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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.01.1927
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- 1927-01-11
- Erscheinungsdatum
- 11.01.1927
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8, II. Januar 1927. Redaktioneller Teil Börsenblatts, d. Dtschn.Buchhandel. tllchtigkeit zeugenden Machwerken selbst die, die von ernstem Vcrständ- niswillen beseelt waren, abstieh, oder verständnislose, aus jeden Fall für das Neueste begeisterte Kreise mit ihren chaotischen Anschauungen um den letzten Rest von Urteilssähigkeit brachte. So wird es denn heute charaktervollen Künstlern, auf denen die Zukunft der deutschen Literatur beruht, schwer, sich durchzusetzen und mit ihrem Wollen in größeren Kreisen ihres Volkes, sllr das sie schassen, ein Echo zu finden, das auf ihre Entwicklung rückwirkend von unschätzbarem Einflüsse sein müßte, dessen sie bedürfen, um zur end lichen Reise und Vollendung zu gelangen. Der Weg des Volkes zu feinem Dichter und der des Dichters zu seinem Volke ist versperrt i es bedarf der Pioniere, ihn sretzumachen. Hierin läge die dritte Aus gabe der Leseabende. Noch eins ist hiuzuzufiigen: Bei aller innerhalb der Lcseabende geforderten und auch eingestandenen Berücksichtigung unseres gegen wärtigen Literaturgutes von Bedeutung ist es unerläßliche Pflicht, durch die Erinnerung an die letzte Vergangenheit im literarischen Leben aus die Förderer und Wegbereiter des jüngsten Schrifttums und ihre Vertreter hinzuwetsc». Hier gilt es, dem sich feiner kultu rellen Aufgaben bewußten Buchhändler in seinem verantwortungs vollen Kampf an die Sette zu treten und Brücken schlagen zu helfen in die Breite eines Publikums, das sich ernsthaft um die kulturellen Werte im literarischen Kunstwerk bemüht. Solche Pionierarbeit zu leisten ist Pflicht der Deutschen Leseabende. In ihrer Vermittlerrolle sollen sie durch leitende Einführungen und lebendigen Vortrag die Bedingungen schaffe», unter denen die Kräfte der geistigen Erneuerung, in deren Zeichen das Jahrhundert steht, fruchtbar werden können im Dienste der modernen Bildungs- und menschheitlichen Erziehungsideale. * » * Wie stark das Bedürfnis nach solchen Veranstaltungen ist, und wie gut sich die Leseabende der Ratsbuchhandlung-Greifswald in der Zeit ihres Bestehens eingeführt haben, beweist ihre wohlwollende Auf nahme seitens der lokalen und provinziellen Presse und darüber hin aus die stets wachsende Teilnehmerzahl ihrer Besucher, die den Lese- raum der Buchhandlung bis auf den letzten Platz anzufllllen pflegt. Im voraus muß noch bemerkt werden, daß diese Leseabende neben den Autoren-Abenden der Greifswalder Gesellschaft für Literatur und Kunst bestehen, deren Programm im allgemeinen nur Vorlesungen der Autoren selbst aus ihren Werken vorsteht und naturgemäß nur eine beschränkte Anzahl von Schriftstellern zu Worte kommen lassen kann. Der Rahmen nun, in dem solche Veranstaltungen stattzufinden haben, kann nicht gleichgültig sein. Um dem gestellten Thema dieser Abende nach innen wie nach außen die notwendige Wirkung durch eine wohl abgetönte Geschlossenheit zu geben, ist mancherlei zu beachten. Und hier befindet sich die Ratsbuchhandlung vielleicht mancher anderen gegen über im Vorteil. Die nach geschmackvollen Zeichnungen umgebauten Räumlichkeiten geben mit ihren schlichten und hohen Bücherwänden die für die Lesestunden erforderliche Grundstimmung an wohltuender Wärme und charaktervoller Intimität. Im einzelnen wird für die individuelle Ausgestaltung der jeweiligen Abende nachdrllcklichst Sorge getragen: so las man Rilke im Spätfrühjahr in reichlichem Schmuck zartduftenden Flieders; Lienhards kraftvoll männliches dichte risches Ethos wurde unter dem farbigen Glühen bunten Herbstlaubes vorgetragen: der literarische Weihnachtsabend, Volks- und Kunst märchen, erhielt durch Tannengrün und Kerzenglanz die rechte weihevolle Stimmung; eine Romantiker-Feier, zu der der einheimische Caspar David Friedrich und der große pommersche Ro mantiker, der Malerdichter Philipp Otto Runge gewählt waren, fand in warmer Sommernacht bei dem Scheine stimmunggebender Wind lichter aus dem alten romantischen, weinumrankten Hof der Rats buchhandlung statt, der mit seinen Winkeln und dem eingeengten Blick auf die Nachbardächer und den hohen Giebel der altehrwürdigen Nikolaikirche einem Gemälde Spihwegs gleicht; eine Klopstock -Ge dächtnis - Feier wurde in Verbindung mit geistlicher Abend musik in der Nikolaikirche selbst abgehalten. Geleitet von der Erkenntnis, welch schönen Akkord der Zu sammenklang der beiden Schwesterkünste, Dichtung und Malerei, zu geben vermag, getragen von dem Gedanken, Laß dem stillen und andächtigen Lauschen gern ein kunstfreudiges Schauen folgt, wurde mit einer ganzen Reihe von Leseabenben eine Ausstellung moderner Malerei im Kunstraum der Buchhandlung verbunden. Auch hier war man stets bemüht, dem vorgelesenen Dichter einen konformen und stimmungsverwandten bildenden Künstler an die Seite zu stellen, um das Werk des einen durch die plastische Gestaltung des anderen gebührend zu ergänzen. Am besten gelang das wohl am Leseabend anläßlich des 60. Geburtstags Friedrich Lienhards, zu dessen lite rarischer Feier Fidus sine beträchtliche Anzahl von Originalen bei- ^40 gesteuert hatte. Malerdichter wie Ernst Barlach, Max Dau thendey und Caspar David Friedrich fanden durch eigene Originale naturgemäß ihre vollwertigste Ergänzung. Damit wären Rahmen und Hintergrund der Lcseabende kurz skizziert. Die wichtige Frage der Vorleser bleibt noch zu erörtern. Auch hierin mag Greifswald als Universitätsstadt mancher anderen gegenüber im Vorteil stehen. Unter den Angehörigen einer Uni versität ist es gewiß leichter, mit den notwendigen sprechtechnischen Stimmitteln begabte und sprachgeschnlte Verehrer und Kenner der deutschen Literatur zu finden als in anderen Kreisen. Herrn W. Klein, dem Inhaber der Natsbuchhandlung, gelang cs, für die Ausführung seiner Idee für die ersten Lcseabende »zwei talentierte Greifswalder Studenten, Barthel und Krienitz« (wie es in einer Besprechung der Stettiner Abendpost hieß), zu gewinnen, denen sich bald begeisterte Kunstfreunde aus der Stadt und sogar Dozenten der Universität als Vorleser anschlossen. Wohlgemerkt als V 0 rlese r. Denn von vornherein war man sich bewußt, daß durch die ausdringliche Art und Weise des Vortrags, wenn nicht fach- und kunstgemäß aus- ge'führt und von den Qualitäten eines geborenen VortragskUnstlcrs getragen, vieles, wenn nicht alles verdorben werden kann. Infolge dessen wählte man die schlichte und von jeglichem Pathos befreite Art des Vorlesens, der sine kurze biographische Einleitung über den Dichter und eine leichtverstänöliche, das Schaffen charakterisierende Einführung voranzugehen pflegt. Die Lesung selbst gibt Teile eines größeren oder großen Werkes oder ein geschlossenes kleineres oder eine sorgfältig gewählte, das Gesamtschaffen beleuchtende Auswahl. Der so beschnittene Weg erwies sich als gangbar; zahlreiche und auch treue Anhänger hat sich die Ratsbuchhandlung mit diesen Abenden erworben; die ersten Bausteine zu dem festen Gefüge einer festge gründeten Lesegemeinschaft sind gelegt. Innerhalb von 11-4 Jahren kann die Buchhandlung mit 25 Leseabenden bereits auf. das erste Jubiläum ln der Reihe dieser Veranstaltungen zurückblicken. In wieweit es nun gelungen ist, dem gesteckten Ziel näher und näher zu kommen, die Frage mag durch eine knappe Übersicht über die ersten 25 dlbende erhellt werden. Begonnen wurde am 4. Mai 1025 mit einem Rilke-Abend. Daran reihten sich in bunter Folge, doch nie mals wahllos, auf Ablösung ln der Reihe der Vorleser und der sich ans ihrer individuell verschiedenen Veranlagung ergebenden Abwechse lung bedacht: Hermann Hesse, Kasimir E ö s ch m i d, eine Kl 0 p - stock-Feier. Detlev von Lillencron, Ricarda Huch, C. F. Meyer. Friedrich Lienhard, Franz Werfel, Thomas Mann (Zauberberg), Volks- und Kunstmärchen, Gerhart Haupt mann (alS Dramatiker mit seinem »Velanö«), Adolf v. Hatzfeld. Hugo v. H 0 f m a n n s t hal, Herbert Eulenberg, Erwin G. Kolbknheyer. Christian Morgenstern, Stefan George. Ernst Barlach. Arno Holz, ein Romantiker-Abend. Albrecht Schaeffer, Max Dau thendey, Walter Fl er und Wilhelm Busch. Was diese Abende bezwecken, kann dem aufmerksamen Leser der prinzipiellen Einleitung unseres Aufsatzes nicht verborgen geblieben sein: Propaganda-Abende wollen sie sein für den charaktervollen und ernst-strebsamen Künstler und sein Werk. Werbeabenöe für das ge schmackvolle, gute und gediegene literarische Kunstwerk, dem sich ja der verantwortungsvolle Verleger und Buchhändler von altersher ver pflichtet hat und stets verpflichtet fühlen wirb; freilich eine Propa ganda, eine Werbung im Dienste hoher kultureller Aufgaben, die nicht mit der landesüblichen Reklame verwechselt oder gar nach dem Muster amerikanischer marktschreierischer und propagandistischer Macht- und Zugmittel gehandhabt werden darf. Je höher das Ziel, desto länger die Zeit, desto schwieriger der Weg. die es erreichen lassen. So ist denn die Lösung einer derartig hohen Aufgabe, wenn wir das Kauf männische und den realen Erfolg noch in Erwähnung ziehen wollen, zunächst mit erheblichen Unkosten verknüpft. Denn es ist unbedingt notwendig, daß im Interesse des zielbewussten Strebend in derartigen Unternehmungen, um einen möglichst breiten Kreis Interessierter zu gewinnen und ihnen den regelmäßigen Besuch der Abende zu er möglichen — denn sie stehen ja unter dem Zeichen der Gründung von Lesegemeinschaften, die sich für das gute Buch nachher unbewußt und ungewollt einsetzen sollen, — baß diese Abende als »offene Leseaben-e« unentgeltlich abgehalten werden und damit auch in der Tat jedermann zugänglich gemacht sind. Wichtig ist aus diesem Grunde auch sin fester Termin für solche Unternehmungen, — die Natsbuchhandlung wählte den Montag, an dem regelmäßig in Ab ständen von 14 Tagen bis 3 Wochen gelesen wird. Gewiß sind die Weichekosten nicht gering (vornehm ausgeführte Reklame, gelegentlich zu besonderen literarischen Gedenktagen und -feiern durch geschmack-
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