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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.03.1900
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- Erscheinungsdatum
- 10.03.1900
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- Deutsch
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1954 Nichtamtlicher Teil. 58, 10. März 1900. praktische Leben zu unbestimmt sei, und als ob die Alters grenze auch hier zu weit hinausgeschoben sei. Was die Altersgrenze anlangt, so würden wir aus denselben Gründen, wie oben ausgeführt, bitten, daß sie auf 16 Jahre herabgesetzt wird. Wir erblicken aber die größte Gefährdung des deutschen Buch- und Kunsthandels in der unbestimmten Bezeichnung der unter Strafe gestellten Werke (Schriften rc., die, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen). Die Reichstagsverhandlungen haben gezeigt, daß einzelne hochgebildete Männer ihr Schamgefühl gröblich verletzt gefühlt haben durch rein künstlerische Darstellungen, die von Lehrern der Akademie gerade zu dem Zwecke hergestellt worden waren, zu verhüten, daß die Schüler durch das Arbeiten nach den lebenden Modellen zu Lüsternheit erregt werden und ihre Sitt lichkeit gefährden. Wenn schon der Vertrieb solcher ausge sprochenermaßen zur Förderung der Sittlichkeit und zu Lehr zwecken veranstalteter Darstellungen als strafbar erscheinen kann, weil eine in Bezug auf das Schamgefühl besonders veranlagte Person sich dadurch gröblich verletzt fühlt, so ist der deutsche Buch- und Kunsthandel der Gefahr, daß andere nicht un mittelbar dem Lehrzwecke dienende künstlerische Darstellungen und die Schilderung solcher Werke oder bezüglicher Vorgänge als gegen das Gesetz verstoßend und daß deren Vertreiber als strafbar angesehen werden, in einem Grade ausgesetzt, der die Sicherheit des Verkehrs geradezu gefährdet. Damit, daß man Abbildungen und Darstellungen, die das Schamgefühl des normalen Durchschnittsmenschen zu ver letzen geeignet sind, an öffentlichen Straßen, Plätzen und anderen Orten nicht ausstellen soll, um das Schamgefühl zu verletzen, stimmen wir völlig überein. Wenn aber ein Kunst händler in einem einzelnen Falle die nicht unzüchtige Ab bildung eines Aktes in seinem Geschäftslokale und selbst einem Schaufenster zu geschäftlichen Zwecken ausstellt, ohne sich selbst bewußt zu sein, daß dadurch bei anders veranlagten Leuten Aergernis erregt werden kann, so kann er nach unserem Dafürhalten nicht in Strafe genommen werden. Wlr bitten deshalb, in Z 184a die Worte »zu geschäftlichen Zwecken oder« zu streichen. Wir halten die Bestimmung, deren Beseitigung wir er streben, für eine große Gefahr für den deutschen Buch- und Kunsthandel, weil, wie in den Reichstagsverhandlungen eben falls nach unserm Dafürhalten durchaus zutreffend ausgeführt worden ist, eine feste Grenze zwischen Darstellungen, die das Schamgefühl gröblich verletzen und solchen, die das nicht thun, in vielen Fällen gar nicht gefunden werden kann. Der Begriff der Unzüchtigkeit einer Darstellung, einer Schrift und dergleichen steht fest: unzüchtig ist eine Dar stellung, die darauf berechnet oder dazu geeignet ist, bei einem Durchschnittsmenschen geschlechtliche Lüsternheit zu erwecken. Ob und inwiefern aber eine Darstellung rc., die nicht unzüchtig ist, das Schamgefühl zu verletzen geeignet ist, ist so sehr Ansichtssache des Einzelnen, daß dieser Begriff als Thatbestandsmoment für eine Strafnorm nach unserem Dafür halten nicht verwendet werden darf. In den Reichstags verhandlungen ist nach unserer Ansicht treffend zum Ausdrucke gebracht worden, daß, je nach der Erziehung und ästhetischen Ausbildung der einzelnen Laien und namentlich auch der einzelnen Richter dieselbe Darstellung in einem Falle als das Schamgefühl gröblich verletzend, in dem anderen als ganz unbedenklich angesehen werden würde, und daß, wenn es bei diesem Thatbestandsmoment bliebe, leicht der eine Buch händler, der von kunstgebildeten Richtern in der Großstadt beurteilt würde, straff, ei bliebe, während der andere, der von einem in kleinlichen Verhältnissen lebenden Richter abgeurteilt würde, dafür in schwere Strafe genommen werden könnte. Wir haben geglaubt, diese unsere Bedenken auch jetzt noch Eurer Durchlaucht zur Kenntnis bringen zu sollen, weil der deutsche Buchhandel mit ängstlicher Spannung der Ent scheidung der Regierung über die Beschlüsse des Reichstags entgegensteht. Wir bitten inständig, Euer Durchlaucht wolle unseren Bedenken Beachtung nicht versagen und bei den verbündeten Regierungen befürworten, die schwere Schädi gung, die dem deutschen Buch- und Kunsthandel und damit mittelbar der deutschen Kunst und Wissenschaft selbst droht, dadurch abzuwenden, daß den angeführten gesetzlichen Bestimmungen mindestens in der vorliegenden Fassung die Zustimmung versagt wird. Wir verharren Leipzig, den 5. März 1900. in größter Ehrerbietung Eurer Durchlaucht ergebenster (I.. 8.) Vorstand des Vörsenvereins der deutschen Buchhändler (gez.) E. Reinicke, II. Schriftführer. Urheberrechtsschutz zwischen Deutschland und Ungarn. In der Vossischen Zeitung vom 3. d. M. findet sich folgender Bericht über eine Gerichtsverhandlung in einem Urheberrechtsprozeß, der auch in anderen Tagsblättern Auf nahme gefunden hat: Vor der dritten Strafkammer des Landgerichts I zu Berlin erschien am 2. d. M. der Musikalienhändler Adolf Kunz, des Nach drucks beschuldigt. Im Herbst 1895 hatte der Schauspieler Alois Kutschera zu Budapest das inzwischen volkstümlich gewordene Lied: -Weißt Du Muatterl, was i träumt Hab- komponiert und durch einen Sänger auf einem dortigen Theater zum Vortrag bringen lassen. Das Lied fand beim Publikum eine so freundliche Aufnahme, daß Kutschera Veranlassung nahm, 500 Exemplare für eigene Rechnung drucken zu lassen. Der Erfolg wuchs, und darauf schloß Kutschera mit dem Musikalienverlag von Rözsa- völgyi in Budapest einen Vertrag ab, wonach er dieser Firma das alleinige Vervielfältigungsrecht übertrug. Viele deutsche Firmen ließen das Lied Nachdrucken, darunter auch der Angeklagte Kunz, gegen den die Budapester Firma zuerst strafrechtlich vorging. Der Angeklagte gab zu, daß er in einem Zeiträume von etwa sechs Monaten im ganzen 127 000 Exemplare habe drucken lassen, die auch mit Einrechnung von vielen Tausenden, die zu Reklamezwecken versandt wurden, abgesetzt worden seien. Er habe sich dazu berechtigt gehalten, denn Ungarn gehöre nicht zur Berner Konvention, so daß dortige Komponisten für ihre Er zeugnisse nicht den Schutz der deutschen Gesetze genössen. Um gekehrt sei es ebenso, und deshalb würden deutsche Komponisten nirgends so ausgeplündert wie in Ungarn. Um sicher zu gehen, habe er vorher bei dem in Leipzig wohnenden Syndikus des -Vereins der deutschen Musikalienhändler- angefragt, ob das Lied frei sei, und eine bejahende Antwort erhalten. Demgegenüber wurde von der Anklagebehörde geltend gemacht, daß die Buda pester Firma seit dem Jahre 1896 mit der Firma Breitkopf L Härtel in Leipzig in Geschäftsverbindung stehe und jedes von der Neben klägerin herausgegebene Musikstück auf dem Umschlag die Domizil angabe -Budapest und Leipzig- trage. Hierdurch müsse angenommen werden, daß das Lied auch in Leipzig erscheine und daher Anspruch auf Schutz habe. Der Staatsanwalt hielt dies für ausschlag gebend, er beantragte gegen den Angeklagten eine Geldstrafe von 1000 ^ und Beschlagnahme der vorhandenen nachgedruckten Exemplare. Der Vertreter der Nebenklägerin stellte ein Rechen exempel auf, welch großer Schaden der Budapester Firma und dem Komponisten durch den Nachdruck zugesügt worden sei. Wenn der Gerichtshof seinem Anträge folge und dem Angeklagten eine Geldbuße von 6000 auferlege, so stehe dies immer noch in einem schlechten Verhältnis zu dem Schaden. Der Verteidiger sprach die Hoffnung aus, daß sich ein deutscher Gerichtshof nicht dazu hergeben würde, eine ausländische Firma auf Kosten deutscher Staatsbürger zu schützen. Die Beweisaufnahme habe
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