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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.04.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1914-04-28
- Erscheinungsdatum
- 28.04.1914
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- Deutsch
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- Saxonica
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Es sei gestattet, auf die Verhandlungen der Bürgerschaft in Hamburg über diesen Gegenstand hinzuweisen. Nachdem diese parlamentarische Körperschaft im Dezember 1909 an vier Abenden diese Frage nach allen Seiten gründlich erörtert hatte, beschloß sie mit großer Mehrheit, einen besseren gesetzlichen Schutz der Jugend auf diesem Gebiete zu fordern, und vor kurzer Zeit hat die Detail listenkammer zu Hamburg, also die staatlich organisierte Vertre tung des dortigen Kleinhandels, Stellung zu dieser Frage und im besonderen zu dem zur Verhandlung stehenden Gesetzentwurf ge nommen. Es waren die Vertreter des Buchhandels, des Kunst handels, des Zeitschriftenhandels und des Kunstgewerbehandels ein- bernsen. Einstimmig wurde nach mehrstündiger Beratung der Be schluß gefaßt, dem Gesetzentwurf grundsätzlich zuzustimmen; nur wurde die Forderung ausgestellt, daß in zweifelhaften und strittigen Fällen berufene Vertreter der fraglichen Gcwerbszweige, sowie Lehrer und Eltern rc. gehört werden müßten. Es ist eine erfreuliche Tatsache, daß die überwältigende Mehr heit des wirklichen Buchhandels sich nicht nur von dem Zur- schanstellen, sondern auch von dem Vertrieb aller solchen Schriften und Bildwerke ferngehalten hat, die geeignet sind, die Jugend in sittlicher Hinsicht zu gefährden, und es bleibt ein unvergängliches Verdienst des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, daß er stets im Kampfe gegen den Schmutz und Schund in erster Reihe gestanden hat. In seinem Geschäftsbericht für das Jahr 1908 heißt es: »Mit ernster Sorge erfüllt den Vorstand das Anwachsen einer Literatur, die vom sittlichen Standpunkt ans den schwersten Be denken begegnen muß ....« und weiter: »Der Vorstand weiß sich eins mit den Mitgliedern des Vereins in der Beurteilung einer Bücherprodnktion, die auf die Ausnutzung der niedrigsten Instinkte im Menschen gerichtet ist, und richtet an alle Mitglieder die dringende Bitte, zur Bekämpfung der schlechten Literatur tatkräftig mitzu wirken«. Die einmütige Zustimmung, die diese Ausführungen in den Kreisen der Berufsgenossen seinerzeit fanden, läßt es als gewiß erscheinen, daß die überwiegende Mehrheit des deutschen Buch handels einer energischen Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild auch heute noch sympathisch gegenübersteht. Die Befürchtung, der Buchhandel, sonderlich der Sortimentsbuchhandel, könnte sich durch den Gesetzentwurf in seiner Bewegungsfreiheit bedroht sehen, schien überflüssig. Im Laufe der letzten Wochen veröffentlichten eine ganze Anzahl der buchhändlerischcn Kreis- und Ortsvereine, — das sind diejenigen buchhändlerischen Vereine, in denen die Inter essen des Sortimentsbuchhandels in erster Linie vertreten werden — ihre Jahresberichte, und weder in den gedruckten Berichten, noch, wie aus den Tagesordnungen hervorzugehen scheint, ans den Haupt versammlungen jener Vereine wurde dieser Gesetzentwurf, der ja doch schon seit langer Zeit zur öffentlichen Diskussion steht, irgend wie eingehender besprochen; es bestand, soviel wir aus diesen Be richten entnehmen können, in Svrtimenterkreisen kaum irgendwo das Gefühl, als ob der wirkliche und anständige Buchhandel sich durch die vorgeschlagenc Gesetzeserweiterung bedroht sähe. Soweit wir sehen, sind es in erster Linie der »Goethebund« und die diesem gesinnungsverwandten Kreise, die mit dem Schlag wort »Eine neue lex Heinze!« die oft gehörte, oft widerlegte, ihre Wirkung aber nie verlierende Behauptung neu zu beleben ver suchen, daß »die freie Entwicklung der Kunst« bedroht sei. Wir sind überzeugt, daß weite urteilsfähige Kreise des deutschen Volkes diese übertriebene Befürchtung nicht teilen, wenn sie ja leider auch nicht in der Lage sind, ihre gegenteilige Meinung so wirkungsvoll zum Ausdruck zu bringen wie der trefflich organisierte »Goethc- bund«. Wir sind ferner davon überzeugt, daß Tausende und Aber tausende von Eltern, die ihre Kinder oft bangen Herzens in die Straßen der Großstadt hineingehen lassen, dem Gesetzentwurf bal digste Gesetzeskraft wünschen. Von zum Teil anderen Gesichtspunkten geleitet, richtete nun aber der Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig kürzlich eine Eingabe an den hohen Reichstag, in der er sich für die Ablehnung des Entwurfs aussprach. — Wie ernst es dom Börsenverein der Deutschen Buchhändler mit der Bekämpfung des Schmutzes und Schundes in Literatur und Kunst ist, wurde oben bereits hervorgehoben. Wenn er trotzdem schwerwiegende Bedenken äußerte, so leitete ihn die Befürchtung, cs könnte die Willkür oder die Bosheit unberufener Kritiker das Gesetz zum Vorwand nehmen, um den Buchhandel zu beunruhigen und zu schädigen. Wir teilen diese Befürchtung nicht, wir teilen vielmehr durchaus die in der Ein gabe des Börsenvereins zum Ausdruck gebrachte Erfahrung, »daß der deutsche Sortimentsbuchhandel in seinen Darbietungen in Schau fenstern und Auslagen sich durchweg von Gesichtspunkten leiten läßt, die alles vermeiden, was zu Bedenken Anlaß geben könnte«. Wir trauen dem deutschen Sortimcntsbnchhändler zu, daß er s e l b st mit feinem Takt seine Auslage so gestaltet, daß auch eine strengere Hand habung des Gesetzes ihm nicht schaden kann. Wir vertrauen anderer seits darauf, daß der erweiterten Gewerbeordnung eine Fassung ge geben werde, die es engherziger und böswilliger Kritik unmöglich macht, zur Belästigung des wirklichen Buchhandels Anlaß zn geben; ebenso wie wir überzeugt sind, daß sich in der praktischen Ausübung dieses Gesetzes und in der Rechtsprechung bald klare, unmißverständ liche Maßstäbe für die Beurteilung finden werden. So wenig wie die wahre, echte Kunst durch die Gesetzgebung eingeengt und belästigt werden soll, so wenig wird die Erweiterung der Gewerbeordnung dem wirklichen Buchhandel nach unserer Über zeugung Schaden bringen, wohl aber wird der Gesetzgeber in der Lage sein, jenen Schund zu treffen, der sich jetzt auf den Rummel plätzen in anatomischen Kabinetten, in allerlei Mutoskopen, in den Schaukästen gewisser Glaser- und Einrahmungsgeschäfte und in den Auslagen mancher Papier- und Auchbuchhändler breit macht. Diesen Schmutz gilt es zu treffen, und da stehen wir allerdings auf dem Standpunkte, daß selbst die Möglichkeit eines Mißgriffes in bezug auf ein wirkliches Kunstwerk nicht von der Einführung einer strengeren Aufsicht abhalten sollte, d e n n d i e B e w a h r u n g d e r Jugend vor gewissenloser Spekulation muß höher stehen, als die mögliche und gewiß seltene ungerechtfertigte Belästigung eines Geschäfts mann e s i n einem einzelnen Falle. Die Verseuchung des deutschen Volkes durch Schmutz- und Schunderzeugnisse, die bereits in die entlegensten Gebirgsdörfer und in die kleinsten Orte der Niederungen dringen, hat einen so be deutenden Umfang angenommen, und die Gefahren für unsere Ju gend, die ihr durch unsaubere Darstellungen in öffentlichen Aus lagen drohen, sind so groß, daß eine ernstliche Besserung dieser Ver hältnisse nur auf gesetzlichem Wege möglich ist. Deshalb bitten die Unterzeichneten Vorstände einen hohen Reichs tag, dem sogenannten Jugendschutzgesetz seine Zustimmung nicht zu versagen. In größter Ehrerbietung Der Vorstand des Verbandes evangelischer Buchhändler: Ulrich Meyer. Ernst Fischer. Konrad Gu stör ff. Paul Eg er. Otto Rippel. Der Vorstand des Vereins von Verlegern christlicher Literatur: Martin W a r n e ck. David Gundert. Gustav Fick. Ernst Fischer. Friedrich W e i t b r e ch t. Man wird es nur begrüßen können, daß auch die Vorstände des Verbandes evangelischer Buchhändler und des Vereins von Verlegern christlicher Literatur Stellung zu dem Gesetzentwurf genommen haben, auch wenn mau sich mit der Art ihrer Stellungnahme nicht einver standen erklären kann. Denn nichts wirkt aus unser politisches und wirtschaftliches Leben so lähmend als Gleichgültigkeit gegenüber allen auf eine Volksgesundung gerichteten Bestrebungen. Erst wenn jeder Einzelne sich bewußt wird, daß diese Fragen ihn persön lich augehen, daß es auf ihn mit ankommt, und daß er nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, sich damit zu beschäftigen, wird man hoffen dürfen, daß unsere Gesetzgebung immer klarer und unzweideutiger den Willen der Gesamtheit zum Ausdruck bringt. Daher wird auch niemand den beiden Vereinen die Legitimation zu ihrem Vorgehen bestreiten, das, aus dem Geiste der von ihnen verfolgten Ziele heraus, kaum in einer anderen Richtung erfolgen kann, als sie die Eingabe zeigt. Nicht unberücksichtigt wirb man jedoch lassen dürfen, daß der evangelische Buchhändler, begrenzter in seinen Aufgaben und seinem Wollen, viel weniger von den unmittel baren Wirkungen des neuen Gesetzes betroffen werden würde als der Buchhändler, der seine Aufgabe darin erblickt, sich in den Dienst der Gesamtheit aller kulturellen Interessen ohne konfessionelle oder partei politische Färbung — das Wort hier in seiner weitestgehenden Bedeu tung verstanden — zu stellen. Aus diesem Grunde wird man aber auch nicht den Maßstab des evangelischen Buchhändlers an diesen Gesetzent wurf aulegen dürfen, sondern sich fragen müssen, ob er der Gesamtheit genügenden Schutz gewährt, jenen vor allen Dingen, denen auch die Kunst Religion ist, weil sic in ihr eine Offenbarung der höchsten dem Menschen verliehenen Kräfte, ein Zeugnis für den Schöpfer selbst er blicken. Solange nicht alle Herzen und Sinne sich dieser Offenbarung erschließen, wird die Allgemeinheit Sicherheiten dafür fordern müs sen, daß nicht engherzige und kleinliche Auslegung eines weitmaschigen Paragraphen das Gute, das das neue Gesetz erstrebt, in sein Gegenteil verkehrt. Diese Sicherheiten bietet der Entwurf nicht. Und wenn in der hier abgedruckten Eingabe der Befürchtung des Vörsenvereins, »es könnte die Willkür oder die Bosheit unberufener Kritiker das Gesetz zum Vorwand nehmen, um den Buchhandel zu beunruhigen oder zu schädigen«, der Satz gegenübergestellt wird, »daß der deutsche Sorti- 647
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