1956 Börsenblatt s. d. Dcschii. Buchhandel. Fertige Bücher. 52, 4. März 1914. Deutsche Staatsmänner und Künstler im Arteil der Engländer Für die Erkenntnis völkischer Gegensätze ist es lehrreich, zn verfolge», wie die Leldrn des einen von dem andern beurteilt werden. So erfahren wir mit Interesse aus den Ausführungen des Berliner Anglisten Alois Brandl im Märzheft der „Deutschen Rundschau", wie die Eng länder über unsere großen Männer denke»: Trotz aller Schätzung habe» Dürer und Richard Wagner, auch Lessing keine tiefere Liebe zu erwecken gewußt, während Luther zu den populärsten Gestalten auch in England gehört. Schiller kommt über Achtungserfolge nicht hinaus, während der Eng länder in Goethe die hervorragendste und zusagendste Er scheinung im deutschen Geistesleben sieht Friedrich der Große hat unter den politischen Leide» den Vertritt; daß Macaulay gegen ihn, Carlyle für ihn plädierte, ist eine ümstimmigkcit, die seine Bekanntheit nur vermehrt hat. Frischer, wärmer, aber auch geteilter ist die englische Vor stellung von Bismarck. Mit einigem Grauen faßt man den „Mann von Blut und Eisen" ins Auge; der furchtbare Winterfcldzug von 1870/71, über den die englischen Zei tungen Tag für Tag sensationell berichteten, steigt de» Leuten in der Erinnerung auf, und die verdrehte Depesche von Ems läßt den deutschen Staatsmann als Anstifter erscheinen. Äber den Anekdoten von Brriskhcit, mit der er gewisse Abgeordnete behandelte, vergißt man es, daß er Deutsch land ein allgemeineres Wahlrecht verschaffte, als es Groß britannien Halle und noch hat. Daß er vor der Kaiserin Friedrich in Kanoncnstiefcln sich einstclltc, wird über Ge bühr aufgebauscht Wie ein Kuriosum hört man cs an, daß der Lüne vom Sachsenwald für englische Art, Sprache und Dichtung clwas übrig halte. Sein Werk, die Schaffung einer deutschen Vormacht in Mitteleuropa, hat de» briti schen Staatslcnkern zu viele Verlegenheiten gebracht, brennt durch die wirtschaftlichen Folge» noch heute jeder britischen Familie so fühlbar auf die Finger, steht überhaupt als etwas so LInhcimliches da, daß von Popularität Bismarcks bei diesem politischen Volk nicht gesprochen werden kann. Trotzdem: sobald auf seine interessante Menschlichkeit die Rede kommt, auf seinen gesunden Lausvcrstand seine weit- blickende Geschicklichkeit, seine wuchtige Tatkraft, seine Treue gegen den König, seinen Lumor in den kritischste» Lagen, so bekommt man warme Worte der Bewunderung zu hören, und wird schließlich sei» Abgang erwähnt, so denkt jeder an Tcnniels meisterhaftes Bild im Punch „Ausschiffung des Lotsen", weil es dem persönlichen Schicksal des Gewaltigen ohne Aus- fälligkcit, ohne Scitenhicb, ja mit einem taktvollen Klomplimcnt für die selbständig gewordene Germania gerecht wird. Venno Erbmann, der bekannte Philosoph, hat in seiner in der Universität gehaltenen Kaisergcburtstagsredc den modernen Monismus einer scharfen, sachlichen Kritik unterzogen und übergibt jetzt seine Ausführungen, durch Belege und Erläutcrungc» vielfach erweitert, im März heft der „Deutschen Rundschau" der Öffentlichkeit. Über »nser gegenwärtiges Verhältnis zu den skan dinavischen Nationen spracht Franz Fromme in einer sehr beackncnswerten Studie. Gras Bay von Vaya und zu Luskod veröffentlicht Rciiccindrückc aus Mexiko, die gerade jetzt besondere Aufmerlsamkcit finden werden. Der Aufsatz Konrad VurdachS über de» Ursprung des Humanismus wird fortgesetzt. Über die Eroberung des Südpols spricht Otto Baschin, indem er den Erfolgen Amundsens den tragischen Ausgang der Scottschcn Linlernehmung gcgenübcrstcllt Von dem Roman Grazia Deledbas „Rohr im Winde" bringt das Lest den Schluß, von Georg Hirschfeld eine hübsche kleine Erzählung „Der Wettcrmachcr". Aus dem ungemein reichen Inhalt erwähnen wir ferner: Leine, Det mold, Christian!. Mit eingedruckten Briefen und einem Leincschen Brouillon. Von Friedrich Hirth. — Neues Leben auf dem Palatin. Von Ernst SteinMUNN. — Impressionismus. Von Georg Gronau. — Segantini. — Neue Briefe von Jakob Durckhardt. — Von Adolf Frey. — Ein neuer Schweizer Roman. Von Vernon Lee. —Bernhard Suphanund das Eoethe-Schiller- Archiv in Weimar. Von Wanda von Puttkamer. Bezugspreis der „Deutschen Rundschau" für das Vierteljahr: Vollheft-Ausgabe . . . . M. 7.50 Preis des einzelnen Heftes . M. 2.50 Halbheft-Ausgabe. . . . M 7 50 Preis des einzelnen Heftes . M. l.50 Verlag von Gebrüder Paetel (l)r. Georg Paetel), Berlin