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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.09.1919
- Strukturtyp
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- 1919-09-24
- Erscheinungsdatum
- 24.09.1919
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- Deutsch
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X- 208, 24. September 1919. Redaktioneller Teil. Lebendigen«. Es ist nicht auszudenken, wie ein Verlag, der keine Konkurrenz zu fürchten braucht, auf der Höhe seiner Zeit bleiben soll, wie auf solcher Basis Erscheinungen wie die Reclamhefte oder die Bücher des Jnselvcrlags entstehen könnten und wo eine solche Behördenorganisation den Ansporn zur höchsten Kraftentfaltung finden sollte. 2. Für die eigentliche Triebfeder der Wirtschaft, den Er werbssinn, hat I)r. Borgius Verständnis. Er billigt allen Ar beitern und Angestellten (richtiger Wohl »Beamten« des Zentral verlags, denn er würde mehr einer Behörde als einer kaufmän nischen Unternehmung gleichen) weitgehende Beteiligung am Gewinn zu. Aber selbst wenn diese Freigebigkeit nicht zu einer wesentlichen Verteuerung der Bücher führen würde — überdies ist kürzlich von der AEG die Undurchfllhcbarkeit einer Gewinn beteiligung der Arbeitnehmer schlüssig bewiesen worden —, so find doch die verantwortlichen Leiter einer mehr oder weniger mit Monopolcharakter ausgestatteten Unternehmung aller Er fahrung nach nicht in demselben Maße rührig und produktiv wie der Unternehmer, der auf eigene Rechnung und Gefahr »im Wetten und Wagen das Glück zu erjagen« sucht. Wenn bisher die privatkapitalistische Wirtschaftsordnung hie und da zu einer zügellosen Abhängigkeit von egoistischen Trieben geführt und mancherlei Auswüchse des gesunden Erwerbssinns gezeitigt hat, so sollte doch niemand jetzt in den gegenteiligen Fehler verfallen und sich dem Wahne hingeben, daß im Wirtschaftsleben jemals der Eigennutz ausgeschaltet und durch Gemeinsinn oder Ethik ersetzt werden könne. Solche Ethik kann der Wirtschaft nur Warnungssignal und Regulativ, aber niemals lebendige Trieb kraft sein. Denn selbst wenn im Kulturmenschen das Verlangen nach Ordnung, Frieden und gegenseitiger Rücksichtnahme als ein »Bedürfnis« anerkannt werden kann, so besteht doch das Wirt schaftsleben nicht in der Befriedigung dieser ideellen Bedürfnisse. Vielmehr stehen die sogen, materiellen Bedürfnisse, Nahrungs-, Klcidungs-, WohnuugSbedürfnisse, an erster Stelle, und die Frage kann immer nur sein, wie das selbstsüchtige Begehren der Men- scheu nach BedürfnisbefriedigungSmitteln durch Recht und Sitte in geordnete Bahnen gelenkt und seine Ausartung in ein »bel lum omnium w omns«« verhütet werden kann. In dieser Hin sicht scheint mir vr. Borgius auf einem hypcridealistischen, aber außerordentlich charakteristischen Standpunkt zu stehen. Wenn er dem Sinne nach meint, die Bezahlung des Autors sei an sich etwas Unwürdiges, weil er aus Liebe zum Schaffen arbeite, nicht um des Gelderwerbs willen, so bleibt zunächst offene Frage, ob sich der eine Zweck (Befriedigung eines reinen ArbeitstriebeL) und der andere (Benutzung der Arbeit als eines Erwerbsmit tels) gegenseitig ausschließen. überdies ist dies Dilemma so alt wie die Menschheit, und mit mehr Recht klagt Lessing, daß die Kunst nach Brot gehe. So wünschenswert aber der Zustand scheinen mag, wo Gelehrte und Künstler ohne die Sorge um ihre Lebensgrundlagen existieren und schaffen können, so Proble matisch bleibt doch stets, wer zu diesen Gelehrten und Künstlern gerechnet werden soll, und ob nicht gerade der Kampf ums Dasein und das berühmte Dichterelend vielfach die geistigen Kräfte schöner zur Entfaltung gebracht haben, als es ihnen bei einer wirtschaftlichen Sorglosigkeit beschieden gewesen wäre. Gewiß ist grundverkehrt, wollte man mit solchen Erwägungen dem Geistesarbeiter den Kampf ums Dasein erschweren, aber die Forderung, sic dieses Kampfes von vornherein zu entheben, scheint mir nur in Deutschland möglich zu sein — wo einem schranken- und oft skrupellosen Kaufmannsgeiste vielfach und gerade unter den Gebildeten eine weitverbreitete Verständnis losigkeit für wirtschaftliche Realitäten gegenübersteht. Die un gesund schnelle industrielle Entwicklung Deutschlands mit ihrer Mechanisierung und Verflachung des Geistes kontrastiert seltsam zu derartigen mittelalterlichen, Welt- und wirtschaftsfremden Auffassungen der »Dichter und Denker«, wie sie nicht sein soll ten. vr. Borgius erwähnt, der Grundsatz solcher Abstinenz sei Wohl nur unter einer der Vergangenheit angehörenden aristo kratischen Gesellschaftsordnung oder nur unter einer kommunisti schen Wirtschaftsordnung zu verwirklichen, bei der das Prinzip gelte: »Jeder arbeite nach seinen Fähigkeiten und genieße nach seinen Bedürfnissen«. Er gibt zwar selbst dem Zweifel Aus-! druck, ob eine solche Wirtschaftsordnung bald einmal praktisch möglich sei, aber er bleibt auch jeden Versuch eines Beweises schuldig, mit welchem Rechte der ungeheuerliche Zuchthausstaat des Kommunismus einen solchen paradiesischen Zustand zu ver- heißen wagt. Daß die Allmacht des Zentralverlags zu einem unerträg lichen Bureaukratismus, der auf dem Boden konkurrenzloser Macht besonders üppig ins Kraut zu schießen Pflegt, und sogar zu einer sogen. Vetternwirtschaft und zur Beamtenkorruption führen kann, sei nur nebenbei bemerkt, obwohl auch diese Ge fahren mit zunehmender Zentralisierung wachsen. 3. Noch wesentlicher erscheint mir die Schwierigkeit, für ein derartiges Riesenunternehmen die geeigneten Letter zu finden, die geradezu ein organisatorisches Universalgenie sein müßten, und deren Fähigkeiten sich doch eigentlich nicht auf organisato risches und kaufmännisches Talent beschränken dürsten, wollen sie nicht willenlose Werkzeuge in der Hand ihrer Lektoren sein. 4. Volkswirtschaftlich bedenklich ist außerdem jede unnötige Ausdehnung des Großbetriebs, weil sie die Arbeit immer mehr schematisiert. Denn mit zunehmender Arbeitsteilung wird die Arbeit eintöniger und stumpfsinniger, sodaß der Zentralverlag gegen das Streben einiger Sozialpolitikcr nach Arbcitsveredlung verstoßen würde. Denn er benötigt und züchtet ein Gehilfen proletariat. 5. Die Lektoren werden die Stellung eines General-Feld- marschalls der Wissenschaft und einen unermeßlichen Einfluß erlangen. Wehe den Schriftstellern, die sich ihre Gunst ver scherzen ! Sehr zweifelhaft erscheint auch, ob wirklich «ine Vor anzeige des Schriftstellers oder die Besprechung eines wohl wollenden LcklorS nur einigermaßen zuverlässige Grundlagen für die Bedarfsberechnung schaffen wird. Ein wissenschaftliches Buch wird doch vielfach erst dadurch bekannt, daß es ein namhafter Autor zitiert, daß besondere Zeitverhältnisse das Interesse für eine bestimmte Frage erwecken, ganz abgesehen davon, daß es das Schicksal aller wirklich bedeutenden Geisleserscheinungen sein soll, ihrer Zeit voraus zu sein und erst von einer späteren gewürdigt zu werden. Der Spürsinn des spekulativen Verlegers trifft sicherlich immer noch eher das Richtige als solch «in Bücher wurm, über den die Autoren bald seufzen werden: »Je weniger eine Hand verrichtet, desto zarter ist ihr Gefühl«. Wenn heute ein Verleger einer Neuerscheinung abgeneigt ist, so nimmt sie der Konkurrent vielleicht gern an. Aber wo soll der Autor, der vor den Augen des Zentralverlags keine Gnade gesunden hat, einen Verleger finden? vr. Borgius denkt hier an eine Unterstützung des Staates oder sonstiger interessierter Kreise. Aber beide Möglichkeiten bestehen auch bei der bisherigen VerlagSform, und die elftere wird in absehbarer Zeit auf wenig Gegenliebe beim Staat stoßen. Die Einsicht in die kulturellen Aufgaben und die wirtschaftlichen Pflichten des Staates steigt jetzt allem Anschein nach Im umgekehrten Verhältnis zu seiner Zahlungsfähigkeit. Wie aber, wenn diese interessierten Kreise, wie es doch in praxi der Fall sein wird, mit den Lektoren auf gutem Fuße stehen werden? Man braucht nicht gleich ihre Engherzigkeit oder ihren bösen Willen zu befürchten, aber man vergegenwärtige sich nur, mit welch grimmigem Hatz Schopenhauer gewisse Uni- versitätSkreise verfolgt hat, und welcher Empfang solchen Aposteln der Freiheit und der Wahrheit im Zentralverlag beschieden sein würde, vr. Borgius verspricht sich viel von einer Organisation der geistigen Arbeit, da die Lektoren des Zentralverlags die Überproduktion und die Lücken der Wissenschaft leichter übersehen könnten, als es bei der bisherigen »anarchischen« Produktion der Fall ist. Aber hier würde wieder einmal der Teufel durch Beelzebub ausgetrieben. Bekanntlich schließt selbst das Vor handensein zahlreicher Schriften über ein und dasselbe Thema nicht notwendig dar Bedürfnis nach einem neuen Werke aus. Eine solche Kontrolle des Geisteslebens erfordert also zum min desten keine bureaukratisch arbeitenden Durchschnittsmenschen, sondern geradezu genial begabte Naturen mit umfassenden Fach kenntnissen. Sind schon die Schwierigkeiten groß, solche lien sönlichkeiten ausfindig zu machen, so sind l>le aus yr - zweckmäßigen Wahl entstehenden Gefahren »och g i! -
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