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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.06.1919
- Strukturtyp
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- 1919-06-19
- Erscheinungsdatum
- 19.06.1919
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Redaktioneller Teil Büchernot und Bücherpläne in Ungarn Von Vsrlagsbuchhändler Walter Thielemann, Berlin. Im Gegensatz zu uns, wo täglich Literatur in Massen auf deu Markt gebracht wird und besonders seit den Tagen der November-Revolution eine Bücherproduktion beobachtet werden kann, die eben wegen ihrer Masse zu schwerwiegenden Folgen führen muß, befindet sich Ungarn augenblicklich in wesentlich anderer Lage, Wie aus einem in dem Pester Lloyd jetzt ver öffentlichten Artikel hervorgeht, sind in Ungarn allenthalben die Märkte der geistigen Nahrung fast leer, und es ist den dor tigen Buchhändlern ganz unmöglich, der Massennachfrage nach Büchern zu genügen. Diese gesteigerte Nachfrage nach Büchern ist in erster Linie darauf zurückzufllhren, daß während der Kriegsdauer die Zufuhr von Büchern verhältnismäßig gering war, dann auf das Bedürfnis, die nunmehr der Zcnsurscsseln ledige Wahrheit über den Krieg kennen zu lernen, und schließlich auf die durch die Sozialisierung und Zentralisierung der kommu nistischen Regierung geschaffene Lage, Die Umschaltnng der Kriegswirtschaft auf die Friedenswirtschaft und die ausblci- bende Auffrischung der Industrie durch Rohmaterial verur teilten viele zur Untätigkeit, und diese Gruppe wurde um jene Gebildeten vermehrt, die infolge Schließung der Kaffeehäuser, des unfreundlichen Wetters der letzten Wochen und der Ein schränkungen des Stadtverkehrs wieder zu Büchcrliebhabern wurden. Ähnliche Anlässe wie bei uns: das Bedürfnis, nach den fin steren Jahren des Weltmordens und der Weltzerstörung wieder ein Buch zur Hand zu nehmen, das Interesse an den Schriften, die sich mit der Lösung sozialer Probleme befassen, die Mitarbeit am Neubau der Gesellschaft, die Unkenntnis der sozialistischen Literatur, das Nichtvertrautsein mit ihren Fachausdrücken, die mit einem Male die Öffentlichkeit beherrschen, führten zu einer großen Nachfrage nach Büchern, und da die Buchhändler auf dieses stürmische Begehren nicht gerechnet hatten, sind die heu tigen leeren Buchläden Ungarns verständlich. Hier kam aber noch etwas anderes hinzu. Das Kapital entdeckte Plötzlich die Bücher als eine brauchbare Anlage, und bei dem Mangel an allem Käuflichen sowie bei der fortschreitenden Entwertung des Bargeldes und der Unmöglichkeit, es produktiv zu verwenden, kam man auf der Suche nach einem materiellen, realisierbaren Gut auf die Bücherlager, Den Buchhändlern konnte dies nur recht sein; sie verstanden es, die günstige Konjunktur nach Mög lichkeit auszunutzen, und bedauerten es nur, daß ihre Vorräte zu schnell zur Neige gingen und sie keine Gelegenheit sahen, ihre Bestände aufzufrischen. Die Kaufwut der Bücherhamster, bekanntlich ja auch in Deutschland in der letzten Zeit keine unbekannte Erscheinung, ist an sich erfreulich, aber sie hat neuerdings in Ungarn einen Grad erreicht, der unter den gegenwärtigen Umstünden sozial schädlich wirken inußi Die Kulturpolitik der Räterepublik hat von vorn herein eine großzügige Neuordnung des gesamten Bibliotheks wesens in ihr Programm ausgenommen. War doch das Biblio thekswesen ein besonderes Stiefkind des Kapitalismus gewesen. Da Volksbibliotheken und Lesehallen in Ungarn so gut wie gar s nicht vorhanden waren, Leihbibliotheken und Verlagsanstalten ! zum größten Teil kapitalistische Unternehmen sind und schließ- ! Uch die deni Durchschnittsgeschmack des lesenden Publikums und seiner Sensationslust entsprechenden Bücher oft unter möglichster Ausbeutung des Verfassers auf den Markt gebracht wurden, während sozial wertvolle Manuskripte selten sich den Weg in die Öffentlichkeit bahnen konirten, versäumte es der kommu nistische Staat nicht, hier helfend einzugreifen. Dieses Bestreben ist begreiflich, denn er ist an dem geistigen Höchststand seiner Mitglieder ebenso interessiert, wie es der kapi talistische Staat an ihrem Tiefstand war. Er hat als höchste Instanz einen zentralen Bibliotheksrat ins Leben gerufen und ihn beauftragt, die vorhandenen öffentlichen Bibliotheken aus zubauen, reiche, aber wenig benutzte Büchersammlungen von Vereinen, Privaten usw. zu sozialisieren, das heißt zu kata logisieren und der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Ferner wurde ihm die Schaffung neuer, entsprechenddezentralisierter Lese- und Buchleihstätten durch Verteilung und Vereinigung vorhan denen Büchermaterials übertragen. So anerkennenswert auch dieses Bestreben ist, die Ausführung der Pläne scheitert an dem geringen Bestand an Büchern, den Ungarn heute aufweist. Bei der augenblicklichen Knappheit der Bücherbestände muß nach dem Grundsatz verfahren werden, daß das Vorhandene möglichst vielen nutzbar gemacht werde. Darum ist in diesen Tagen die Sperre der Buchhandlungen verfügt worden. Die Lager werden inventarisiert, die zur Einrichtung der beabsichtigten Büchereien benötigten Bücher zurückgestellt und der Rest zum Verkauf frei- gegeben, Bis dann die Grenzen wieder offenstehen und der regelmäßige Bücherverkehr wieder beginnt, kann von einer zen tralen Stelle, die ganz genau den gesamten Bücherbedarf des Landes kennt, die Bücherbeschaffung aus dem Auslande in An griff genommen werden, wobei es der Valuta so sehr wie der Erziehung des Lesepublikums zugute kommen wird, wenn nur wertvolle Erzeugnisse des Büchermarktes zugelassen werden. Ob alle diese Pläne in der Wirklichkeit sich so durchführen lassen werden, wie man hofft, wird abzuwartcn sein. Und ob schließlich auch diese Zwangsbcwirtschaftung einer geistigen Ware für die Gesamtheit von Vorteil sein wird, ist eine sehr strittige Frage, Über den literarischen Wert, sowie die künstle rische und wissenschaftliche Bedeutung der Schriften entscheidet ein Presscdirektorium, das die Räterepublik aus den ersten Schrift stellern und Gelehrten des Landes zusammcnberufen hat. Es hat sowohl über den Vertrieb der Bücher als auch über den Ver lag der neuen Bücher zu entscheiden. Auf diese Weise hofft man ganz energisch die Schundliteratur bekämpfen zu können und die Gesellschaft von der Vergiftung durch allerlei verdummende und unsittliche Presserzeugnisse zu befreien. Im Verein mit den Leistungen der neuen Schulen und Theater glaubt man so eine großartige Volkserziehungsarbcit leisten z» können. An diesen Absichten der ungarischen Regierung wird der deutsche Buchhandel nicht achtlos vorübcrgchen können, denn sicherem Vernehmen nach scheint man in Ungarn an einem wei teren Ausbau des einmal Angeregten ernsthaft zu arbeite». Der Pester Lloyd schreibt zum Schluß sehr richtig: »Wie alle prole tarischen Ideale, so gewinnt auch das der Bibliotheksreform und der Neugestaltung des Buchwesens überhaupt erst seine ganze öOl
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