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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.07.1908
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1908-07-17
- Erscheinungsdatum
- 17.07.1908
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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7746 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 164, 17. Juli 1908. sicher wäre, auf jeder Landesbibliothek die ganze Fülle der kost baren Tagesliteratur aufgespeichert zu finden, die dort nicht wäre, wenn sie hätte angeschafft werden müssen, statt unentgeltlich da hin zu gelangen, und die ihm ein unentbehrliches Element seines Studiums und seiner Forschung bietet. Nehmen Sie den Antrag Brockhaus an, so wird sich der künftige Erforscher der Geschichte und Kultur des heutigen Deutschen Reiches viel ungünstiger ge stellt sehen als der heutige Erforscher des Phantasiereiches vom Jahre 1848—1849. Es könnte der Fall eintreten, daß z. B. der Herr Abgeordnete Brockhaus selbst in seiner Eigenschaft als Ver leger nach fünfzehn oder zwanzig Jahren auf den Gedanken käme, die Herausgabe einer umfassenden kulturpolitischen Ge schichte des Deutschen Reiches zu unternehmen, und wenn er dann einen oder den anderen deutschen Gelehrten darüber fragte, so würde ihm der antworten müssen als gewissenhafter Mann: »Durch die Quellenüberlieferung dieser Epoche geht eine breite klaffende Lücke, unzählige charakteristische Erscheinungen der Tagesliteratur, besonders die Organe der extremen Parteien, für die unsere Bibliothekare kein Geld und keinen Raum gehabt haben, sind gänzlich untergegangen, nnd das kommt davon her, daß im März 1874 auf Ihren Antrag der Deutsche Reichstag eine Einrichtung geschaffen hat, um die wir jetzt das vormärzliche Deutschland beneiden müssen«. (Sehr richtig!) Zweitens, meine Herren, eine andere Gattung von Literatur, um deren Sammlung und sichere Aufbewahrung es sich hier handelt, umfaßt jeue wissenschaftliche» Arbeite», von denen die Bonner Petition gesprochen hat, jene wissenschaftlichen Ar beiten, die in einem für ihre Verbreitung ungünstigen Augen blicke erscheinen. Steht der Inhalt einer wissenschaftlichen Arbeit in schroffem Widerspruche mit einer mächtigen herrschenden Zeitmeinung und kommt dieser Widerspruch in der Presse zur Sprache, dann ist keine Gefahr ihres Untergangs, denn dann sorgen die Gegner für die nötige Reklame, und sollte hier und da ein einzelner Bibliothekar nicht den Mut besitzen, dem Stirn runzeln eines akademischen Machthabers zu trotzen, würden sich andere Bibliothekare gewiß finden, die den nötigen Mut hätten, die Schrift anzuschaffen. Aber, meine Herren, wenn der Ge dankengang einer solchen Schrift gar nicht hineinpaßt in die herrschende Gedankenströmung, gar nicht anknüpft än den Rahmen des Gültigen, dann bleibt die Schrift eben ganz unbeachtet, sie wird nicht besprochen, verschwindet aus dem Buchhandel, und der Verleger verkauft schließlich den unverbesserlichen Laden hüter als Makulatur. Nun kommt dieser Fall ziemlich häufig vor: man kennt Arbeiten genug, die anfangs gänzlich unbeachtet geblieben sind, deren Wert erst nach zehn oder zwanzig Jahren durch einen Zufall entdeckt worden ist; das Schicksal begegnet insbesondere den Vorläufern solcher Geister, die im günstigen Augenblicke einer bahnbrechenden Wahrheit zum Siege ver helfen, die vielleicht Jahre und Jahrzehnte nach einem ganz bescheidenen Maße von Beachtung gerungen und es nicht ge funden hat. Dieser Art Literatur — und in der Bonner Petition finden Sie ein Beispiel angeführt, es ist das von den Vorläufern Darwins und ihren Schriften, die wir jetzt vergebens suchen — schaffen Sie einen sicheren Aufbewahrungsort, und ich bitte Sie, berauben Sie dieses Aufbewahrungsortes diese Literatur nicht! Endlich, meine Herren, auch die Belletristik kommt in Frage. Für sie hat man in unseren Bibliotheken keinen Pfennig übrig, und ihre Aufbewahrung ist für den künftigen Erforscher der Kultur unserer Zeit von großer Bedeutung. Sie umfaßt die Denkmäler, aus denen man die Sitten und die Denkweise, die Geistes- und Geschmacksbildung einer bestimmten Epoche am unmittelbarsten studiert, und wird um so bedeutungsvoller jetzt, als alle großen politischen, kirchlichen und sozialen Grundrichtungen unseres öffentlichen Lebens auch auf dieses Gebiet ihren Tummelplatz verlegt haben, den sie mit steigendem Eifer betreten. Das, meine Herren, sind die drei Gattungen von Literatur, deren Sammlung und Aufbewahrung ich durch nichts anderes verbürgt sehe, als durch die pflichtmäßige Ablieferung von Frei exemplaren an die Landesbibliotheken, wie sie im größeren Teile von Deutschland, wie sie in Österreich, Frankreich und England in umfassender Weise besteht. Was nun meinen Antrag angeht, meine Herren, so werden Sie, da ich als entscheidenden Gesichtspunkt die Aufbewahrung der Literatur vorangestellt habe, verstehen, weshalb ich im ersten Satze verlange, daß diese Auflage gemeinsam geleistet werde durch den Verleger und den Verfasser; denn es haben beide ein gemeinsames Interesse daran. Ich denke mir das so: wenn der Satz angenommen wird, so hat jeder Verleger das Recht, über diesen Punkt eine besondere Bestimmung im Verlagsvertrage aufzustellen und dort, wo zwei Freiexemplare verlangt werden, dem Verfasser eines abzuverlangen von den Freiexemplaren, die ihm zukommen, wo eines verlangt wird, ihm die Hälfte zu berechnen. Schließlich habe ich die Prachtwerke mit Abbildungen aus genommen, nicht bloß deshalb, weil hier die Herstellungskosten sehr häufig so bedeutend sind, daß die Ablieferung von einem oder zwei Freiexemplaren den Verleger um einen großen Teil, wenn nicht um seinen ganzen Reingewinn bringt, sondern aus dem prinzipiellen Grunde, weil, was solchen Prachtwerken ihren charakteristischen Wert verleiht, eben nicht dem Buchhandel und dem Buchdruck, sondern der Kunst angehört. Mein Antrag wird, falls er angenommen werden sollte, die Agitation gegen die Freiexemplare entwaffnen; denn er wird den Beschwerden Abhilfe schaffen, die bis jetzt mit ziemlichem Erfolge geltend gemacht worden sind; er wird vielleicht auch ein Beispiel geben, um in den Ländern, wo die pflichtmäßige Ablieferung der Freiexemplare gesetzlich abgeschafft ist, den beteiligten Kreisen zu zeigen, auf welchem Wege sie im Interesse der Aufbewahrung der Literatur, an der sie selber beteiligt sind, diese Ablieferung durch Selbsthilfe wieder einführen können. Meine Herren, ein ganz kurzes Wort zum Schlüsse. Die Einrichtung, um die es sich hier handelt, ist entstanden in einer Zeit und ist aufrecht erhalten worden ohne Klage von einer Gene ration, der es sehr zweifelhaft sein konnte, ob die Überlieferung ihres ziemlich geschichtslosen Daseins sich eigentlich verlohne, in einer Zeit, wo gar mancher begabte Kopf gedacht haben mag wie jener große Athener, der die Dienste eines Gedächtniskünstlers mit den Worten von der Hand wies: »Lehre mich vergessen, dann will ich dein Schüler sein; in der Kunst des Behaltens bin ich stark genug.« — Heute, meine Herren, steht es anders, heute, wo wir alle Ursache haben, uns zu schulen in der Kunst des Be haltens, und zwar in jedem Sinne dieses vieldeutigen Wortes, wo es uns darauf ankommt, daß unser Volk nicht allzu rasch ver gesse, was eine Nation groß und mächtig und einig macht, heute werden Sie einen Beschluß nicht fassen wollen, der wenig stimmen würde zu der ernsten Sorge, die wir den großen öffentlichen Interessen zuzuwenden haben, und unter diesen großen Inter essen ist eins der größten die Wissenschaft von unserer eigenen Geschichte in einem Zeiträume, wie er bedeutungsvoller und inhaltreicher noch gar nicht erlebt worden ist. Deshalb, meine Herren, bitte ich Sie, meinen Antrag an zunehmen, — wenn Sie aber das nicht wollen, zum mindesten mit möglichst großer Mehrheit den Antrag Brockhaus abzulehnen und es dann bei dem alten zu lassen. (Lebhafter Beifall.) II. Rede des Abgeordneten Or. Brockhaus. Meine Herren! Ich betrete die Tribüne auch nur, dem Beispiel meines Vorredners folgend, aus Rücksicht auf das Hohe Haus, weil es unmöglich ist, von meinem Platze aus überall verstanden zu werden. (Bravo!) Nun gestatten Sie mir, mit einer ganz kurzen persönlichen Bemerkung zu beginnen. Ich habe den Antrag, der Ihnen vorliegt, gestellt, nicht
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