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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.07.1878
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- Erscheinungsdatum
- 03.07.1878
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- Deutsch
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scheu Trinklieder „Sein Glück für einen Apfel geben." Oder: Ein formloses Bruchstück eines Bücherbretes, daran das Bruchstück einer Leiter gelehnt, worauf eine Katze emporklettert; der eine Arm der Leiter und drei auf dem Bücherbrete stehende Bücher bilden ungefähr zusammen die vier Balken eines lateinischen IV; das soll ein Initial sein zu dem Lessing'schen Epigramm: „Auf die Katze des Petrarch" — beiläufig, man denke: ein Initial zu einem Epigramm von vier Zeilen! Derartige grob naturalistische Scherze sind äußerst bequem zu zeich nen, schlagen aber den einfachsten Stilgesetzen ins Gesicht, denn sie zerstören den festen Rahmen der Columne und nehmen sich aus wie formlose Klexe, die irgend eine muthwillige Hand in den Text hinein gemacht hat; der Text hat die größte Mühe, dieser Formlosigkeit sich anzupassen. Wie ganz anders verfuhren die alten Meister! Vor allen Dingen kennen sie nur Initialen, die in ein Quadrat oder ein aufrecht stehendes Rechteck hineingezeichnet sind. Erst in der Zeit des Verfalls, am Ende des 16. und im 17. Jahrhundert, wird von dieser Regel abgegangen. Sie fühlten sehr fein, daß in dem festen Rahmen des Initials die scharfen Kanten des Letternkegels und die Randlinien der ganzen Columne wiederklingen müssen. Innerhalb dieses Rahmens entfalteten sie die blühendste Phantasie, aber immer wieder in den natürlichen Schranken stilistischer Gesetze. Auch hier gilt das Goethe'sche Wort: „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister." Vor allem bleibt der Buchstabe stets Buch stabe und will nichts anderes sein, er tritt als solcher hervor und ist die Hauptsache. Die Verzierung der Initialen, mag sie eine figür liche sein, wie in Holbein's berühmtem Todtentanzalphabet und in zahlreichen andern Alphabeten, in denen dralle Putten in der er götzlichsten Weise in den Balken der Buchstaben sich tummeln, oder mag sie aus bloßem Arabeskenwerk bestehen, stets ordnet sie sich dem klar und deutlich hervortretendenBuchstabenunter. Und mit welchem Geschick haben es diese Menschen verstanden, den Raum zu füllen! Mit erstaunlicher Sicherheit finden sie bei jeden: einzelnen der mannigfach geformten Lettern den Punkt oder die Punkte her aus, von welchen sie bei der Entwickelung des Ornaments aus zusetzen haben, und nun schmiegen sich die Arabesken so leicht und natürlich den Buchstaben an, daß schließlich alles wie gewachsen und von selbst geworden erscheint. Geradezu entzückend sind in dieser Beziehung die bei Butsch auf Tafel 97 und R. abgebildeten (französischen?) Initialen — ein vollständiges Alphabet —, die von einem nielloartigen Ornament in den graziösesten Linien um spielt werden. Das soll einmal heutzutage Einer nachmachen! Eine große Feinheit, auf die wohl noch kein Moderner wieder verfallen ist, bemerkt man auch an den alten Titeleinfassungen, die Butsch mittheilt. Viele derselben — nicht alle — sind nämlich so gebildet, daß die zur rechten Hand befindliche Randleiste breiter ist als die links befindliche, und ebenso die am Fuße breiter als die am Kopfe. Dieser Brauch findet sich nicht etwa bloß da, wo der Rahmen aus vier verschiedenen Stücken zusammengesetzt ist und wo man, wenn es nicht so unendlich oft vorkäme, versucht sein könnte, es als bloße Nachlässigkeit zu erklären, sondern ebenso oft auch bei Rahmen, die aus einem einzigen Stücke bestehen. Die Erscheinung erklärt sich wieder aus einer sehr richtigen Empfindung. Die brei tere Leiste rechts und unten soll offenbar ein Gegengewicht bilden gegen den breiteren Papierrand, den die Columne dort hat. Hat man das einmal nachgefühlt, so erscheint es einem schließlich so selbstverständlich, daß ein aus vier gleich breiten Stäben gebildeter Titelrahmen einem fast nicht mehr gefallen will. Endlich noch eins. Wir moderne Menschen sind bekanntlich sehr tiefe Denker, und zumal wir Deutschen. So begnügen wir uns denn nicht damit, uns an einer schönen Form zu erfreuen, son dern wir wünschen auch stets unfern Verstand dabei beschäftigt zu sehen. Leider führt uns dieser Wunsch in der Kunst auf die Abwege der Allegorie. Lessing hat schon vor hundert und zehn Jahren in seinem „Laokoon" die „Allegoristerei" in der Kunst bekämpft, aber vergebens. Wir stecken heute tiefer drin als je. Ist es doch unserer Zeit Vorbehalten gewesen, mit der Allegorie eine Kunst zu contaminiren, die man für alle Zeiten dagegen hätte gefeit halten sollen, die gute, edle Musik. Wagner's berüchtigte „Leitmotive", was sind sie anders als crasse Allegorien? Sie wollen nicht bloß Tonreihen sein, die das Ohr angemehm berühren, sondern man soll sich außerdem noch „etwas dabei denken", und hierin besteht ja eben das Wesen der Allegorie. Solch ein allegoristischer Zug geht auch durch unsere moderne Ornamentik. Man bemüht sich, das Ornament, wie man sagt, „in Beziehung zu setzen" zu dem Gegen stände, den es schmückt, den Zweck dieses Gegenstandes darin anzu deuten, und auch in die Bücherornamentik wird allerlei hinein- geheimnißt, was auf den Inhalt des Buches hindeuten soll. Nun soll diesem Bestreben nicht jede Berechtigung abgesprochen werden; es kommt sehr darauf an, wie es angefangen wird. Unser Sprach gebrauch macht einen feinen Unterschied zwischen symbolisch und allegorisch, und dem entspricht auch in der Kunst eine feine Grenze. Das Natürliche und Erträgliche in dieser Beziehung nennen wir symbolisch, das Gesuchte und Unerträgliche allegorisch. Ich will nicht fragen, ob in der Buchverzierung immer die hier angedeutete Grenze eingehalten wird; mir scheint es nicht so. Nur auf das Eine will ich Hinweisen, daß den alten Vorbildern auch dieses Streben sehr fern gelegen hat. Das Ornament der alten Meister will wei ter nichts sein, als ein reizvolles Spiel der Phantasie, das unser Auge erfreuen soll; „etwas dabei denken" sollen wir uns gar nicht. Im Gegentheil, mit einer Naivetät, die an Dreistigkeit grenzt, haben jene glücklichen Menschen die „Beziehungen" zwischen dem Ornament und dem Gegenstände, den es schmückt, ignorirt. Ich bin oft gefragt worden, wenn ich Jemandem gelegentlich einen alten Druck mit reich verziertem Titelblatt zeigte: „Was hat das zu bedeuten?" Nichts hat's zu bedeuten; all dies krause Figuren- und Arabeskenwerk will weiter nichts, als hübsch aussehen, das ist der ganze Zweck seines Daseins. Und von diesem zwecklosen Zweck möchte man wünschen, daß er auch unsrer Bücherornamentik wieder mehr und mehr vorschwebte. Nicht also um sie geistlos zu copiren, nicht um „Clichss davon zu bestellen", sondern um sie fleißig zu studiren und die uns abhan den gekommenen natürlichen Gesetze des Schönen wieder an ihnen zu erlernen, mögen die Tafeln von Butsch's „Bücherornamenten" Allen, die es angeht, Musterzeichnern, Holzschneidern, Buchdruckern und vor allem den Buchhändlern warm empfohlen sein. Möchten wir bald auf allen Seiten die segensreichen Wirkungen davon spüren! Vom Internationalen Literarischen Kongreß. III.*) Der Literarische Congreß nahm in seiner Sitzung vom 25.Juni, in welcher wiederum Victor Hugo den Vorsitz führte, den Bericht seines Ausschusses II. (Internationale Behandlung des literarischen Eigenthums) entgegen. Derselbe gelangte zu folgenden Schluß sätzen: „Jedes wissenschaftliche oder künstlerische Schriftwerk wird in den fremden Ländern nach denselben Gesetzen behandelt, welche dort für die Werke nationalen Ursprungs gelten. Um diesen Schutz zu erwirken, braucht der Verfasser nur in dem Lande, in welchem sein Buch zuerst erschienen ist, die daselbst üblichen Förmlichkeiten zu erfüllen. Hinsichtlich der Uebersetzung und Bearbeitung äußert der Congreß den Wunsch: daß die internationalen Verträge dem Verfasser ausschließlich das Recht übertragen mögen, die Ermächti gung zur Wiedergabe oder Bearbeitung seines Werkes zu ertheilen." Der Congreß beschloß, diesen Bericht in Druck legen zu lassen *) II. S. Nr. 150. 355*
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