Erklärung hierzu kann nur in der Tatsache gesucht wer den, daß das Bücherverkaufen im Sortiment wesentlich leichter ist als im Antiquariat. Arbeitet der Antiquar doch ohne einen ganz gewaltig großen Trieb des Menschen, ohne den Trieb zum Neuen, zum Sensationellen, der den Trieb zum Billigen weit übertrifst, und wer sich die Zähne daran ausgebissen hat, nur gute alte Bücher zu verkaufen, der wird staunen, wie locker dem Publikum das Geld sitzt, wenn es sich um irgendeine zugkräftige, geschickt ausgemachte Novität handelt. Ich behaupte, daß es mehr, sehr viel mehr Leute gibt, die für eine blöde Romannovität oder für Talmibibliophilie reif sind, als es Leute gibt, die in guten Antiquariaten gute Literatur kaufen und sich dabei, nach der Ansicht des Sortiments, vom Antiquar llbervorteilen lassen; die breiten Beitelsuppen haben auch heute noch ihr Grotz-Publi- kum. Also weder die Herren vom Sortiment noch vom Verlag haben Ursache, den Antiquar scheel anzublicken, sondern beide sollen sich erst einmal ihre eigenen Zugartikel genau ansehen, und dann sollen sie, »sofern sie es dann noch vermögen«, vom Anti quariat mit Augenzwinkern reden. Zweifellos hat das Sortiment dem Antiquariat viel Boden abgewonnen, weil die enorme Produktion des Verlags auch das beste ältere Antiquariats-Lager in ungeahnter Weise entwertet und unverkäuflich gemacht hat. Wir müssen uns im Antiqua riat darüber klar sein, daß wir mit unserem Lager, soviel Geld und Arbeit auch darin steckt, abgesehen von den Seltenhei ten, nichts mehr aufstecken können. Wer das noch bezweifelt, der braucht nur einmal den Absatz genau zu kontrollieren, den er mit Hilfe seiner Kataloge aus dem alten Lager erzielt. Das kann gar nicht anders sein, das muß so sein bei der Rührigkeit unserer Verleger. Welcher Akademiker, gleichviel welcher Fa kultät, soll heute noch nach älterer Literatur greifen können, wo jeden von ihnen die Neuerscheinungen zu ersticken drohen? Ir gendwo hat irgend jemand das, was in unserem wissenschaft lichen Lager aufbewahrt wird, in eine bessere kleinere Form ge gossen, und nur ganz fanatische Bücherliebhaberei wird aus nahmsweise auf uns zurückgreifen. Und wenn wir unsere Anti quariatskataloge noch so pompös ausstatten und im Aufspüren neuer Adressen noch so findig sind, so wird immer schon ein Sortimenter dagewesen sein. Wir können unsere ollen Kamellen in die Papiermühle fahren, denn verkaufen können wir sie nicht,
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