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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.09.1919
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1919-09-08
- Erscheinungsdatum
- 08.09.1919
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- Deutsch
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- Saxonica
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V 194, 8. September ISIS. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Duchhcnu.».«. aber leider nicht auf deutsche Selbstbiographien beschränken, her vorgebracht hat. Die hier zu lösende Aufgabe ist jedenfalls noch nicht klar erkannt, und eben um sie klarer hervortreten zu lassen, schreibe ich diesen Aussatz, dazu durch die Arbeit an dem vor einiger Zeit erschienenen III. Teil meines Reclam- Fllhrcrs »Weltliteratur« angeregt, dessen l. Kapitel eine Zusam menstellung der wichtigsten »Erinnerungen, Tagebücher, Reden. Gespräche und Briefe« bildet. Es ist mir möglich gewesen, für diesen Aussatz eine weit größere Anzahl von Selbstbio graphien zusammenzubringen, als in jenem Kapitel berücksichtigt werden konnte, vollständig ist mein Verzeichnis aber selbstver ständlich noch lange nicht. Vielleicht rege ich hiermit einen Bücherkenner an. einmal eine lückenlose Zusammenstellung zu unternehmen. Daß die Selbstbiographie dann auch eine mono graphische Darstellung finden mutz, liegt bei ihrer großen Wich tigkeit auf der Hand; es ist auch, wenn ich mich nicht täusche, schon ein Werk über sie im Entstehen, das aber leider auch die der anderen Völker berücksichtigt und also wahrscheinlich so wenig fertig werden wird wie die großen Geschichten des Dra mas und des Romans, die wir haben. Nein, man mutz zunächst stets die Arbeit für sein Volk leisten und dann erst andere Völker heranziehen. Hoffentlich lehrt uns der Ausgang des Weltkrieges wenigstens dies und führt uns zu gesunder deut scher Kulturarbeit zurück. Das Charakteristikum der Selbstbiographie, um zunächst noch eine Feststellung zu geben, ist, daß sie das Leben ihres Verfassers nachträglich erzählt — Tagebücher sind also keine Selbstbiographien, nähern sich ihnen aber bisweilen, wenn sie sich darauf beschränken, zu erzählen, oder doch das Erzähle rische (das ja im Grunde immer »nachträglich« ist) in ihnen vorwiegt. Bei der wirklichen Selbstbiographie ist dann selbst, verständlich auch meist ein Erzählungsplan oder doch die natür liche Anordnung vorhanden. Als die älteste deutsche Selbst biographie kann man vielleicht Ulrich von Lichten, steins, des Minnesängers (s um 1275). »Frauendienst« an- sehen, den Ludwig Tieck in Prosa bearbeitet hat und Scherer einfach als »Liebesmemoiren« bezeichnet. Ihm schlösse sich dann des Mystikers Heinrich von Suso (aus Uberlingen am Bodensee. 1300—1365) Lebensgeschichte an, die Scherer auch »ein heiliges Seitenstück zu Ulrich von Lichtensteins unhciligen Liebesmemoiren« nennt, doch nimmt man als Verfasser jetzt nicht mehr den Mystiker selbst, sondern seine Freundin Elisabeth Stagel an. und die Lebensgeschichte scheidet also aus der Reihe der Selbstbiographien aus. So tritt nun. da Eberhard Windccks »Lebensgeschichte König Siegmunds« und Kaiser Maximilians I. »Weihkunig« trotz ihres Memoirencharak ters doch auch keine rechten Selbstbiographien sind, des wackern Ritters Götz von Berlichingen (1480—1562) Lebens beschreibung an die Spitze aller deutschen Selbstbiographien, und wir wollen dessen froh sein, da Goethes »Götz« bewiesen hat. welche fortzeugende Kraft in ihr steckt. Sie ist ja heute leicht er haltbar, u. a. in der Universalbibliothek. Als ein interessantes Gegenbild zu Götz bezeichnet Gustav Frehtag, der alle diese ersten Selbstbiographien verwendet, den Landsknechtsführer Sebastian Schertlin von Burtenbach (1498—1577), dessen Denkwürdigkeiten die großen Kriege der Zeit und später allerlei persönliche Händel schildern. Ein Tagebuch über den Schmalkaldischen Krieg haben wir von Viglius van Zwinchem. — Zum geistigen Deutschland führen dann die Selbstbiographien Thomas Plätters, Rektors zu Basel (1499—1582), und seines Sohnes, des Arztes Felix Platter (1536—1614), die, wenn ich nicht irre, in Voigt- länders Quellenbüchern sind. Freytag charakterisiert durch Aus züge aus ihnen das Leben der fahrenden Schüler und Hochzeit und Haushalt im Reformationszeitalter. Wieder viel Politisches berichten die Denkwürdigkeiten des Grafen WolradvonWal- deck und der Lebenslauf des Bartholomäus Sastrow, eines geborenen Greifswalders und Agenten der Herzöge von Pommern, dann Bürgermeisters von Stralsund, der 1823 zuerst erschien und jetzt in Voigtländers Quellenbüchern ist, und auch Hans von SchweinichenS. des schlesischen Ritters (1552 —1616), Leben und Abenteuer bewegen sich im ganzen in der Hofsphäre, sind aber vor allem von sittengeschichllichem Wert, wie ferner die Memoiren L. Geizlkofers und des Ulmer Handelsherrn H. U. Krafft Denkwürdigkeiten (hg. von Ad. Cohn 1861). Der erste selbstbiographische Roman unserer Literatur ist bekanntlich Hans Jakob Chri- stoffel von Grimmelshausens (1625—1676) »Simplizissimus«, das beste Bild des deutschen Lebens im Dreißigjährigen Kriege, doch darf man ihn kaum so ent schieden zur Selbstbiographie stellen wie die späteren Werke Jung-Stillings und Karl Philipp Moritz'. Die gleichfalls den Dreißigjährigen Krieg und örtliche Schicksale schil dernde Selbstbiographie des fränkischen Pfarrers Martin Bötzinger ist leider nicht ganz erhalten (man vergleiche Frcylag und den Leipzig 1879 erschienenen Roman von Johann Heinrich Löffler). Ein anderer Pfarrer, der Briegcr und dann Kasseler Hosprediger Friedrich Lucae (1644—1708), schil dert das bürgerliche Leben nach dem Kriege. Während seine Selbstbiographie erst 1754 hervorgetreten ist, find die Lebens beschreibungen des Theologen Johann Wilhelm Pe te r s« n (1649—1727) und seiner Gattin Johanna Eleo. nore, geb. von Merlau (1644—1724) schon in der Zeit, 1717 und 1718, erschienen — sie führen in die Kreise des Pietismus. Auch eine deutsch-jüdische Selbstbiographie gibt es schon aus dieser Periode, die der Glücke! von Hameln (1645—1724) — sie ist jetzt in einer Bearbeitung von A. Feil- chenfeld in unserm Deutsch zu haben. Von den fürstlichen Reise beschreibungen, die mit denen Friedrichs von Württemberg und Christians II. von Anhalt beginnen, müssen wir hier absehen, wie von Reisebeschreibungen überhaupt. In dem gelehrten, »polyhistorischen« Zeitalter, das Deutschland um 1700 aufging, steht der Philosoph Christian von Wolfs (1679—1754) als Selbstbiograph voran, dessen »eigene Lebensbeschreibung« Wuttke, Leipzig 1841, herausgab. Schon lange bekannt und sehr viel bedeutender ist die »Lebens geschichte« des Württembergischen Landschaftskonsulenten Jo hann Jakob Moser (1701-1785), der von 1759 bis 1764 zu Unrecht auf der Feste Hohentwiel gefangen satz, — sie ist Of- fcnbach 1768 zuerst hervorgetreten und Frankfurt und Leipzig 1777 —1783 in 3. Auflage (4 Bände) erschienen. Ebenso geschätzt wie seine Biographie ist die des Theologen Johann Salomo Semler (1725—1791), Professors zu Halle, die unter dem Titel »Lebensbeschreibung, von ihm selbst abgefaßt« Halle 1781/82 in zwei Bänden herauskam. Wie Freytag, der sie wiederholt benutzt, bemerkt, mutz sie langsam gelesen werden, da sie vieles nur andeutet und auch noch lateinischen Satzbau hat. Immanuel Kant (1724—1804), der «in Jahr älter ist als Semler, hat selbst nichts Autobiographisches geschrieben, aber wir haben manche Erinnerungen an ihn (siehe sein »Leben in Darstellungen von Zeitgenossen«, Deutsche Bibliothek). — Viele wichtige Memoiren dieser Zeit werden französisch abge- saßt, da die französische Kultur die alte lateinische und die auf strebende deutsche zum Teil verdrängt. Die ersten deutschen fürstlichen Memoiren dürften die 1879 zuerst herausgegebcnen der Kurfllrstin Sophie von Hannover (1630—1714), der Korrespondentin der Liselotte, sein, von denen eine neue Aus gabe existierst Ihres Enkels, Friedrichs des Großen (1712—1786) »Memoiren« zur Geschichte seines Hauses und seiner Zeit sind, obwohl sie Persönliches haben, keine Selbst- biographie, sondern Geschichtswerke. Dagegen tragen die Me moiren seiner Schwester, der Markgräfin Wilhelmine von Bahre llth (1709—1758), 1810 zuerst erschienen, den ausge prägten Memoirencharakter. Unsere großen Geschichtsschreiber haben ihre teilweise unzweifelhafte Unglaubwürdigkeit nachge wiesen, aber das pikante Buch ist immer weiter gelesen worden und unmittelbar vor dem Krieg noch in zwei billigen deutschen Ausgaben erschienen. Vielleicht noch unzuverlässiger als die der Markgräfin sind die ebenfalls französisch geschriebenen, 1734 zuerst hervorgetretenen Memoiren des Freiherrn Karl Lud- wig von Pöllnitz (1692—1775), der zuerst Abenteurer und dann Friedrichs des Großen Oberzeremonienmeister war, aber wer die erste Hälft« des achtzehnten Jahrhundert» gründlich kennen lernen will, mutz sie doch lesen. Al« Deutsche ist sn 779
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