Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.09.1919
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1919-09-24
- Erscheinungsdatum
- 24.09.1919
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19190924
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191909248
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19190924
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1919
- Monat1919-09
- Tag1919-09-24
- Monat1919-09
- Jahr1919
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Redaktioneller Teil. 208, 24. September I9lS. snm-Prnduktivgenossenschäft derart zu vereinheitlichen, datz sich zunächst alle führenden Spezialverlage zu einer gemein wirtschaftlichen Gesellschaft zusammcnschließen und außerdem alle als Käufer in Frage kommenden Interessenten durch Zah lung eines festen Jahresbeitrags den aus dem Verleger-Zu sammenschluß zu bildenden Zenlralverlag finanzieren. Der Hauptvorteil eines solchen genossenschaftlichen Zentralverlags bestünde in der lückenlosen Organisation der Kundschaft, weil an Stelle der »spekulativen Massenproduktion« und der »chao tisch-anarchischen« Gestaltung des Absatzes der Bedarf im vor aus zu ermitteln sei. Dies sei nämlich durch eine Fusion der bestehenden Zeitschriften zu erreichen, weil in einer — als Literaturzeitung jedes wissenschaftlichen Gebietes auszubaucn- den — Fachzeitschrift durch Voranzeigen, Inhaltsangaben der Autoren und Besprechungen der Lektoren des Zenlralverlags jede beabsichtigte Neuerscheinung vorher angekündigt werde und die sich hierauf meldende Abnehmerzahl jeweils im voraus sestzustellen sei. Auf solcher Grundlage könne die Frage ent schieden werden, ob ein Werk vom Zentralverlag angenommen werde, ob und inwieweit Unterstützung durch interessiert« Kreise oder auch durch den Staat nötig sei, und wie der Preis be rechnet werden müsse. Die Autoren seien stets am tatsäch lichen Ertrage des Buches zu beteiligen. Die gesamte geistige Produktion könnte zugleich planmäßig organisiert werden, weil alle Geistesprodnkte in die Zentralstelle münden und hier ebenso eine Überproduktion wie etwaige Lücken in der wissen schaftlichen Forschung leicht zu übersehen wären. Der unrationelle Zwischenbuchhandel sei ganz anszuschal- ten. Das Sortiment müsse durch bloße Verkaufsstellen des Zentralverlags ersetzt werden. Hierdurch würden die llnter- nehmergcwinne der Sortimenter, erhebliche Gehaltsspescn, La denmieten, die Spesen des Zwischenbnchhandels, die Fracht kosten des Umwegs über Leipzig, die Herstellungskosten der zum Kondilionsvcrsand bestimmten Exemplare und die Re klamekosten erspart werden. Auch für die belletristische Literatur sei der Zentralverlag unbedenklich geeignet, doch müsse durch einen großzügigen — womöglich staatlichen — Ausbau des Leihbibliothekwesens und des Bahnhofsbuchhandels (der in Form der Leihbibliothek zu organisieren sei) eine dem Konsumverein ähnliche Grund lage geschaffen werden, sodaß sich auch hier der durchschnitt liche Bedarf einer Neuerscheinung ungefähr im voraus be rechnen lassen würde. Dieser kurze Überblick über den Gedankengang des Ver fassers, den er in insgesamt 41 Seiten langer Darstellung näher ausführt, dürfte schon beweisen, datz ihm der Versuch fernliegt, etwa von heute auf morgen die Organisation des Buchhandels umzugestalten. Er will vielmehr nur eine Anregung geben, der eine auf den ersten Blick bestechende Freiheit und Unabhängigkeit des Urteils nicht abgesprochen werden kann. Indessen — der konservativer denkende Buchhändler braucht sich nicht hinter der banalen, schon von Kant bespöttelten Redens art zu verschanzen: »In der Theorie sehr schön, aber in der Praxis nicht durchführbar«. Denn was in der Praxis nicht durchführbar ist, das ist auch in der Theorie verkehrt. So ist auch der Plan des Or. Borgius meiner Überzeugung nach schon in der Theorie höchst anfechtbar und eine sehr zeitgemäße, aber auch sehr bedenkliche Verirrung. Es kann dahingestellt bleiben, wie sich der Verfasser in genetischer Hinsicht die Entwicklung bis zu einem Ziele denkt, ob er z. B. Vorschlägen würde, allen entgegenstehenden Willen mit Gewalt- und Zwangsmitteln zu beugen. Nur so viel sei bemerkt, daß sein Programm, sobald es nicht auch nach dieser Richtung hin Aufschluß gibt, der Utopie eines Architekten gleicht, der für die Stadt Leipzig einen einheitlichen Bauplan entwerfen wollte, ohne sich darum zu kümmern, was aus den vorhandenen Straßen und Häusern werden soll, und ob nicht ihr Einrcißen so kostspielig und opferreich ist, daß für die Durch führung seines Bauplans alle Mittel und alle Arbeitsfrcudigkcit whlen. Aber vielleicht ließen sich für das Programm des vr. Borgius Mittel und Wege finden, vielleicht weist es wenigstens ein Ziel, dem sich der Buchhandel als einem Leitstern zu nähern 8Z6 bemüht sein muß. Es soll daher, unbeschadet aller Zweifel an der Durchführbarkeit, hier nur in systematischer Betrach tung untersucht werden, ob die vom Verfasser vorgeschlagene Organisation der bisherigen sachlich überlegen sei. Der Verfasser folgt dem Beispiel einiger Sozialisierungs fanatiker, die dem privatkapitalistischen System mit dem Hin weise auf einige schreiend« Mißstände den Todesstoß zu ver setzen wähnen. Auch er übersieht, datz die neue Wirtschaftsform zwar von den beanstandeten Auswüchsen und übelständen frei sein mag, daß sic aber eine Unzahl anderer, größerer Nachteile im Gefolge hat (sodaß sich bei nüchterner Prüfung des Für und Wider eben doch die Wagschale zugunsten der individualisti schen Wirtschaftsform senkt) und daß sich auch bei ihrer Bei behaltung einige häßliche Folgeerscheinungen teils beseitigen, teils mildern lassen. Or. Borgius zählt alle Vorzüge des sozialisierten Buch wesens auf, scheint aber blind zu sein für seine unermeßlichen Gefahren. Hierzu rechne ich: 1. die durch Ausschaltung der Konkurrenz drohende Stagnation; 2. den Bureaukratismus jedes wirtschaftlichen Körpers, der nicht durch kaufmännischen Erwerbssinn — als die wich tigste Triebfeder aller Wirtschaft — lebendig erhalten wird; 3. die Unübersichtlichkeit und Vcrwaltungsschwierigkeiten einer Organisation vom Umfang des Zentralverlags; 4. die zunehmende Mechanisierung der Arbeit und die damit Hand in Hand gehende Proletarisierung der Arbeit und zunehmende Arbeitsunlust; 5. den überragenden Einfluß der Lektoren und die Unabhän gigkeit der Wissenschaft von ihrer Geistesrichtung oder den wirtschaftlichen Interessen des Zentralverlags; 6. die Verkennung der Tatsache, daß die Billigkeit der Ware nicht das höchste Ziel der Volkswirtschaft sein kann. Sie würde hier auch im günstigsten Falle mit einer bedenk lichen Zunahme der Arbeitslosigkeit erkauft wer den. Denn nur durch eine wesentliche Ersparnis an Ge hältern und Löhnen wäre eine nennenswerte Verbilligung zu erreichen. Da vr. Borgius selbst betont, die Umgestaltung des Detail- Vertriebs sei bedingt durch die Bildung eines genossenschaft lichen Zentralverlags, kann ungeprüft bleiben, ob seine son stigen Gedanken — z. B. die Verbindung des Bahnhofsbuch handels mit der Leihbibliothek oder die Spesenersparnis, Zu sammenlegungen und Sozialisierung im Sortiment — frucht bare Keime enthalten. Denn wenn die hier angedeuteten Be denken gegen die Vereinheitlichung des wissenschaftlichen Ver lags stichhaltig sind, so würden damit alle auf diesem Fundament ruhenden Pläne und Ziele und seine grundsätzlichen Angriffe gegen den Zwischenbuchhandel und gegen das Sortiment ohne weiteres in sich zusammenfallen. In Wahrheit sind zwar seine für das Sortiment gemachten Reformvorschläge m. E. auch un abhängig von der Vereinheitlichung des Verlags sehr beachtlich, aber da Or. B. selbst diese gegenseitige Abhängigkeit behauptet, sei hier nur auf die gegen den Zentralverlag bestehenden Bedenken hingewiesen. Von vornherein muß aber zugegeben werden, daß auch hier die Schrift des vr. B. fruchtbare und ent wicklungsfähige Gedanken enthält. Zu obigen Einwendungen sei im einzelnen bemerkt: l. Die Sucht, das »Chaos« der Wirtschaft durch einen ein heitlichen Zentralwillen zu regeln, entspricht durchaus der schau derhaften Überorganisation, an der Deutschland seit einigen Jah ren krankt. Sie beruht auf der Verkennung der schöpferischen Kraft des Unternehmergeistes, der nicht nur sein Kapital, son dern auch seine Arbeitskraft und -freudigkeit »riskiert«, und der Produktivität des Wirtschaftskampfes, der gewiß nicht nur viel Morsches und Wurmstichiges knickt, sondern auch viel Zartes und Entwicklungsfähiges erstickt, der aber doch für die dauernde Anspannung aller Kräfte sorgt und allein Entwicklung und Fort schritt verbürgt. »Nur die Ringenden«, sagt Goethe, »sind die
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder