Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.08.1925
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1925-08-29
- Erscheinungsdatum
- 29.08.1925
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19250829
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192508294
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19250829
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1925
- Monat1925-08
- Tag1925-08-29
- Monat1925-08
- Jahr1925
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
K 202. 29. August 1925. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. DUchn. Buchhandel. 12915 die letzten Reste seines Vermögens zusainmenkratzt, um mit un genügend gewordenen Mitteln das zu unternehmen, was heute im Augenblick geschehen mühte. Denn das Wichtigste, meine sehr geehrten Herren, ist heutzutage das Tempo! Wer den Verdienst, den er jetzt haben muh, erst in einem halben Jahre einstcckcn will, kommt unter den Schlitten. »Was Schüttler da sagt, ist alles gut und richtig!«, so höre ich Sie, meine sehr geehrten Herren, reden, »aber woher sollen wir das Geld sür derartig großzügige, korporative Maßnahmen nehmen?« Wenn Sic das heute noch nicht wissen, meine Herren, dann werden Sie spätestens in einem halben Jahre Rat schassen müssen. Aber die Verhältnisse werden dann schon weit ungün stiger für Sie liegen. Will der Börsenvcrein wirklich zuschen, wie das Börsenblatt in den nächsten Monaten wieder zu dicken Wälzern anschwillt, ohne daß etwas Durchgreifendes für den Vertrieb des deutschen Buches geschieht? Übersetzungen. Bon Or. W. B o r g i u s - Lichterfelde. Mit nachstehenden Ausführungen regt der Verfasser eine Einrichtung an, die dem Ver lagsbuchhandel großen Nutzen bringen würde. Red. Im Berliner Tageblatt vom 15. Juli d. I. veröffentlichte ein Herr M. M. Gehrke einen launig-ingrimmigen Entrüstungsartikel über »die unsägliche Schlamperei unserer — von der Kritik abwechselnd alH .flüssig', ,exakt', ,vortrefflich' und »restlos nachschöpfend' bezeichnet«» — Übersetzungen«. In Wirklichkeit könne man nicht nur bei allen diesen Übersetzungen »einen faustdicken Fehler nach dem andern Nachweisen«, sondern »was sich einem an Nachlässigkeit, Schiefheit, Schluderet aus drängt, das übertrifft die unzweideutigen Irrtttmer um ein Vielfaches an Zahl und Widerwärtigkeit«. Der Autor führt dann verschiedene Beispiele an, von denen einige in der Tat tragikomisch genug sind: So wenn in einem biographischen Werk .... . von »Gedanken« die Rede ist. die »gleich Bienen aus der Rüsche des Hauptes aufsteigen und es umflattern«, weil der Über setzer in seiner Faulheit lieber offenbaren Blödsinn hinschreibt, statt im Lexikon nachzuschlagen, daß la rucke der Bienenkorb heißt. Oder wenn in einem reizenden Buch eines schwedischen Verfassers zwei Ner venärzte . . . zweihundert Seiten lang ... als »die beiden Psycho pathen« bezeichnet werden, was die sinnige Übersetzerin mit »Psychi ater« verwechselte. »Wie wäre es, wenn die Herren Verleger die Übersetzungen nicht dauernd an Herrschaften vergeben würden, die dnrch ein Jahr Mädchen pensionat oder Kaufmannsvolontärstellung als Kenner der oder jener fremden Sprache abgestempelt sind, sondern lieber an solche, — die Deutsch können? Maßgebend für die Erteilung eines llbersetzungs- auftrages sollte doch nicht nur die ungefähre Beherrschung der fremden Grammatik sein, sondern mindestens ebensosehr die Frage, ob der Übersetzer imstande ist, auch eine .... selbständige Arbeit in druck reifem Deutsch zu liefern. Bei drei Vierteln der Übersetzungen ins Deutsche darf diese Frage wohl kühnlich verneint werden.« — Die erhobenen Anklagen sind in der Tat nicht übertrieben. Sicher lich gibt es auch manche tadellose Übersetzungen auf dem deutschen Büchermarkt. Aber im großen Ganzen ist es gerade bei dem sonstigen Hochstand der deutschen Literatur erstaunlich und betrüblich, einen wie unglaublichen Tiefstand das Niveau unserer U b e r s e tz u n g s l i t e r a t u r aufweist. Seit langen Jahren ist mir die Lektüre ansländischer Litcratnrwerke dadurch ver gällt, und ich möchte daher die Gelegenheit des obigen Artikels be nutzen. nm einmal an zuständigster Stelle, im Fachorgan des deutschen Buchhandels, den Finger ans diese Wunde zu legen. Zunächst noch ein paar Beispiele aus der Praxis, damit inan sich überzeuge, in welchem Maße an der deutschen Sprache ge sündigt wird. Die Angabe der Titel der Bücher, ans denen die Bei spiele entnommen sind, unterbleibt auf Wunsch der Redaktion, doch können sie jederzeit mitgeteilt werden. (Es sind durchweg Werke erster Autoren.) Ist ein Übersetzer wirklich berechtigt, sich an die Übertragung eines französischen Romans zu wagen, wenn er. wie ich es kürzlich in einem (mir leider im Augenblick nicht erinnerlichen) Werke konstatierte, ständig -Kötel cke viüe« mit Stadthaus statt mit Rathaus über setzt, »autorües de In viüe« mit »die Autoritäten der Stadt« es hat ihm dabei wohl so etwas, wie die Honoratioren« vorge schwebt —. weil er nicht weiß, daß dies die »K o m m u n a l b e h ö r - den« sind; wenn er das eingeschobcnc »je peiwe«, »je crois« stets mit »ich denke«, »ich glaube« wiedergibt, während wir im Deutschen »denk ich« und »glaub ich« sagen? Ist cs nicht wirklich eine groteske Faul heit. das Lexikon zu wälzen, wenn die Übersetzerin eines russischen Romans den russischen Ausdruck für das im Deutschen (nicht schön, aber nun doch einmal üblicherweise und allgemein) mit »Kommode« bezcichnete Möbel wörtlich aus dem Russischen mit »Schubladen- kasten« bezeichnet (wobei wahrscheinlich sie selbst sich ebensowenig darum kümmerte, was gemeint war, wie der deutsche Leser es ahnen kann)? Oder wenn sie einen unglücklichen Knaben über einer »Glei chnng mit zwei Courieren« schwitzen läßt, während doch jeder halbwegs gebildete Deutsche weiß, was eine »Gleichung mit zwei U n - bekannten« ist? Das nur ein paar mir in diesem Zusammenhang gerade einsal lende Erinnerungen. Aber ich will planmäßiger Vorgehen: Ich greife nach Gutdünken in meine Bibliothek und schlage in den herausgenvm- menen Übersetzungen nach Belieben diese und jene Seite auf. Da lese ich in einem amerikanischen Roman: »Bald darauf fühlte sich Jurgis bewogen, den ermüdenden Ge fahren und Angelegenheiten vielseitiger Verbrechen zu entsagen und sich der Politik znzuwenden. Gerade um diese Zeit wurde ein fürch terliches Geschrei über das Bündnis zwischen Polizei und Verbrechern erhoben. Tenn das Verbrecherfach war eine Sache, an der die Ge schäftsleute keinen direkten Anteil hatten. Würde irgendein deutscher Schriftsteller selbst mäßigeren Ranges einen solchen kaum verständlichen Gallimathias verbrechen? Vermut lich würde er etwa folgendermaßen sich ausdrücken: »Bald darauf bekam Jurgis die aufreibende Gefährlichkeit und Buntscheckigkeit des Verbrecherlebcns satt und beschloß, zur politischen Polizei überzugehen. Es war damals gerade großer Lärm entstanden darüber, daß Polizei und Verbrecher unter einer Decke steckten. Denn die Kriminalabteilung war ein Fach, zu dem die Geschäftswelt keine Beziehungen hatte.« In der Übersetzung eines berühmten französischen Buches finde ich: »ihr wohlanständiger Abscheu gegen die Bastardschaft, die ans nied riger Ausschweifung hervorgegangen war« — gemeint ist: »ihr mo ralischer Widerwille gegen ein aus gemeiner Sinnlichkeit entsprossenes uneheliches Kind«. — Auf der nächsten Seite hat dieselbe Dame »eine Stunde rächenden Genusses« statt »eine Stunde süßer Rache«, und dann wird geklagt iiber »die durch egoistischen Geldstolz notwendig werdenden Unterschlagungen, das geduldete, den schlecht befriedigten Appetit des Mannes gestattete kleine Laster, den allmählichen Niedergang des intelligenten Kopfes«. — Ich würde übersetzen: »die der Repräsentationssucht zuliebe unternommenen Unterschleife, diö dem unzulänglich befriedigten Begehren des Mannes nachgesehenen kleinen Ausschweifungen, der allmähliche Rückgang seiner geistigen Fähigkeiten«. In einem dritten Werk, wieder einem amerikanischen Roman, steht: »er ist ein netter kleiner Mann und würde in London einen feinen Lärm machen«. Es handelt sich um einen angehenden Bot schafters Sagen wir also: »Ein patentes Kerlchen, würde in London Furore machen«. Ich schlage ein paar Seiten um: da ist vom »Präsidenten der Union« die Rede. Nanu? Spielt Wilson oder Roosevelt eine Rolle in dem Roman? Ei wo! Ein genauerer Hin blick ergibt, daß der »Obmann der Gewerkschaft« gemeint ist! Wenige Zeilen weiter unten »treiben . . . Detektivs ... die Leute zu Tätlich keiten«. statt daß »Lockspitzel das Volk zu Ausschreitungen verleiten«. Die Übersetzung eines dänischen Romans bietet reiche Auslese: Seite 270 unterhält sich der Pastor (der als die »Fackel« von Söby bezeichnet wird, statt als »Leuchte«) mit der Konsulin »über dieses Leben und das auf der anderen Seite« (»über das irdische Leben und das Jenseits«). Seite 280 schreibt jemand ein Schauspiel mit den: Titel »Die sogenannte beste Alterskomödie« (»Die Komödie des so genannten ,besten Alters'«). Ebendort macht jemand im Skat »fünf Trick« statt »fünf Stiche« und fordert seinen Mitspieler, nach dem er Treff ausgespielt hat. ans. Treff »auszuspielcn« (statt »znzu- geben«). Der Ausdruck »Kehrichtfahrer« heißt ans deutsch: »Müll kutscher ! — Seite 294: »Sonst hat Sonja cs ... ganz gut«; das dä nische »Kar riet gockt« heißt aber »es geht ihr gut«, und das ist etwas stanciert« (gemeint ist »ausgcstochcn«). Seite 250 soll sich jemand »nützlich machen sür Kost und Logis« sgcmeint ist, er soll sich »Unter kunft und Verpflegung verdienen«). Seite 204 wird jemand angeredet »Kaufmann« (nicht einmal mit »Herr« davor, abgesehen davon, daß man im Deutschen auch niemand mit »Herr Kaufmann« anredeu würde). Seite 266 wird ein Bankkrach »trübselig« genannt statt »be dauerlich« oder »beklagenswert«. Ebendort heißt es von der Regie rung: »Wir können alle diese Stöße nicht aushalten: das Zutrauen ist erschüttert . . . Der große Stoß mit dem Minister mar mehr als hia- 1702*
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder