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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.07.1919
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1919-07-01
- Erscheinungsdatum
- 01.07.1919
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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ohne Fliegerlärm mit wahrem Hochgefühl in die Weichen sau beren Betten. Thuin ist ein überaus malerisch an der Sambre gelegenes Bergstädtchen. Wir hätten dort gewiß angenehme Tage ver leben können, wenn die niederdrllckenden Aussichten für die Zu kunft des Vaterlandes nicht gewesen wäre». Die Verpflegung war gut und auch in den Läden allerhand Langentbehrtcs zu kaufen. Dienstlich war es recht ungemütlich. Der größte Teil der Mannschaften harrte gänzlich tatenlos der Dinge, die da kommen sollten. Im Orte selbst wurde eine Buchhandlung er öffnet, die übrigen etwa 30 Mann waren, wie gesagt, fast ohne Beschäftigung. Eine Anzahl anderer Kameraden war nach Na- mur und Charleroi geschickt worden, um zu versuchen, dort Buch handlungen zu eröffnen. Andere befanden sich noch wer weiß wo mit ihren Waren auf dem Rückmarsch. Die Mannschaften der beiden Valencienner Buchhandlungen waren mit Mühe und Not mit ihrem Waggon noch aus Valcnciennes herausgckommcn und befanden sich ebenfalls auf dem Wege nach Namnr. Der Versuch, wenigstens einige Zeitungs-Verkaufsstellen in der Ge- gcnd von Maubeuge aufzumachen, mißlang, weil infolge des völlig durcheinander geratenen Bahnvcrkehrs meist keine Zei tungen ankamen oder unterwegs gestohlen wurden. Das letzte Stündlein des Feldbuchhandels hatte geschlagen; auch beim Oberkommando herrschte offenbar Ratlosigkeit und Verwirrung. Übrigens wird es die Firma Velhagen L Klasing interessieren, daß eines Nachmittags ein großes Lastauto der Nachrichten-Ab teilung vorfnhr, das vollständig mit Velhagen L Klasings Mo natsheften beladen war. Die Hefte waren vermutlich von der Firma 1914 oder 1915 für die Soldaten in den Schützengräben geschenkt worden, aber nicht dorthin gelangt. Jetzt, wo man jede Fahrgelegenheit zum Rückzug dringend brauchte, wurden die Hefte sinnlos spazieren gefahren. Inzwischen brachte die Antwort Wilsons auf die Note des Prinzen Max große Enttäuschungen, und immer unerquicklichere, oft unglaublich unsinnige politische Gespräche wechselten im Kameradcnkreise. Während jedem Vaterlandsfreunde das Herz wehtun mußte, fand man vielfach nur Schadenfreude über den nach den vielen Opfern jetzt so tragischen Stand der Sache unseres Vaterlands. Nachdem man vier Jahre auf allen Fron ten umhcrgeworfen, stets in Dreck und Schmutz und von vielfältigen Gefahren umgeben gewesen war, hatten schließlich die Enttäuschung über den Fehlschlag der großen Offen sive und das abermalige Schwinden der Fricdenshoff- nungcn bei unseren tapferen Truppen eine erklärliche große Kriegsmlldigkeit hervorgcrufcn. Die schlechten Ernährungs- Verhältnisse, der geschickte Papierfeldzug des Feindes, die nicht wegzuleugnenden Ungerechtigkeiten, die vielen Drückeberger in Deutschland, die sich bereicherten, während man an der Front Leben und Gesundheit dem Vaterland zum Opfer brachte, zei tigten immer größere Unzufriedenheit, die, von gewissenlosen Elementen in Deutschland unausgesetzt geschürt, schließlich zur Zermürbung und Zersetzung des ehemals so stolzen deutschen Heeres führte. Zu Hunderten und Tausenden trieben sich Sol daten aller Waffen auf den Bahnorten hinter der Front umher; die Züge hatten tolle Verspätungen, und die auf der ganzen Welt angestaunte deutsche Organisation war im Begriff sich aufzulösen. Ende Oktober siedelten wir nach Namnr iiber, von wo ans am I. November folgendes Rundschreiben an die Verleger und Lieferanten verschickt wurde: In Namnr strömten jetzt nach und nach sämtliche zum Fcld- buchhandel der 2. Armee kommandierten Mannschaften zusammen. Dem Untcroffizicr W. von der Valencienner Buchhandlung war es mit vieler Mühe gelungen, ein Haus in einer Nebenstraße 53 6 in Namur zur Eröffnung eines Ladens ausfindig zu machen. In dem kleinen, zugleich als Eßzimmer dienenden Raume hinter dem Laden wurde auch die Schreibstube des Lagers, so gut es gehen wollte, aufgeschlagcn. Für das Lager stand «in leeres Haus in der Nähe der Kommandantur zur Verfügung. Hier wurden die Bücher- und Warenkisten der zurückgezogenen Ver kaufsstellen im Beisein der betreffenden Feldbuchhändler nach- geprllft und wieder verpackt, nm dann gesammelt in Waggons nach Deutschland zurückbefördert zu werden. Die meisten Mann schaften waren im gleichen Gebäude eng gedrängt auf Stroh- säckcn untergcbracht. Infolge der mäßigen Quartiere, der un befriedigenden Beschäftigung, und weil eine Ablösung der meisten Mannschaften zu ihren Ersatztruppenteilen verfügt war, herrschte durchweg schlechte Stimmung, und die Wahrung seiner Autorität machte dem darauf sehr bedachten damaligen Kom- mandofllhrer täglich neue Kümmernis. Das Leben in Namur war dagegen recht abwechselungsreich. Die am Zusammenfluß der Sambre und Maas liegende Stadl mit ihrer Zitadelle bot wunderschöne Spaziergänge, die man allerdings infolge der auch hier jetzt beginnenden unangenehmen Fliegertätigkeit'mit Vorsicht genießen mußte. Das Straßenlcben war überaus lebhaft, die zahlreichen Wirtschaften und Cafes stets gefüllt, in den Läden der Fleischer und Konditoren gab es alles, was das Herz begehrte, zu verhältnismäßig niedrigen Preisen. Inzwischen wurde die Disziplin unserer Truppen immer lockerer, auch auf dem Bahnhöfe Namur wurden große für die Front bestimmte Proviant-Transporte völlig ausgeplün dert. Die feindliche Fliegertätigkeit wurde täglich unange nehmer, und noch in der letzten Nacht vor dem Waffenstillstand wurden am Bahnhof Namur durch zahlreiche Bombenwürfe große Verwüstungen angerichtet. Am ll. November mittags 10,55 wurde der Waffenstillstand durch drei Kanonenschüsse be kanntgegeben. So schwer dieser unglückliche Abschluß des Krieges auch auf den bei ruhigerer Überlegung bleibenden Gemütern lag, so wird doch kaum jemand darunter gewesen sein, der nicht für Augen blicke wenigstens ein Gefühl der Erleichterung »ach diesen Tagen unerträglichster Spannung empfunden hätte. Daß es zu so schweren Umwälzungen kommen würde, kam uns noch nicht in den Sinn. Die meisten ließen sich gänzlich von den Ereignissen treiben, und es setzte jener disziplinlose Rückmarsch ein, der so große wirtschaftliche Verluste an Heeresgut und Lebensmitteln zur Folge hatte. Ein geradezu riesiger Rllckzugsverkehr wogte Tag und Nacht über die große Maasbrttcke bei Namur. Da unsere Waggons, soweit sie nicht der Plünderung an- heimgefallen waren, mit Begleitern nach Deutschland rollten, er hielten wir sämtlich Erlaubnis zum Heimmarsch. Bei wunder barem Wetter traten wir, eine Gesellschaft von sechs Kameraden, unsere Rückfahrt am 12. Novcmcbr mittags an und fuhren mit dem Maasdampsschiff von Namur über Huy bis vor Lüttich, wo wir übernachteten, überall wehten von den zahlreichen Dampfern die bunten belgischen Flaggen und die der Entente; nur die deutschen Schiffe fuhren mit roten Wimpeln. Die bel gische Bevölkerung war in lebhafter Feststnnmung. Auf den an beiden Ufern der Maas sich hinziehenden großen Heerstraßen strebte eine unaufhörliche Menge von Reitern, Radfahrern, Fuß gängern, Autos, Wagen und Lokomobilen im buntesten Gemisch der deutschen Grenze zu. überall, und zweifellos mit voller Ab sicht wurde die angeblich bestimmte Nachricht unter den Truppen verbreitet, daß die feindlichen Armeen mit unseren Heeren überall gemeinsame Sache machten. Auch die englische Flotte sollte die gleiche Absicht durch Funkspruch zu erkennen gegeben haben. Diesen Gerüchten wurde bei den Soldaten fast überall Glauben geschenkt. Am anderen Nachmittage gelang es uns, in einem nach Deutschland abfahrendcn Zuge uutcrzukommcn, und am 14. No vember vormittags trafen wir in Aachen ein. Hier erfuhren wir aus den uns nach mehreren Tagen zum erstenmal wieder zu Gesicht kommenden Zeitungen erst die ganze Schwere der unser armes deutsches Vaterland heimsuchenden erschütternden Er eignisse.
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