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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.05.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1913-05-05
- Erscheinungsdatum
- 05.05.1913
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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4750 Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 101, 5. Mai 1913. allerorten gelten und rückt uns mit der Statistik, mit der man ja allez beweisen kann, zu Leibe. Wir arbeiten indes ruhig weiter; wir sorgen, daß der Schlot raucht und sind's zufrieden wenn sich die Scheuern nach der Ostermesse — nicht füllen. Ist es denn wirklich so wichtig, ob München in literar-produktiver Hinsicht an zweiter oder dritter Stelle steht? Wenn wir vom Zählen zum Wägen kommen, werden solche Einschätzungen doch immer verschoben. Vorläufig ist München für eine richtiggehende Bestellanstalt nicht reif. Wir sind aber auch mit dem Vorläufer, der uns so manche Erleichterung bringt, recht zufrieden. Denn die Aus lieferungen der Firma Sutter sRcclam, Göschen, S. Fischer, Insel- Verlag, Süddeutsche Monatshefte usw. usw.) funktionieren vor trefflich; was mittags bestellt wird, ist spätestens um 5 Uhr La. Und wenn München das, was es heute als Buchhändler stadt zu werden verspricht, eines Tags einlöst, dann verdichtet sich das Papier zu Quadern, und wir erhalten eines Morgens trotz aller Statistik doch eine wirkliche Bestellanstalt. Und statt des einen Autos, das unsere Auslieserstclle sich jetzt zugelegt hat, durchsausen dann vier und mehr unser Isar-Athen. Dies eine Auto weist auch eine Aufforderung zur Benutzung der Reclam-Automaten auf. Leider ist so eine freundliche Einla dung recht nötig, denn bis jetzt fehlt noch der rechte Zug. Mün chen ist auch etn schlechter Platz für literarische Kost für die breiten Massen. Der Absatz läßt in den meisten Lokalen, in denen Automaten untergebrachl sind, sehr zu wünschen übrig. Ich habe auch in den vielen Monaten nicht einen Kostgänger dieser Apparate in Funktion gesehen. Es ist eben ein Jammer, das; sich die Behörden, die sonst alles mögliche für die Gesundung des Volkes unternehmen, bei solchen Gelegenheiten hinter allerlei Be denken, grundsätzlichen Vorschriften oder weitz Gott welchem Paragraphengespinst verschanzen. Dadurch wird auch dem auto matischen Vertrieb der Verkauf gerade in den besten Instituten, an öffentlichen Plätzen unmöglich gemacht. Sonst bieten sie ja allem Geschäftlichen die Hand, sofern das Verwaltung?- und das Finanztechnische in Einklang kommen. Deswegen ist es den Münchnern gar nicht einmal so sehr über raschend, daß in die altehrwürdige Auguslinerkirche ein Kino- Theater einziehen soll. Das erstaunt nur den Fremden, der nicht weiß, daß das Gebäude schon lange nicht mehr kirchlichen Zwecken dienstbar ist, daß es vielmehr seit Jahrzehnten schon für Zoll abfertigungen und als Lagerraum gedient hat. Seit fast ewigen Zeiten ist für das Gebäude nichts geschehen, so daß es trotz seiner geschlossenen Stileinheit ein beschämendes Fragezeichen für die Residenzstadt gebildet hat. Seit zwei Jahren wird nun am rückwärts anschließenden Areal ein Polizeigebäude errichtet, wo durch natürlich auch die vor ihm stehende Augustinerkirche bedacht werden mutzte. Da ist es nun komisch, daß seinerzeit für die Erhaltung dieses kunstgeschichtlich interessanten Gebäudes plai- diert wurde, daß man aber nicht wußte, welchen Zwecken man es zuführen sollte. Der Utilitarier wird bei Gebäuden, die in solcher hervorragenden Straße liegen, unserer bestenVerkaufsstratze, immer dem ökonomischen Prinzip das erste Recht zugestehen, also für Läden, Bureaus stimmen. Von diesen aber ist der Schritt zu den Kinos nicht groß. So ein Kunstteinpel wird daher, schon da er den zahlungskräftigsten Mieter bildet, vielleicht doch, das Alte stürzend, seine berückenden Künste an ehedem heiliger Stelle spie len lassen. Jnimer mehr und niehr solcher Institute entstehen in München, und immer prächtiger werden sie in ihren Ausstattun gen. Tie außerordentliche Wandlungsfähigkeit läßt sie auch in ihren Darbietungen besser werden; sie erkennen recht gut, daß sie alles, was sich an das Gefühl wendet, in den Bannkreis ihrer Macht zwingen können. Sie bilden heute schon einen Faktor, den wir Buchhändler uns dienstbar machen müssen, um durch sie einen Teil davon wieder zu erhalten, was sie uns wegnehmen. Werden erst einmal gute Filme aus dem Gebiete der Naturwissen schaft oder der Technik in größerer Anzahl hergestellt sein, dann bilden diese Theater einen Kulturwert von besonderer Bedeutung. Heute besteht allerdings der größte Teil der Programme noch aus Gefühlsüberschwenglichkeit, Banalität und der Verherr lichung von Spitzfindigkeit und roher Kraft. Der Hauptgrund für diese Darstellungen liegt nun zwar im Publikum; es bevor zugt diese Gemüt und Nerven erschütternden Szenen. Diesem Faktum trägt auch ein Preisausschreiben der »Zeit im Bild« Rechnung. Ein geradezu genial ausgeklügelter Ge danke, den Leser an der Lösung einer Kriminalsrage tcilnehmen zu lassen! Der Privatdetektiv wird in diesem Kriminalroman nicht etwa einem vollendeten Mord gegenübergestellt, er bekommt vielmehr die genauen Angaben, wie der Mord an seinem Auf traggeber sich ereignet. Den Schluß mit der Lösung, wer der Mörder war, soll der Leser selbst bilden. Interessant muß die Technik dieses Romans sein, da nach dem Preisausschreiben we der der Verfasser, noch das Preisrichterkollegium eine vorgefaßte Meinung über den Täter haben. Es bleibt also der Spitzfindig keit, dem Spürsinn nach Indizien, die im Roman gegeben wer den, der größte Spielraum. Die sechs Preise von 50 000, 20 000, 10 000, 5000, 3000 und 2000 Mark, sowie die zehn Trostpreise von je 1000 Mark werden den besten Arbeiten, die durch scharf sinnige Begründung der Urteile gestützt werden müssen, zuerkannt. Mit diesem Zug sichert sich Zeit im Bild für viele Monate eine stets wachsende Abonnentenzahl, es erzieht aber ihre Leser außer dem noch zum aufmerksamen Lesen. Den Pferdefuß des Preis ausschreibens, der die Kosten dieses Rellameseldzugs decken muß, die Erhöhung des Preises von 30 auf 50 H, werden die neuen Abonnenten nicht merken, die alten aber mit in Kauf nehmen, weil eben die 50 000 Mark Winken. Auch ohne diesen Köder wäre dieser Zeitschrift ein gutes Prognostikon zu stellen gewesen, da sie von Nummer zu Nummer an wertvollen Beiträgen zuge nommen und die stets reizvolle Polemik immer mit gutem Takt gefühl geleitet hat*). Einen wesensverwandten Schachzug hat die »Brücke« getan, indem auch sie die Reklame in ihre Dienste gestellt hat. Wie Generalsekretär Bührer auf der ersten Jahresversammlung <28. und 29. März) mitteilte, ist es ihm gelungen, den bekannten Heraldiker Hupp, ich glaube die erste Autorität in der Wappen kunde, für die Brücke zu gewinnen. Er hat nun gleich eine recht nennenswerte Stiftung gemacht, indem er diesem Institut das *) Man kann über den Wert dieses Preisausschreibens auch ganz anders denken, und »vir jedenfalls hätten keine Freude daran, wenn es Schule machen würde. Das Publikum ist gerade in den Kreisen, sllr die das Preisausschreiben berechnet ist, ohnehin geneigt, gern »De tektiv« zu spiele» und den ungesunden Reiz, den das Raffinement gerissener Verbrecher auch aus unverdorbene Bolkskreise ausllbt, in allen Einzelheiten mit- und nachzuempfinden. Diese Instinkte werden unzweifelhaft geweckt, wen» man in dem Preisausschreiben liest, daß sich jedem Leser des Romans Gelegenheit biete, »seinem Spürsinn freien Laus zu lassen und eiwa in ihm liegende Detektiv-Eigenschasten zu betätigen, um aus dem gegebenen Tatsachenmaterial dem Mörder seine Tat nachzuweisen und den Schuldigen zu überführen«. Ängstliche Ge müter, die etwa der Meinung sein könnten, daß auch die kriminalistische Tätigkeit an bestimmte Voraussetzungen gebunden sei, werden gleich hinterher mit dem Hinweis beruhigt, daß weder »juristische Schulung« noch »schriftstellerische Talente«, »noch etwa eine lange, mühselige Ar beit« erforderlich sind. »Nichts ist nötig als aufmerksame Lektüre des Soykaschen Romans.« Wie sich die Behauptung des Preisausschrei bens: »Weder der Verfasser noch auch das von uns eingesetzte Preis richter-Kollegium haben eine vorgefaßte Meinung über die Person des Täters. Niemand kennt also den Mörder« mit der angeblich so ein- sachen Lösung der Schuldfrage in Einklang bringen läßt, ist nur dann verständlich, wenn man annimmt, daß sich der Verfasser beim Schreiben nicht so viel gedacht hat, wie sich Publikum und Preisrichter-Kollegium beim Lesen denken sollen. Auch die von Herrn Recknagel betonte Erziehung »zum aufmerk samen Lesen« können wir nicht als ausreichend zur Rechtfertigung dieser neuartigen Reklamefchöpfung ansehen. Vielleicht wäre es sogar bester, wenn derartige Erzeugnisse weniger aufmerksam gelesen wurde». Denn daß cs sich hier nicht uni etn Kunstwerk im literarischen Sinne handeln kann, ist wenigstens allen denjenigen klar, die noch künstlerische und geschäftliche Absichten auseinanderhalten können. Man wird weiter auch nicht die Art der Propaganda als nach ahmenswert bezeichnen können. Denn wenn in einem und demselben Prospekt über das Preisausschreiben aus der ersten Seite »Zeit im Bild« als in literarischer und künstlerischer Bezie hung an der Spitze aller Zeitschriften stehend bezeich net wird, so kann auch der reklamchaste Charakter derartiger Anprei sungen diese Behauptung nicht rcchtsertigen, selbst wenn sie auf der vierten Seite des Prospekts dahin eingeschränkt wird, daß »Zeit im Bild« zu den besten Zeitschriften zähle. Red. iFortsekuna aus Seite 4781.)
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