Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.05.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-05-10
- Erscheinungsdatum
- 10.05.1913
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19130510
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191305106
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19130510
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1913
- Monat1913-05
- Tag1913-05-10
- Monat1913-05
- Jahr1913
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
4998 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. Vi5 106, 10. Mai 1913. scheint. Was gegen den Kunsthandel gerichtet ist, wird bereit willigst ausgenommen, und an Artikel, wie den im Türmer, knüpft man aus eigenem Antriebe noch ergänzende Kommen tare. Will man aber das Publikum durch die Presse auch einmal in anderem Sinne belehren und den Anfeindungen ruhig und sachlich gegenübertreten, so versagt sie und stützt sich auf ihr verbrieftes Recht, ablehnen zu können, was ihr nicht behagt oder nicht geeignet erscheint. Daß die Tagespreise eine Macht ist, wissen wir ,ja alle, und es ist ihr dieses Machtgefühl mehr als einmal von Staats wegen dekretiert worden. Auch der Buch- und Kunfthandel weiß das zu würdigen, aber er wird nicht zusehen dürfen, wie diese Macht gelegentlich doch in gröbster Weise mißbraucht wird. Freilich ist die Tagespreise dasjenige Publtkationsmittel, an dem verhältnismäßig selten Kritik geübt wird, geübt werden kann. Vor ihr und ihren gnadenvollen Spalten, auch wenn sie von jungen, unreifen Menschen gefüllt werden, rutscht man auf dem Bauche, weil es eben in Gottes Namen die Zeitung des Tages ist, die weiß, daß das, was sie verkündet, vielen Tausenden ein Evangelium ist. Es soll auch hier nicht Kritik an der Kritik geübt, nicht dreimal unterstrichen werden, daß auch die Tageszeitung von Jrrtümern unterworfenen Menschen redigiert wird, unter denen sich nur selten einsolches Genie befindet, das Politik und Kunst und Wissenschaft und Theater, Philosophie und Juristerei und Örtliches alles mit gleicher Souveränität be herrscht. Aber es muß doch gesagt werden, daß sie, die überall die kritische Sonde anzulegcn bereit ist, keineswegs so hoch über allem steht, daß alle anderen vor ihr kapituliren müßten. In welch unwürdigem Widerspruch sehr oft der redaktionelle Teil zum Inseratenteil steht, ist bekannt genug und eine Blüten- lefe aus diesem betrüblichen Kapitel, wo sich die Warnungen vor Darlehns- und Heiratsschwindlern, vor Händlern mit Kosmetika und Busenbeförderungsmitteln, die niemals etwas helfen, und riesengroße Annoncen dieser Edlen friedlich zusammenfinden, wäre jedenfalls sehr interessant. Aber auch Kunst und Kunst handel machen sich hier schon bedenklich bemerkbar, und es wirkt nicht gerade erhebend, wenn eine große sächsische Tageszeitung, deren Kunstkritiker sich gern zu den allergescheitesten zählt, skrupellos folgendes veröffentlicht: »Es sei hiermit darauf auf merksam gemacht, daß vom ... bis ... die wunderbare Ma donna von Rafael (welche da gemeint ist und ob es ein Original oder ein schlechter Öldruck ist, steht nicht da), welche die Neue Leipziger Gemäldegalerie das Verdienst hat, für Deutschland er worben zu haben, in einem Schaufenster der Galerie zur öffent lichen Ausstellung gelangt, so daß sie für jedermann sichtbar ist, und jedem Gelegenheit geboten ist, zu bewundern, wie es der unvergeßliche (!) Meister verstand, alles in ein Gemälde zu legen, was jungfräulicher Schönheit eigen ist: Anmut, Beschei denheit im Blick, Würde aus der Stirn, Grazie in der Nase, Tugend auf den Lippen und in dem Gewände eine Einfachheit und Ehrbarkeit ohnegleichen.« So etwas ist unerhört und be stätigt zur Genüge, wie die Tagespresse L conto ihrer vielge rühmten Macht auf der einen Seite einem ganzen Stand das Lebenslicht ausblasen möchte, und auf der anderen ruhig den blühendsten Unsinn, den ihr ein oder der andere Schmarotzer dieses Standes in die Feder diktiert, bedingungslos abdruckt. Soll ich aus der Mankoliste, die man in bezug auf sie aufstellen kann, noch einiges nennen, so sei erinnert an die falschen Berichterstattungen besonders auf dem Gebiete der Kunst, das eben vielfach, selbst bei großen Zeitungen, absolut nicht mit genügender Sorgfalt bearbeitet wird, an Entstellungen dadurch, an die unglaubliche Behandlung der Rezensions- exemplare und lagt not least an die schon erwähnte, keines wegs immer zu Recht gebrauchte Macht, abzulehnen, was ihr nicht paßt. Ich habe unter dem Eindruck des Türmer-Artikels und der Auslassungen im Hamburger Correspondent an eine Anzahl großer Zeitungen einen ganz sachlich gehaltenen, keineswegs aggressiven Artikel verschickt, der sich im wesent lichen mit meinen Ausführungen im letzten Börsenblatt-Bericht deckt. Keine hat ihn akzeptiert, und so ist mir die Mög lichkeit, den tatsächlich falschen und auf Unkenntnis der Materie beruhenden Mitteilungen der beiden fraglichen, Angrifssartikel zu entgegnen, vollkommen genommen. Dieser Grund und die vorhin nur flüchtig angedeuteten Mängel müßten dem deutschen Buch- und Kunsthandel Wohl Veranlassung geben, sich auch einmal zu regen, nicht nur immer, wie es die deutsche Regierung im Fall von Luneville tat, sich zu bedanken, sondern auch zu fordern. Daß die Neuentdeckungen alter Meisterwerke zu den reiz vollsten Ausgaben unserer Kunstgelehrten gehören, mag Wohl begreiflich erscheinen. Freilich, der allzugrotze Eifer, der hier entfaltet wird, mag manchmal Bedenken einflötzen, und besonders die Künstlerschaft steht den gelehrten Untersuchungen meist mit größter Skepsis gegenüber und läßt sich nicht davon abbringen, daß die Theorie hier wirklich sehr grau ist. Wollte man einmal zusammenstellen, was in den letzten Jahren, in denen sich die Kunstwissenschaft zu einem gar viel beackerten Spezialzweig herausgebildet hat, alles neuentdeckt wurde, so ist man wohl auch geneigt, ein Körnlein Zweifel in die Entdeckerfreude fallen zu lassen. Daß Gelehrte wie Or. Valentiner dom New Uorker Metropolitan-Museum, der jetzt ein bisher für das Werk des Rembrandtschülers Karel Fabritius gehaltenes Bild »Der Advokat« als von Rembrandt selbst stammend erklärt, im besten Glauben handeln, wird niemand bezweifeln. Aber wenn man die Ansicht eines wirklich großen Künstlers hört, der alle Techniken beherrscht und sie selbst demonstriei^n kann, so sieht man Wohl ein, wie groß die Gefahr des Irr tums für den Gelehrten ist. Sonderbarerweise hat man seit der ersten Meldung über die neuen Rafaelfunde in Perugia, die mit so großem Aplomb verkündet wurden, nichts weiter gehört, so daß es fast scheint, als habe man auch hier der ersten Begeisterung die ruhige sachliche Überlegung folgen lassen. Und das dürfte gut gewesen sein. Unter der Spitzmarke: Was ist Kunst? veröffentlichte kürz lich eine Tageszeitung ein Gespräch zwischen einem Kunst händler und einer Dame. Es handelte sich dabei um Ferd. Hobler. Der Kunsthändler gab sich alle Mühe, seiner Kundin begreiflich zu machen, daß nicht nur das einigermaßen Ver ständliche, vielleicht sogar schön zu Nennende bet Hobler schön sei, sondern auch das Häßliche, was sie eben nur noch nicht verstehe. Nun sind über die ästhetischen Werte des Häßlichen in der Kunst für die einigermaßen mit den Dingen Ver trauten die Akten ja längst geschlossen. Ist der Laie, das Publikum sich darüber noch nicht im klaren, so ist das nicht Wetter schlimm, und es ist nur anzuerkennen, wenn der Kunsthändler als noch immer — ich unterstreiche das — be rufener Vermittler zwischen Kunst und Publikum seine Tätigkeit auch auf solche Bemühungen ausdehnt. Der Kampf, den die Verkünder des Häßlichen in der Kunst, den die großen Realisten zu kämpfen hatten, ist bekannt. Aber es gibt überall eine Grenze, und die scheint denn doch bei Ferd. Hobler ge zogen zu sein. Die Häßlichkeit, die er proklamiert und propagiert, wirkt gesucht und erzwungen, wirkt dumm und skurril. Wenn selbst ein so eifriger Apostel seiner Kunst wie vr. Pauli-Bremen angesichts seiner vielverlästerten leberwurstartigen Frauengestalten in verlegenes Schweigen fällt, so ist das immerhin ein Zeichen, daß auch einem be deutenden Gelehrten gelegentlich der Geist vor Ehrfurcht stille steht. Mir will scheinen, daß der Kunsthändler sich seiner Kundschaft gegenüber sogar besser aus der Schlinge gezogen habe als er. Ob es nun wirklich eigenes Empfinden, Über zeugung oder nur ein billiges Nachreden von Floskeln war, die man aus jedem Kunstfeuilleton dutzendweise beziehen kann, ist eine andere Sache. Daß Künstler über Kunst reden und schreiben, ist eine Erscheinung, die, cs ist kaum zu glauben, einmal nicht das Verdienst des kulturgesegneten 19. Jahrhunderts ist. Wir wissen, daß Lionardo feinen Traktat über die Malerei schrieb, wissen, daß Benvenuto Celltnis Schriften zu dem Inter essantesten gehören, was über Kunst geschrieben wurde, und brauchen uns gar nicht zu Wundern, daß Eugtznc Delacroix in seinem Landsmann Auguste Rodin einen Nachfolger findet. (Fortsetzung aus Seite -043.!
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder