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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.03.1900
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- 10.03.1900
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- Deutsch
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58, 10. März 1900. Nichtamtlicher Teil! 1957 bezüglich der in denselben erschienenen Werke ausländischer Autoren, sowie bezüglich der noch nicht veröffentlichten Werke ihrer Staatsangehörigen den Schutz des Reichsgesetzes im Deutschen Reiche auzusprechen.« Aus alle diesem geht zur Evidenz hervor, daß die Behauptung der Anklageschrift — der österreichische Staats angehörige sei ebenso wie der deutsche Staatsangehörige geschützt, möge sein Werk erschienen sein, wo es wolle — eine durchaus willkürliche, durch nichts begründete, dem klaren Wortlaut des Gesetzes widersprechende Behauptung ist. Das Kutscherasche Lied ist im Deutscheu Reiche vor Nachdruck nicht geschützt, weder als ungarisches Verlagswerk, denn das Deutsche Reich und Ungarn haben keinen Vertrag, auch gehört Ungarn nicht zur Berner Konvention, noch als Werk eines Ausländers, das bei einem Verleger erschienen ist, der im Deutschen Reiche eine Handelsniederlassung hat, denn zur Zeit des Erscheinens des Liedes hatte die Firma Rozsavölgyi L Co. noch keine Handelsniederlassung in Leipzig, — noch als Werk eines österreichischen Staatsangehörigen, denn das Lied war weder in Oesterreich erschienen, noch war es zu jener Zeit Manuskript, endlich auch nicht auf Grund des Bundesbeschlusses vom 6. September 1832, weil dieser Beschluß in Bezug auf das Verhältnis Oesterreichs zum Deutschen Reiche — wie oben ausgeführt — als aufgehoben betrachtet werden muß. — Die beanstandete Ausgabe des M. in CH. kann demnach als unerlaubter Nachdruck im Sinne des Gesetzes nicht angesehen werden. Ich habe diesem meinem damaligen Gutachten nur noch hinzuzufügen, daß nach dem eben abgeschlossenen Ver trage zwischen dem Deutschen Reiche und Oesterreich-Ungarn — dessen Wortlaut allerdings noch nicht veröffentlicht ist — Auseinandersetzungen wie die vorstehende, die zurückgreift bis auf Bundesbeschlüsse von 1832, kaum noch zu befürchten sein dürften. Ungarn und Deutschland müssen nun endlich mit ihren gegenseitigen Nachdrucken aufhörcn, und das Ver hältnis zwischen Oesterreich und Deutschland braucht nicht mehr aus den Gesetzen der einzelnen Reiche — oder, wie im vorliegenden Falle sogar aus alten Bundesbeschlüssen — klar gestellt zu werden, sondern ist nun ein für allemal durch internationalen Vertrag sestgelegt. Berlin, 5. März 1900. Willibald Challier. Kleine Mitteilungen. Protestbewegung gegen die Reichstagsbeschlüsse zur -Vsx Heinze« (vgl. Börsenblatt Nr. 54, 55, 56, 57). — Die hier schon gemeldete Protestversammlung im großen Saale des Bürger lichen Brauhauses in München am 7. d. M. war von etwa 3000 Personen besucht, und viele weitere Gekommene fanden wegen der Ueberfüllung des Saales keinen Einlaß. Die -Münchener Neuesten Nachrichten- vom 8. d. M. schildern diese ungeheure Be teiligung und den Verlauf der Versammlung in der folgenden knappen, aber anschaulichen Form: -Eine solche Menschenmenge, wie sic gestern in den Abendstunden nach dem Bürgerbräukeller strömte, wurde in der Rosenheimerstraße schon lange nicht oder überhaupt noch nicht gesehen; schon nach 6 Uhr war es schwer, in einem Trambahnwagen einen Platz zu bekommen, und um 7 Uhr waren Saal, Garderobe und die anstoßenden Räume dicht besetzt, so daß manche Einberufer der Protestversammlung von der Eingangsthür bis zur Tribüne eine halbe Stunde zum Durchdrängen bedurften, obwohl jedermann sich bestrebte, ihnen Platz zu machen. Was half es, oaß um L28 Uhr die Tische über die Köpfe der Menge hinweg aus dem Saale entfernt wurden? Einige Hundert vermochten sich noch aus den Vorräumen nachzudrängen, aber mehr als Tausend mußten an den Thüren des Kellers wieder umkehren. Im Saale standen die Menschen wohl 3000 an der Zahl so dicht gedrängt, daß sie kaum sich rühren konnten. Dabei herrschte aber die musterhafteste Ordnung, alles war von dem Gedanken er füllt, daß es einem entschiedenen Protest Ausdruck zu geben galt, gegen ein Gesetz, das Münchens Bedeutung als Kunststadt auf das Tiefste schädigen und die Existenz des ausübenden echten Künst- Siebenundsechzigster Jahrgang. lers, welcher Gattung er auch angchören möge, vernichten müßte. Es ist natürlich, daß ein großer Teil der Erschienenen den Künstler- und Schriftstellcrkreisen angehörte, unter ihnen die hervorragendsten Häupter des geistigen München, aber auch die Wissenschaft und das gebildete Bürgertum waren in ihren besten Kräften erschienen. Als nun Rede auf Rede folgte, da herrschte die bewunderungswürdigste Ordnung, eine Ruhe, daß jeder der Redner auch in der entferntesten Ecke ver nommen wurde, die flammenden Protestworte fanden ihren Widerhall in minutenlangem tosenden Beifall, der sich am Schlüsse der Ausführungen jedes Redners zu brausendem Bravorus wie aus einer einzigen tausend Lungen - kräftigen Brust kommend, vereinte. Als schließlich der Vorsitzende der Versammlung, Herr vr. Georg Hirth, diejenigen aufsorderte, die Hand zu erheben, die geneigt wären, die Protestresolution anzunehmen, da fuhren alle Hände auf einen Ruck in die Höhe, und als die Gegenprobe ergab, daß alles einstimmig in der Verwerfung des kunst- und charakterschädigenden Gesetzentwurfs war, da ertönte ein Beifall, wie er in solcher Stärke in München wohl nur selten vernommen wurde. Scharfe Worte klangen in den Reden von der Tribüne nieder, ein Zeugnis, wie tief sich die Kunstwelt getroffen fühlte; mögen sie in Berlin richtig gedeutet werden!- — Als Begrüßung sprach Herr vr. Hirth den Anwesenden den herzlichsten Dank für ihr zahlreiches Erscheinen aus, leider seien Tausende an den Thüren zurückgewiesen worden, aber eines sei sicher bewiesen, daß man in München noch das Herz auf dem rechten Fleck habe. Er begrüße den als Ehrengast erschienenen Vertreter Münchens im Reichstag, Herrn v. Vollmar, leider sei Herr Reichstagsabgeordneter Schwarz durch eine Halsentzündung verhindert, zu erscheinen, er habe schon seiner Zeit gegen die lex Heinze gestimmt und werde dies auch künftig thun. Hierauf las Herr vr. Hirth einen poetischen Gruß Paul Heyses vor, sodann ein Schreiben des Vorstandes der Münchner Künstlergenossen schaft, wonach sich der Verein in schärfster Form an den Protest gegen die Aß 184 und 184a der Isx Heinze mit Freude anschließt. Herr vr. Hirth schloß die Begrüßung mit den Worten: »Wir wollen heute einen Protest nach Berlin senden, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt; dem Versuch, die nackte Schönheit zu unterdrücken und zu verletzen, wollen wir die nackte Wahrheit entgegenstellen! Möge unser Protest vom Fuße der Alpen, von unserer rauhen, gesunden bayerischen Hochebene als reinigender Wind in Berlin ankommen und den schwülen Geist, der die Freiheit der Geister nicht leiden kann, hinwegfegen!« Den Ausführungen des ersten Redners,Herrnvr.M.G. Conrad, sei hier nach den »Münchner Neuesten Nachrichten« das Folgende entnommen: »Es handele sich bei diesem Entwurf nicht darum, gewisse Bilder, eine gewisse Moral, bestimmte Stücke zu treffen, sondern darum, die sittlich freie, unabhängige Persönlichkeit im Künstler und Dichter zu treffen, denn der größte Feind aller Reaktion und dämonischen Unterdrückungswut sei eben immer die freie, unabhängige geistige Persönlichkeit! Nach Schopenhauer sei jene Kunst am würdigsten, die das Spiel aus dem ewigen Stroni der Menschheit am reinsten wiedergebe. Damit komme man zur Frage des Nackten in der Kunst, die ganz nebensächlich sei, denn das Nackte empfinde nur die schmutzige Phantasie. Für gesunde, wahrhaft fromme Menschen gebe es eine Unterscheidung zwischen nackt und bekleidet gar nicht, er nehme sie so, wie sie aus der Natur komme, nur Perverse und Narren dächten anders. Durch polizeiliche Maßregelung wolle man nun der freien schöpferischen Persönlichkeit die Existenz verleiden und sie unfruchtbar machen. Der Künstler, der Weltwcise, der Dichter brauche Freiheit seiner geistigen Funktion. Alles andere Schaffen sei niedere Gewerbsübung und habe mit dem künstlerisch schöpferischen Wesen nichts zu thun. Diese Freudigkeit des Schaffens wolle man treffen; aber die be troffenen Kreise wüßten, was sie von diesem Reich der Gottes furcht und frommen Sitte zu erwarten hätten, und würden dagegen kämpfen wie die Buren, selbst bis zum Untergang. Trotz aller Gesetze werde es übrigens nicht gelingen, auch nur einen einzigen Künstler auch nur um Haaresbreite von seinem Wege abzubringen; sie könnten ihn nicht zwingen, von seiner heiligen Natur abzugehen, nur Kräfte dritten und vierten Ranges würden um des Leibes Notdurft ihnen zu Willen sein. Man werde damit nur ein altes Kulturvolk mit Dunst und Schauer umgeben, den deutschen Volkscharakter herunterbringen, ihn macht los machen. Ob man für Weltpolitik und Weltflotte sei oder nicht, für das Weltansehen der deutschen Nation müsse alles wie ein Mann einstehen und daher gegen dieses Gesetz protestieren! Er erinnere an die wunderbaren Worte des Hans Sachs am Ende der -Meistersinger«: »Ehret Eure deutschen Meister, dann bannt Ihr gute Geister-. Man müßte künftig bei jeder Auf führung schamrot werden und sich die Augen blind weinen über das traurige Gesetz, das nur gemacht werde, damit eine. Partei über alle Menschen herrsche. Man müsse daher kräftig in den Protest einstimmen und zeigen, -daß wir in München dem Ideal 263
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