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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.03.1878
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 04.03.1878
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- Deutsch
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880 Nichtamtlicher Theil. ^ 53, 4. März. Summen verwenden kann. Kann es kläglichere Verhältnisse geben, als wenn ein Schriftsteller von einer Zeitschrift, die er selbst viele Jahre lang hcrausgegeben hat, so oft er einen Band davon braucht, ihn von der öffentlichenBibliothck entleihen muß, weil er auch sein letztesEremplar hat veräußern müssen? Das ist deutsches Schriftstellerloos! Aber gerade unter den ärmsten Teufeln begegnet man oft in diesem Punkte einer rührenden Vornehmheit der Gesinnung, während umgekehrt no torisch wohlsituirte Herren bisweilen die nothwendigsten Handbücher ihres eigensten wissenschaftlichen Faches, ohne welche sie gar nichts anfangen, die sie keinen Tag entbehren könnten, monate-, ja selbst jahrelang von der Bibliothek zu Hause behalten und sie auf diese Weise Andern ent ziehen, die vielleicht beim besten Willen nicht im Stande sind, sie sich anzuschaffen. DerBibliothekar macht hier gar wunderliche Beobachtungen und lernt hierdurch manchen seiner Mitmenschen mit der Zeit von einer Seite kennen, von der Andre nichts ahnen. Zum Glück ist dafür gesorgt, daß unter all den Forderungen, die an den Bibliothekar gestellt werden, es an der nöthigen erheiternden Ab wechslung nicht fehle. Der unfreiwillige Humor treibt auch im Bi- bliotheksvcrkehr entzückende Blüthen. Unbezahlbare Scherze begegnen fort und fort unter den Bücherbestellungen, schriftlichen wie mündlichen. Man hat die Bibliothekare in der oben erwähnten Weise mit den Post beamten verglichen. Nun, was Bibliothekaren im Errathen von litera rischen Wünschen aller Art zugemuthet wird, das läßt sich allerdings nur mit dem auf eine Linie stellen, was Postbeamte im Entziffern von Briefadressen leisten müssen. Wer soll ahnen, daß unter einem Titel, wie: „Berner, Bibliothek, 6oä. murr. Nr. 139" eine Handschrift der Bibliothek in Bern gemeint ist? daß Derjenige, der sich das „Oester- reichischePrivatrechtinUngarn"ausbat,eigentlich„Unger'soesterreichisches Privatrecht" wünschte? daß aus „Vilmar's französischer Literatur geschichte" sich der „0our8 äs littsruturs trauyums" von Villemain entpuppen würde? daß die „Zeitschrift für Civilistik und Praxis", die in der Phantasie eines Entleihers eristirte, aus dem „Archiv für civi listische Praxis" und der „Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß" zu- sammeugeronnen war? Derartige ergötzliche Confusionen kommen glücklicherweise so häufig vor, daß sie dem Bibliothekar sein saures Amt einigermaßen versüßen helfen.*) Was für komisches Unheil hat nicht schon die Verwechslung der fünf L angerichtet: Lützow, Lücke, Lübker, Lübke und Lemcke! Der Leser kennt die Anekdote von jenem Toaste, den Jemand an einer Tafel ausgebracht haben soll, bei der^der bekannte Bildhauer Tieck, der Bruder des Dichters, anwesend war: „Oranien hoch!" Der Unglückselige, der den Trinkspruch ausbrachte, hatte, wie sich später hcrausstellte, den Bildhauer Tieck mit dem Dichter Tieck, den Dichter Tieck mit dem Dichter Tiedge und des letztern „Urania" mit Oranien verwechselt. 8s non vsro, dsn trovato. Folgendes aber ist nicht erfunden, obgleich es nicht um ein Haar wahrscheinlicher ist. Ein junger Mann verlangt auf der Bibliothek: „Lübker's Kunst- lcrikon". Es wird ihm eröffnet, daß ein Buch dieses Titels überhaupt nicht eristire, wohl aber ein „Realwörterbuch des klassischen Alterthums" von Lübker und ein „Handbuch der Kunstgeschichte" von Lübke, und zunächst constatirt, welches von diesen beiden Büchern der Suchende wohl gemeint habe. Da er sich für das letztere entschließt, so wird die weitere Frage an ihn gerichtet, ob ihm nicht eine Specialdarstellung lieber sei, als dies Kompendium, ob er eine Geschichte der Architektur, der Plastik oder der Malerei wünsche. Die Antwort lautet: „Keins von allen dreien, sondern der Musik." Hierauf wird ihm denn, da hier beim besten Willen weder Lübke noch Lübker helfen kann, die „Musikgeschichte" von Ambros gebracht. Er blättert eine Weile darin hemm und gibt sie dann zurück mit dem Bemerken, daß er das, was er suche, auch hierin nicht finden könne. Nun wird ihm endlich mit *) Auch für solche Erfahrungen ist die obige Anmerkung von der Red. des Börsenbl. vollkommen zutreffend. der directen Frage zu Leibe gegangen, worüber er denn eigentlich Aus kunft wünsche, und da stellt sich denn heraus, daß er eine Darstellung — der Zahlenverhältnisse in den Saitenschwingungen sucht! Und das sollte in „Lübker's Kunstlerikon" zu finden sein! Ein derartiger Scherz ist im Staude, einen für wochenlange Plagen zu entschädigen. Nicht minder erquickende Momente sind es, wenn der biedere Secundaner erscheint, der gelesen hat, daß Livius seine Darstellung der römischen Geschichte unter anderem aus Fabius Pictor, Cincius Alimentus und Valerius Antias geschöpft habe, und nun in dem echt wissenschaftlichen Drange, an die Quellen vorzudringcn, sich die Geschichtswerke dieser drei ausbittet, die nur leider — seit nahezu zweitausend Jahren schon verschollen sind. Oder wenn der Secondeleutnant, der seinen üblichen Sommeraufsatz schreiben will und sich dazu, wie sich's gebührt, ein hochgelahrtes kricgsgeschichtliches Thema auserkoren hat, sich Material über die Belagemng von Veji erbittet, „womöglich mit Plänen". Oder wenn der zugereiste Fremde aus dem nächsten Hotel den Kellner auf die Bibliothek schickt und, wahrscheinlich weil er etwas Kaffcelectüre wünscht, sich den Katalog auf ein paar Minuten ausbitten läßt, unfern Katalog, der, wie Sic wissen, aus dreißig Folianten besteht. Oder wenn der kürzlich für Geld in den Freiherrn stand erhobene Oekonom, der nachträglich noch etwas für seine Bildung thun möchte, sich die Erlaubniß auswirkt, Kant's „Kritik der reinen Vernunft", die er sich vor einigen Wochen geholt, noch eine Zeit lang behalten zu können, weil es „ein gar zu reizendes Buch" sei. Oder wenn endlich der Herr Professor so und so — Sie kennen ihn ja, unfern gemeinschaftlichen Freund, den größten Philologen unter den Musikern und den größten Musiker unter den Philologen — die „Supplemente zum Aeschylus" verlangt, weil er in einem Citate — ,Assob. 8uxx1." — auf die „Zupplioos", d. h. die „Schutzflehendcn" dieses Dichters verwiesen worden ist. Doch genug. Sie sehen, daß meine Sammlung, von der ich Ihnen seiner Zeit schon mündlich einige Pröbchen gegeben, inzwischen hübschen Zuwachs erhalten hat. Lassen Sie mich zum Schluß nur noch eine kleine Auslese aus unserem „Zettelkasten" hinzufügen — für Bücherkenner und bibliographische Feinschmecker, und deshalb ohne Commentar. Man wird auch diesen Wünschen, wie allen Eingebungen der göttlichen Moria, hoffentlich den Stempel der Echtheit ansehen. Derlei ist zu schön, als daß es erfunden werden könnte: 1) Lopdoolis Lsroules tursns. 2) bluripiäis Blockes,, säiäit Llsäor. 1837. 3) Nonuus Oiouz-sius. 4) Illuuti Nllss ouriosus. 5) Lostllirm, äs oou8olutions pllilosopllias (oder eine deutsche Ueber- setzung hiervon). Das Original ist erschienen zwischen 480—526 nach Ehr.*) 6) Der 6oäsx Tuursntiunus und der Ooäsx ?urisinu8 4. deS Sophokles. 7) 6orpu8 iusvrixtionuiu Araeourum, sä. Nommssn. Vol. I. 8) äu Obssos. Lmtorias kruusious 8oriptors8. KoustLnsi, 1636. 9) Crowe und Cavalcaselle, der Band über Correggio. 10) Leipzig, Gesammtwerke von Klopp. Bd. 2. 11) Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Revolution. 12) Tieck's Dramaturgeschichte. 13) Ein Eremplar des Codex. 14) Kunstzeitschrift für vergleichende Sprachforschung. Bd. 2. 15) Richard Wagner, das Judenthum in der Musik, und Beigel, Atlas der Frauenkrankheiten. 16) Albert Schmidt, a. a. O. I. 17) Hänel. *) Schade, daß der Bittsteller nicht auch noch den Verleger angegeben!
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