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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.12.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-12-30
- Erscheinungsdatum
- 30.12.1913
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. 301, 30. Dezember 1913. Lesdr; wir streiten mit ihr, wir widersprechen ihr, wir finden es unbegreiflich von ihr, dieses oder jenes Buch zu verlegen, das »ns ja heute nicht mehr bloß ein Ausdruck seines Autors, das uns jetzt auch ein Ausdruck seines Berlegers, für das uns der Verleger mitverantwortlich ist. Das Buch ist uns bisweilen ganz gleichgültig, aber es durfte, finden wir, nicht bei diesem Berleger erscheinen. Wir bringen dem Buche ein gutes oder böses Vorurteil entgegen, je nach dem Verleger, bei dem es erscheint; ja wir legen einen ganz anderen Matzstab an, je nach dem Verleger. Und mancher Schriftsteller hat sich schon, zum höchsten eigenen Erstaunen, einer Partei zugezählt, einer Ge sinnung verdächtigt, einer Richtung eingereiht gesehen, die er selber kaum kennt, je nach seinem Verleger. So stark ist der Ver leger heute schon geworden, datz er auf den Autor abfärbt. Je nach dem Verleger wirkt der Autor anders, er wirkt nicht mehr rein, er wirkt nicht mehr blotz aus sich allein, der Verleger mischt sich ein und formt unwillkürlich die Wirkung des Autors um. Manch ein Autor kann davon erzählen, eine wie starke Sug gestion vom bloßen Namen des Verlegers ausgeht, manchem nützt es, manchem hat es auch schon geschadet: er ist selbst durch den stärkeren Verleger fast unkenntlich geworden. Wenn ich Beispiele nennen soll, so will ich mich nun aber nicht verdächtig machen, pro ckomo zu sprechen, ich muß es mir also versagen, das Haus S. Fischer zu rühmen, dem ich selbst angehöre. Dieser Name wäre der beste Zeuge für meine Mei nung. Wer ihn hört, erinnert sich zunächst vielleicht gar nicht, daß das der Verleger Ibsens und Björnsons, Hauptmanns und Dehmels, Schnitzlers und Wassermanns ist, er weiß kaum, daß es der Verleger des »Tunnels« ist, und vielleicht fällt ihm zunächst auch die »Neue Rundschau« nicht ein, aber jeder reagiert auf diesen Namen ganz unmittelbar; er verbindet einen deutlichen Begriff damit, der Name sagt ihm einen ganz ausgesprochenen Geschmack an, den der eine teilen, der andere vielleicht abweisen wird und doch keiner klarer angeben kann, als wenn br sagt: S. Fischer. Auch dem Insel-Verlag bin ich ja zu nahe, um mehr von ihm sagen zu dürfen, als datz auch sein bloßer Name schon uns eine fest umrissene Vorstellung bringt. Man merkt diesem Verlag heute noch seinen Stifter Bierbaum an, ganz leise schmeckt er noch nach der artistischen Zeit, aber mit einem Zusatz von Strenge, ja Würde, den er Wohl von Kippend erg, dem jetzigen Leiter, hat. Goethe beherrscht ihn: da ist »Der junge Goethe« Hirzels in der neuen Ausgabe von Max Morris, dann die Grotzherzog Wilhelm Ernst-Ausgabe in sechzehn und die billige Erich Schmidts in sechs Bänden, der wunderschöne Druck der »Italienischen Reise« mit den Zeichnungen und die Gespräche und die Briefe. Die Grotzherzog Wilhelm Ernst-Ausgaben Schillers und Schopenhauers, Schröders Erneuerung der »Odyssee« und Nietzsches Briefe, die Bibliothek der Romane und die Zweimarkbände schließen sich an. Noch gar nicht absehen aber läßt sich die Wirkung der Insel-Bücherei, einer Tat, die nur etwa mit Reclams so fruchtbarem Einsall der Universal-Bibliothek ver glichen werden kann. Der Insel-Verlag ruht auf dem vergeistig ten Weltsinn unserer klassischen Zeit; er wirkt etwa wie ein Bau Messels, überliefertes treu hegend, zart fortbtldend, mit Eigenart ohne Eigensinn. Wie ganz anders blickt uns da der Gelehrtenkopf Teub- ners an! Das ist der Verlag der großen. Synthese. Über hundert Jahre alt, hat er behutsam, ja fast ängstlich begonnen, im Fache der Philologie zunächst, später sich auch an die Mathe matik wagend und von ihr zur Pädagogik schreitend, die ihm nun allmählich einen immer universelleren Zug gibt. Seine Herkunft fühlt man ihm noch immer an, er hat sich des klassischen Philologen Akribie bewahrt, die ihn auf seinem kühnen Weg in die Weite der sich unermeßlich ausdehnenden Wissenschaft war nend begleitet. Ein Drang ins Allgemeine bei starkem Sinn fürs Einzelne; ein enzyklopädisches Verlangen, gezügelt durch eine zuweilen fast etwas pedantische Neigung zum Detail, zieht ihn aus der Enge der Gelehrsamkeit ins Volk hinaus und schützt ihn doch davor, flach zu werden. Oberlehrer und Volksredner mischen sich in ihm gut. Er kann es wagen, populär zu sein, er wird doch nie banal. Ritschl hat einst die »wahren Adler schwingen« des Tcubnerschen Verlags gerühmt. Damit ist sein Wesen gut getroffen: das ruhige Kreisen in großer Höhe mit dem spähenden Blick ins Weite. Sein Hauptwerk ist jetzt »Die Kultur der Gegenwart«, angelegt auf achtzig Bände, heraus gegeben von Professor Paul Hinneberg, zusammen mit Ernten, Paulsen, Harnack, Troeltsch, Ehrhard, Mausbach, Arnim, Wila- mowitz, Schlenther, Göhler, Ostwald, Liszt. Daneben die gemein verständlichen Darstellungen »Aus Natur und Geisteswelt«, schon über vierhundert Bändchen. Und sie ergänzt die Sammlung »Wissenschaft und Hypothese«. Da nun aber, beim heutigen »Betrieb« der Wissenschaft, solche Darstellungen, bevor sie noch in den Handel gelangen, meistens schon wieder überholt sind, ver sucht der Verlag, dem Unterricht jetzt sozusagen journalistisch bei zukommen: jedes Jahr soll in seinem geistigen Verlauf gleich ausgenommen und sein Ergebnis uns, wenn es scheidet, schon fertig ins Haus geliefert werden. Eben ist der erste Band davon erschienen: »Das Jahr 1913«, herausgegeben von vr. Sarason, sicherlich dem Gebildeten willkommen, dem ja jetzt nichts mehr Sorge macht, als wie er es denn anstellen soll, »mitzukommen«; ein jeden Samstag neu erscheinendes Taschenkonversationslexikon könnten wir brauchen. Aber man vergleiche nun Teubners Verlag einmal mit dem von C. H. Beck, der ihm geistig verwandt ist, und man hat den ganzen Unterschied der norddeutschen von der süddeutschen Art. Die Becks stammen aus Nördlingen, das Geschäft besteht schon sei 1783. Auch sie haben den bedächtigen Schritt der Teubners, halten sich zunächst an ein einzelnes Fach, an die Theologie, gliedern erst allmählich ein zweites an, die bayrische Juris prudenz, aber auch sie drängt cs bald, sich auszuweiten, auch sie verlangt nach Synthese der Gelehrtcn-Arbeit mit volkstümlicher Wirkung. Nur ist der Süddeutsche zugleich konservativer und doch auch radikaler als der Norddeutsche. Nämlich er geht langsamer, aber er geht weiter. Und während der Norddeutsche vor allem fragt, was die Sache will, hält sich der Süddeutsche mehr an den sinnreichen Eindruck der Person. So pflegt gerade dieser Verlag mit Vorliebe die Biographie: Bielschowslys »Goethe« ist hier erschienen, Bettelheims »Beaumarchais«, Eugen Kühne manns prachtvoller »Herder« und sein »Schiller«, Kronenbergs »Kant«, Herzogs »Kleist« und eben jetzt des unermüdlichen Richard M. Meyers »Nietzsche«. Doch auch in der Auswahl der Autoren spürt man überall des Verlags lebendiges Gefühl für Persönlichkeit. .Hier stehen der unvergeßliche Furtwängler, der noch immer verkannte, doch gewiß in den Deutschen dereinst aus erwachende Emil Gött und mein herrlicher Johannes Müller beisammen. Ist es ein Zufall? Ich kann es nicht glauben. Ter Zufall wäre zu seltsam, ein wahrhaft methodischer Zufall! Der eine war ein Archäolog, der zweite war ein Dichter, dieser gar ist nichts als ein Mensch. So hat jeder sein Fach. Was sollen sie beisammen? Aber sie gehören zusammen, denn ins geheim, irgendwie sind sie Brüder. Wunderschön ist es, datz sie hier beisammen sind! Und eben das beweist mir ja wieder, daß der Verleger heute mehr als ein Händler, mehr als ein Vermittler ist, datz er seinen eigenen lebendigen Willen ein setzt, datz er in seinen Autoren sich den Ausdruck seiner inneren Welt schafft. Nehmen wir, da wir mit Beck nach München gelangt sind, gleich Georg Müller! Auch hier empfängt uns ein ganz persönlicher Geschmack. Es ist der Verleger Strindbergs und Wedekinds. Damit stimmt, datz er jetzt das erste Buch des genia lischen Malers Paris von Gütersloh gebracht hat; der gehört zur selben Rasse. Ja, nun ist aber des Verlags stärkste Leistung doch der »Prophläen-G o e t h e«, von dem jetzt schon dreiundzwanzig große Bände (darunter als schönste Gabe die Farbenlehre, in zwei Bänden, endlich einmal vollständig) mit zwei Supple menten erschienen sind. Wie stimmt das? Durchaus. Man darf mich nur nicht mißverstehen, wenn ich sage, datz dieser Goethe mit den Augen Strindbergs oder Wedekinds gesehen ist, mit Augen nämlich, die überall das innerste Leben, goethisch zu reden: »des Lebens Leben« suchen. So wird hier das schaffende Geheimnis Goethes aufgespürt. Indem diese Ausgabe chrono logisch verfährt und Briefe, Tagebücher, Entwürfe ausgiebig benützt, legt sie uns nicht bloß Goethes Werke vor, sie läßt sie
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