Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.12.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1914-12-23
- Erscheinungsdatum
- 23.12.1914
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19141223
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191412233
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19141223
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1914
- Monat1914-12
- Tag1914-12-23
- Monat1914-12
- Jahr1914
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Redaktioneller Teil. I/ 297, 23. Dezember 1914. Nach dem letzten Bericht sind 12 Lazarette in der Stadt mit Lesestoff ustv. ausgestattet worden, während in der Provinz 33 Städte Lazarett-Sammlungen von ca. 50—1200 Bänden erhalten haben. Auch an die Truppen in der Festung Posen und an die im Felde stehenden Krieger geht ständig Lesestoff av. Abgegeben wurden bisher 21000 Bücher, 25 000 Zeitschriften, 700 Kriegs karten und Sprachführer, 5000 Liederhefte und 200 Spiele, außer mehreren hunderttausend Zeitungsnummern. Wenn hier auch im allgemeinen von einer sich belebenden Geschäftslage gesprochen wird, so hat leider der Buchhandel wenig Anteil daran. Die Kauflust des Publikums ist, abgesehen von Karten und billiger Kriegs- und Unterhaltungsliteratur, sehr gering, und es besteht auch kaum Hoffnung, daß das Weihnachts geschäft, das für viele Kollegen durch die zahlreichen kaufkräftigen Gutsbesitzer und Militärpersonen stets ein gewinnbringendes war, in diesem Jahre sich nur annähernd auf gleicher Höhe halten wird. Posen, im Dezember 1914. Albert Iolowicz in Fa. Joseph Jolowicz. Beruf und Berufung des Buchhändlers. Zum SO. Geburtstage Emil Sandts. (27. Dezember 1914.) Verteufelte Leute, diese Buchhändler! — So oft ich von ihnen träume, sind sie Kommandeure des Lichts. — lind wenn ich einmal einen von ihnen in natura erwische, ist es ein Kaufmann. — Und es ist eine interessante Frage, ob man einen Buchhändler bester biologisch oder bester biochemisch untersucht. Der Buchhändler von heute ist nicht mehr der Buchhändler von ehedem. — Wir elenden Skribifaxt haben in unserer echt deutschen Fruchtbarkeit dafür gesorgt, daß ihm sein Gebiet über den Kopf gewachsen ist. Heute ist eine buchhändlerische Kapazität, auch wenn sie mit Fähigkeiten ausgestattet ist, die bis an die äußersten Möglichkeiten menschlicher Begabung gehen, nicht mehr imstande, alles zu lesen, was sie verkauft. Mit anderen Worten, der Buchhändler kann nicht mehr wissen, wieviel Licht oder wieviel Fin sternis er in die Menschheit schleudert, die ohne ihn weder auskommen will noch kann. Und gerade in Hinsicht dieser Tatsache ist der Buch händler eine der allerwichtigsten Erscheinungen unserer Zeit. Wegen der Fähigkeit, diametral zu wirken. Von der Schwelle seines Schlaf zimmers bis zur Tür seines Ladens ist er der Mensch, der Mann, das Jchwesen; ausgestattet mit allen Rechten, ein »Eigener«, zu sein; hat er die Ladentür von innen zugeklinkt und tritt er an die Spitze seiner schwarzweißen Garde, dann wird er eine problematische Natur. Als ich ein ganz kleiner Bursche war, konnte ich durchaus nicht begreifen, wie ein Mensch ein Buch fortgeben konnte. Ich hätte die Bücher an seiner Stelle alle behalten; je mehr, desto besser. — Und so ein ganzer Laden voll, — ach, das reine Paradies! — Nun, man wird ja mit der Zeit unnatürlicher und lernt daher begreifen. — Aber »och heute, — ich muß oder darf mich zu den Fünfzigern zählen — wenn ich in einen Buchladen trete, — ich muß immer erst ein ganz leises Staunen unterdrücken, daß ich da Leute treffe, die über Kladde und Kontokorrent und Hauptbuch gebeugt sitzen, statt das nächste beste von den Geheimnissen aus den überfüllten Regalen zu reißen und die Rätsel zu lösen. Seit Jahren beschäftigt mich die Frage — und wirklich nicht nur in meinen spärlichen Freistunden wie kannst du herausbekommen, in welchem Umfange sich hier der »Kaufmann« mit seiner Ware identifiziert. — Ich habe mich aufs Beobachten gelegt, auf das gelegentliche Spionieren, auf das offene Fragen; und ich habe Ergebnisse verzeichnen können, die ebenso inter essant wie beruhigend waren. Einem Neulinge wie mir, der die Be gabung besitzt, im richtigen Augenblicke eine dumme Frage zu stellen, antwortete der Besitzer einer vorzüglich gehenden Buchhandlung: »Nein, mein Herr, Sie irren sich. Mein Stammpublikum besorgt sich nicht seine Bücher bei mir, sondern es wird von mir mit seinen Büchern versorgt. Diese Kunden betreten nur ausnahmsweise meinen Laden. Ich kenne die Richtung meiner Kundschaft und weiß, was von allen Neuerscheinungen ihr frommt.« In diesem Satz allein steckt ein ganzes Kapital von Rechten und Pflichten. In diesem Satze steckt aber auch der Hinweis auf ein erfolgreiches Wirken des Buchhündlerstandes. Ich sprach vor ganz wenigen Tagen mit einem Buchhändler. Unsere Gedanken drehten sich um die zwei Milliarden in Gold, die die deutsche Nation ihrer Führung in großem, herrlichem Vertrauen zugeschoben hatte. Und wir ließen nicht unbeachtet, daß der Reichsbankpräsident von weiteren säst fünf Milliarden gesprochen hatte, die noch in Strümpfen, Truhen oder im Garten unter Pflaumenbäumen ein verschleiertes Dasein fristeten. — »Alles muß hin nach Berlin«, sagte er in warmem Tone, 1802 »alles, für das Ganze, das Große, um das allein es sich jetzt handelt. — Aber, — wenn es vorüber ist. — wenn wieder ein glücklicher Friede einzieht, — dann —« Er vollendete nicht. Ich lächelte durch allen Ernst hindurch. Sofort legte ich ihm die Hand auf die Schulter, weil ich sah, daß er mein Lächeln schmerzlich empfand. «Ich weiß«, meinte ich, »mein lieber Freund, der Satz, den Sie verschwiegen haben, barg keinen Egoismus.- — »Nein«, stieß er hervor, »das tat er nicht, wenn es auch noch so sehr darnach aussah. Aber wo zwei Milliarden und noch mehr, vielleicht noch fünf in freiem Besitze sind, da dürfen wir doch wünschen, daß es nachher etwas anders wird . . Wie jeder für seine leiblichen Bedürfnisse seinen Schuster, seinen Bäcker, seinen Schneider und seinen Arzt hat, so sollte auch jeder für seine geistigen Bedürfnisse steinen' Buch händler haben.« — Ich dachte nach und nickte. »Das wird aber dann auch dazu führen, daß das Buchhändlersein ein sehr schwerer Beruf werden wird —« »Schwer? — Sicherlich! — Aber schön, — ideal schön! — Denken Sie, was für eine Freude ich neulich hatte. — Ich habe einen Kunden, einen älteren, etwas zurückhaltenden Herrn. — Ich habe seit langen Jahren die Aufgabe, ihn auf dem Gebiete der Philosophie, der Natur philosophie und der Astronomie auf dem Laufenden zu halten. — Der betritt meinen Laden. Er setzt sich, wischt sich den Schweiß von der Stirn und holt ein paarmal tief Atem. Meine Leute im Geschäft habe ich alle am Schnürchen. Nicht Dressur, wissen Sie, sondern Er ziehung. Sie lassen ihn, wie er das immer wünschte, vorerst ganz zufrieden. Als ich ihn nun begrüße, lächelt er ein wenig. »Ich bin aus dem Kontor fortgegangen«, sagt er dann, »mir war so etwas dumm im Kopfe. So etwas von dem Faustschen Mühlrad. — Und auch so ein klein wenig verstimmt. Kann auch am Magen liegen. — — Gestern bet Konsul Behrends wieder ein lästerlich schweres Diner. — Und wenn man auch vorsichtig ist. — Geben Sie mir mal was gegen diese Sachen « War das nicht eine vornehme Minute im Leben eines Buch händlers? Arzt sein, wissen Sie! — Der Mann ging nicht in die Apotheke. Er ging nicht in ein Lokal und trank einen Bittern. Er ging zu seinem Buchhändler. Und als ich ihm etwas Passendes herausgesucht hatte, so etwas Fein-Lustiges, nahm er das Bllchelchen unter den Arm und sagte: »Nun werde ich mich auf eine Bank setzen, abseits, an der Außenalster. — Das wird helfen.« Was mir der Buchhändler da mit tiefer Befriedigung erzählte, hatte mir sehr gefallen. »Für den Etnzelfall natürlich ganz reizend; aber ich bitte Sie, wenn das Mode würde « Er kniff mich erregt in den Arm. »Wenn das Mode würde?? — Das soll Mode werden!« — »Kaufmännisch freilich ganz vorteilhaft —« Er unterbrach mich. »Ich bitte Sie, natürlich hat das alles seine kaufmännische Sette. Selbst der Altar will doch leben. — Aber zu erst doch das Ideale! — Berater wollen wir werden. Geistige Be rater. Wir wollen die Geistesspeise bringen. — Sie müssen überhaupt nicht immer in uns nur die Kaufleute sehen. Leider sind es sehr viele von uns nicht einmal in dem durchaus notwendigen Maße. In wirtschaftlicher Beziehung muß doch zuletzt jeder eigenbrödlerische Junggeselle .Kaufmann' sein. Wieviel mehr doch wir, die wir die Verantwortung für Kapital und Personal haben —« »Das ist eine schlechte Reihenfolge: Kapital und Personal«, unter brach ich ihn lachend, »jedenfalls nicht ideal — »Reden Sie nicht,« schalt er, »von unserm Kapital hängt es ab, wieviel Personal wir halten können. Und wie wir unser Kapital verwalten, davon hängt es ab, wieviel Lebensmöglichkeiten wir für andere bieten.« Mit einem anderen Buchhändler sprach ich kurz da rauf, mid es reizte mich, mit ihm jenes Thema wetterzuspinnen. »Sie haben doch bestimmte Richtungen unter sich«, sagte ich, »der eine ist für den Monismus; der andere hat sich .religiös orientiert', wie der schöne Ausdruck lautet; einer neigt mehr zu wissenschaftlichen Erzeug nissen, der andere hat mehr Vorliebe sllr die sogenannte .schöne' Lite ratur, und wieder einer ist lebhaft engagiert für die bekannten sto beliebten Erzähler', die jede fünfte Woche einen blassen Kitsch auf den Markt werfen. Also wie will sich der .Spezialismus' durch die ideale Aufgabe durchhelfen?« Dieser Buchhändler war nicht der heißherzige, wie der andere Herr. Uber einem spitzigen Barte prangte ihm ein mokanter Mund. Und seine Augen, die ohnehin ein unwahrscheinliches Ultramarin zeigten, schillerten leicht in einem ironischen Grün. »Spezialisten?« Er wippte mit der Fußspitze durch die Luft. »Wieso? — Gott schenke ihnen ein langes Leben. — Der Speziaiismus ist das Endschicksal der Menschheit. — Die letzte Station der Entwicklung. — Mein Freund, für den Buchhändler sieht die Sache mit dem, was Ihr .Spezialismus' nennt, anders aus. Für ihn gibt es das nicht. Er ist doch die
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder