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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.01.1872
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 29.01.1872
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- Deutsch
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23, 29. Januar. Nichtamtlicher Theil. 351 Glücklicherweise kennt der Deutsche keinen nationalen Fanatis mus in Dingen, die der einen Nation wie der anderen zu gut kom men; seine völkervermittclnde Rolle schafft ihm alle Vorzüge und Vortheile anderer Nationen ins Haus. Nicht sein Pochen auf das Deutschlhum (— wie der Franzose auf das Franzosenthum pochte —) nein, sein „allerwcltsgefälliges Aneignen, Aufnehmen und Verarbeiten unterschiedslos aller großen und guten Leistungen aller Völker haben ihn zum Meister gemacht, nicht nur im Kriege, sondern auch in vielen anderen Zweigen mensch licher Thätigkeit und nicht zuletzt im Bereich des Buchdrucks und Buchhandels. Außer der ganzen neuen Welt, deren Einflüsse dem euro päischen Leben noch einstens gewaltig näher treten werden, bedienen sich Engländer, Franzosen, Spanier, Portugiesen, Italiener, Bel gier, Holländer, Polen, Czechen, Ungarn, Rumänen, Kroaten, Slo- venen rc. ganz, die Dänen, Schweden, Norweger und Deutschen be reits theilweise der Antiqua. Da cs nun in keiner Weise zu erwarten noch zu wünschen ist, daß N der civilisirten Welt den Deutschen zu lieb die Fractur an nehmen, so ist es unstreitig natürlicher, daß das Fractur-Sechstel sich der Majorität anbequemt und die Fractur als currente Schrift nach und nach fallen läßt. Der praktische Sinn der deutschen Buchdrucker, und vor allem das gewaltig entfesselte internationale Leben der civilisirten Völker wird von selbst, stetig wenn auch langsam, zu diesem Ziele hinfüh ren. Alt Hergebrachtes ist stets schwer auszurotten, aber wenn wir früher in der Volksschule nur Fraktur lesen lernten, so lernen wir nun schon lange gleichmäßig Fractur und Antiqua, und heute ist der allgemeinen Verbreitung eines in Antiqua gedruckten schönwissen- schastlichen Werkes nichts anderes mehr hinderlich als die Ge wohnheit. Herr Mahlau, Buchdrucker in Frankfurt a. M., betont in Nr. 124 der „Typographischen Annalen", wie vortheilhaft die Ein führung der Antiqua als currente Schrift für den deutschen Buch drucker sein würde, und wie deren Einführung vielfach in Lessen Hand liege. Würde man nicht Herrn Mahlau Unrecht thun, wenn man ihm „eigensinnige Prinzipienreiterei" unterschöbe? Der Artikel in Nr. 13 d. Bl. geht der Frage nicht an den Leib; er beschränkt sich darauf, jene Broschüre mit vornehmer Hand einzuführen, die Gegner abzukanzeln und die Sache als längst ent schieden hinzustellen. Da die Thatsachc des Wachsthums deutscher Literatur im An- tiqua-Gewande diesen souveränen Behauptungen direct gegenüber steht; da gerade in dem nach jenes Meinung von der Fractur ganz beherrschten Felde der Nationalliteratur das vorige Jahr Antiqua- Ausgaben Schiller'scher und Goethe'scher Werke rc. gebracht hat, so dürste es sich lohnen, den Inhalt jener Broschüre näher anzusehen, die „ein ausschlaggebendes Gewicht in die Wagschale der Fractur wirft". Herr Hering beginnt mit dem großartigen Sieg der deutschen Waffen rc. über dasFalsche und Böse, d. i. die Franzosen, und meint, daß dieser Sieg auch einen ungeheuren Aufschwung des Deutsch thums, d. i. der Fractur, zur Folge haben müsse. Er gesteht übrigens, daß auch ein langer Bandwurm gegen die Fractur sich austreiben ließe (— Also doch? —) Nun folgen die gesammelten Zcugenschaftcn: Nr. 1 erzählt, daß ein Herr Fr.Knorr in Philadelphia nachFractur- Büchern mit Erfolg Deutsch gelehrt habe. (—Merkwürdig! — ) Nr- 2. Herr Oehlschlager in Philadelphia bezeugt, daß er keine Schwierigkeiten gefunden hat, Deutsch inFracturschrift zu lehren; dann, daß Wer überhaupt schön schreibt, ebenso schön englisch wie deutsch schreiben lernt. Er gibt dagegen zu, daß den Fremden die vielen Undeutlichkeiten und mangelhaften Unterschiede der Fractur-Lettern, namentlich der Versalien, verwirren. Nr. 3. Herr Seidensticker sagt: die Fractur hat den Vortheil dia kritischer Abzeichen und ist aus diesem Grunde den Ausländern geradezu von Nutzen. Die Fractur ist keinerlei Hinderniß bei Erlernung der deutschen Sprache. (— Demnach haben z. B. auch die russischen oder cyrillischen Schriftzeichen diesen diakri tischen Vorzug, sind für den Fremden geradezu von Nutzen und bilden kein Hinderniß zur Erlernung der Sprachen. — Wer unterschreibt dies? —) Nr. 4. Herr Schmidt gibt wie Herr Oehlschlager zu, daß die mangel haften Formen der Fractur dem Anfänger einige Schwierigkeit machen. Deutsche Worte in Antiqua aber verleiten den Eng länder, sie englisch zu lesen. Jede Erleichterung des Erkennens wird ausgewogen durch die Schwierigkeit, sich gewohnter Vor stellungen entäußern zu müssen. (— Gut, aber was fängt dann ein armer Deutscher an, der erst lateinisch, dann französisch, eng lisch, italienisch, spanisch, polnisch, ungarisch rc. rc., alles und alles in denselben Schriftlichen lernen muß, und keine dieser Nationen nimmt weder für ihn noch unter sich Rücksicht auf die Schwierigkeit, sich gewohnter Vorstellungen entäußern zu müssen! —) Bei Schülern, sagt Herr Schmidt, ist oft die Vorliebe für deutsche Bücher in Fractur „der Stolz des Könnens", und sie ist natürlich nicht maßgebend bei Entscheidung jener Frage. (— Gewiß eine unparteiische und einsichtsvolle Erklärung dieses Umstandes. —) Aber Herr Schmidt sagt noch, daß nach längerem Lesen dev geradlinigen Antiqua, der Anblick der abgerundeten Fractur eine wahrhafte Augenweide sei. (— Die Geschmäcke sind verschieden, sagt Herr Frommann. —) Nr. 5. Herr Angela bringt wieder den bei Anblick der Antiqua in das Englische fallenden Amerikaner vor (siche Nr. 4). Nr. 6. Herr Hilgard sagt auf gut englisch, daß die alte englische Schrift entschieden am wenigsten ermüde. Wenn, sagt er, gewich tige Gründe für den Gebrauch einer Schriftform wären, so würde ich Antiqua verziehen, weil diese weniger Aufmerksamkeit erfordert als Fractur. Der Unterschied zwischen n und u, v und m ist besser, das s ist besser, das ü ebenso, dieVersalien überhaupt sind bedeutend besser in Antiqua als in Fractur. Nr. 7. Herr Hering selbst erzählt uns, daß seinen Augen die deut schen Staben besser Zusagen, daß er als Knabe Antiqua und Fractur lesen gelernt, kurzsichtig sei, 65 Jahre lang in beiden Schriften gleichviel gelesen habe, viel auf der Eisenbahn gefahren und dabei gelesen habe, und daß er nun im siebzigsten Jahre zu der Ueberzeugung gekommen sei, daß Antiqua die Augen weit mehr anstrenge als Fractur. Er warnt vor den Aussprüchen großmäuliger Leute, und erfreuet uns schließlich mit der Nach richt, daß er sich einen Schreibkasten erfunden. Nr. 8. Herr Raue lebt der Meinung, daß die Fractur ein Ergeb- niß der innersten und eigenartigsten Entwicklung der deutschen Seele ist. (— Wer über die Entstehung der Fractur eine Auf klärung braucht, der wende sich an die historischen Quellen. —) Ersagt, jede lebensfähige Sprache hat sich ihreeigenen Zeichen geschaffen. Wenn die englische, französische, spanische, italienische Sprache und andere sich gemeinsamer Schriftzeichen bedienen, so hat das seinen Grund in der gemeinsamen Abstam mung dieser Sprachen. (— Arme Polen, arme Ungarn rc., eure Sprachen sind nicht lebensfähig! —) Es fällt aber, fährt Herr Naue fort, keinem Engländer, Fran zosen rc. ein, jemals seine Sprache in die Schriftzeichen einer anderen Sprache hineinzurenkcn. Das muß sich nur die deutsche Sprache durch ihre allerunterthänigen und allerweltsgcfälligen 47*
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