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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.11.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-11-18
- Erscheinungsdatum
- 18.11.1913
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- Deutsch
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lFortsetzung z» Seite 124844 dem füllen Antiquar sich aufhalten konnte, der, einem Einsiedler nicht unähnlich, die Schätze des Cohenschen Antiquariats verwal tete. Unter diesen Schätzen gab cs viel zu graben. Und der lesehungrige junge Sortimenter, der die in Kommission geliefer ten gehefteten Neuigkeiten nicht ausschneiden durfte, fand hier ein reiches Feld heimlicher Betätigung. Manche Viertelstunde hei ligen und andächtigen Schmökerns, wie es eben nur jungen Men schen eigen ist, die den Kopf voll der mannigfaltigsten Dinge haben, hat Haarhaus so erlebt. Und wie sich die Fülle der Ge danken doch schließlich auf eine Stelle sammelt, so fühlte sich der junge Buchhändler zunächst zur Geschichte und Philosophie, dann aber auf dem Wege über die Neulateiner zur klassischen Philo logie gezogen. Und hatte es ihm das leichte, gefällige Latein an getan, wie es in einem Duodezbändchen, der Elzevierschen Aus gabe der Eollvquia des Erasmus von Rotterdam stand, so wurde diese Vorliebe noch durch den persönlichen Umgang gestärkt, den Haarhaus mit einigen jungen Philologen pflegte. Aus einem Verehrer lateinischer Klassizität wurde bald ein Archäologe eige ner Art, der es verstand, wie er schreibt: »für wenig Geld und auf mehr oder weniger legitime Weise römische Fundstücke, Bron zen, Gläser, Terracotten usw.« an sich zu bringen und sich eine kleine Sammlung derartiger Altertümer aus der alten Römerstadt Bonn anzulegen. Wie Flaischlen hat auch Haarhaus sich bereits während der Lehrzeit zum ersten Male in die Gilde der Schriftsteller gewagt. Und das kam so: Haarhaus hatte in Erfahrung gebracht, »daß der steinalte Professor Alfred Nicolovius, der schon jahrzehnte lang in Bonn privatisierte und seine Zeit damit ausfüllte, hübsche junge Mädchen mit Geburtstags- bzw. Namenstagsgedichten zu überraschen, ein Großneffe Goethes war«. Der junge Buchhänd ler begab sich einer Sonntags kurz entschlossen zu ihm und ließ sich von dem alten Herrn alles erzählen, was er aus persönlichem Umgänge von seinem »großen Großonkel« wußte. Und als der alte Professor kurze Zeit später starb, veröffentlichte Haarhaus seine Berichte im »Bonner Tageblatt«. Als Honorar erhielt er von dem Blatt, das dem Tode nahe war, — zehn Belegnummern. Es ist kein Wunder, daß eine solche durch merkwürdigste Er lebnisse gewürzte Lehrzeit dem jungen Buchhändler erfreulich war. Er blieb deshalb noch IV- Jahre als Gehilfe bei Cohen, um im Frühjahr 1890 nach Leipzig zu gehen. Hier hatte Haar- Haus durch einen alten Gönner, den Verleger Hermann Haessel, eine Gehilfenstelle in der Roßbergschen Buchhandlung erlangt. Leipzig, das Mekka des deutschen Buchhandels, wie Haarhaus cs nennt, enttäuschte jedoch den jungen Gehilfen anfangs gewal tig. Leipzig, die ernste Geschäftsstadt, und Bonn, die frohe Rhein stadt, hatten doch gar zu verschiedene Gesichter, und die Menschen in diesen beiden Städten waren sich auch recht unähnlich. Dieser Unterschied zeigte sich deutlich in der Art, wie hier in Leipzig die Bllcherkäufer ihre Einkäufe besorgten. Fast ausschließlich Ju risten waren es, die die Rotzbergsche Buchhandlung betraten. Sie befand sich damals noch in dem düsteren Bau des Paulinums, so daß fast den ganzen Tag über in dem niedrigen und engen Laden Gas gebrannt werden mußte. Die Juristen waren wortkarge Herren, die sehr geschäftsmäßig ihre Bestellungen erledigten und so keine Gelegenheit boten zu einem vertraulicheren Verkehr zwi schen Kunden und Sortimentern. Haarhaus vermißte dieses be lebende Hin und Her ziemlich; drei Jahre lang erledigte er die Expedition der Journale und Lieferungswcrke. Die eintönige Umgebung der Fortsetzungslisten vergaß er bei gelegentlichen Theaterbesuchen und im Verkehr mit den lustigen jungen Leuten, die der »alte Haessel« jeden Sonntag bei sich versammelte. Nachts gab damals Haarhaus den Gestalten, die in seinen Gedanken umherwandelten, Leben: er schrieb kleine Novellen und orienta lische Märchen, die in »Velhagen L Klasings Monatsheften«, in »Nord und Süd« und in ähnlichen Zeitschriften erschienen. Den Frühling 1893 benutzte Haarhaus dazu, seinem Geist und Körper eine Erholung zu gönnen. Er ging zu diesem Ende nach Italien und Sizilien und folgte auf seiner Reise Goethes Spuren, indem er Vergleiche anstellte zwischen den Kulturver hältnissen, wie sie Goethe Vorsand und wie sie 1893 waren. Die Frucht dieser Reise war das dreibändige Merkchen »Auf Goethes Spuren in Italien«*). Nach seiner Rückkehr im Herbste 1893 trat Haarhaus bei seinem alten Bekannten H. Haessel als Gehilfe ein und blieb bei ihm zwei Jahre. Diese Zeit bot ihm Gelegenheit, das feine lite rarische Urteil Haessels bewundern zu lernen. Das Verhältnis war stets ein gutes, obwohl manchmal geschäftliche Dinge Mei nungsverschiedenheiten hervorriefen, die von beiden Seiten tempe ramentvoll durchgefochten wurden. Für den »alten Haessel« war in solchen Stunden sein eigener Lehrherr, der »alte Voß«, der Richtpunkt. Wie hoch Haessel seinen Gehilfen achtete, geht dar aus hervor, daß er dessen novellistische Erstlinge, die »Christnacht phantasien« und die »Geschichten aus drei Welten«, in seinen Verlag nahm. Haarhaus verließ 1895 den Buchhandel und ging ganz zur Schriftsteller« über; er wurde Redakteur bei »Reclams Univer sum«. Wie Heiberg und Falke hat auch Haarhaus sich in einem seiner Bücher mit dem Buchhandel beschäftigt: »dlaculLturalia. Ein Märchen für Bücherfreunde«.**) Aus einer Buchhändlerfamilie stammte Karl Rorner, der nun auch zu den Dichtem gegangen ist. Sein Vater war der Wiener Verleger L. Rosner in Wien, in dessen Verlage Anzen gruber, die Ebncr-Eschenbach, Wilbrandt, Kürnberger und andere zuerst erschienen. Auch der Sohn sollte Buchhändler werden und kam deshalb, als er seine Wiener Gymnasialzeit hinter sich hatte, Ende der achtziger Jahre zu dem Leipziger Verleger A. G. Liebeskind in die Lehre. Später war er als Gehilfe bei Scholz in Breslau sowie in der Frickschen Hofbuchhandlung in Wien tätig. In seinem Roman »Georg Bangs Liebe«***) hat der Dichter viele Erinnerungen aus seiner Lehr- und Gehilfenzeit festgehalten. Die Andeutungen, die sich in Rosners Roman finden, lassen darauf schließen, daß ihm der Buchhändlerberuf lieb war, daß er seine Größe erkannte, trotzdem die Luftschlösser, die auch er, wie so viele neben ihm, sich gebaut hatte, im Scheine der Wirklichkeit verblaßten. Der Leipziger Verkehr mit seinem Haften und Treiben machte einen tiefen Eindruck auf ihn, und er fand sich damit ab, daß er als Lehrling nur ein Rädchen sein sollte in diesem verwir renden Getriebe. Wie Falke hat es Rosner wohl erlebt, daß die erste Lehrlingsarbeit ihm das Herz beklemmte, zumal die weite Entfernung von der Heimat- und Kaiserstadt Wien ein starkes Gefühl des Heimwehs in ihm hochkommen ließ und ihn schier verzagen machte. Aber er ließ sich den Berg von Zetteln und Zettelchen nicht über den Kopf wachsen, sondcm er hielt aus. Und der Dichter berichtet in seinem Roman, wie ein Freund zu Georg Bang sagt: »Und nur a Buchhändler sind 'S? Sie, i' Hab vor dem Stand fei' an Mordsrespekt! Na, auf die Buchhändler laß i nix kommen«. Es sind liebenswürdige Gestalten unter den Buchhändlern, die in »Georg Bangs Liebe« an uns vorüberziehen; liebenswürdig trotz ihrer Eigenheiten und Schwächen, Gestalten, wie sie Wohl jedem unter uns mehr oder weniger ähnlich auch schon begegnet sind. Dies ist vor allem der wunderliche A. G. Gutkind, in dem nicht schwer der bekannte Verleger Liebeskind zu erkennen ist, der seine Liebe einzig an seinen Hund vergeben zu können scheint, aber, so kurz seine Zwiegespräche mit seinen Angestellten sind, doch schließlich ein tüchtiges Herz erkennen läßt. Zu ihm passen Ge stalten wie der ehrliche, redselige Sachse August Thienemann, der »ewige« Gehilfe, der wie seit zwei Jahrzehnten noch immer von seinem Chef geduzt wird. Die beste Buchhändlergesialt ist dem Dichter vielleicht in der Person des Franz Schneeberger gelungen, Georg Bangs Vormund und Berater, der sein warmes Herz hin ter dem Panzer eines ständig schnaubenden Zornes zu verbergen sich bemüht und dann ein fleißiger und geschickter Verwalter seines kleinen Sortiments wird. *> A. Kröner, Leipzig. **> H. Haessel, Verlag, Leipzig. ***) Grethlein L Co., Leipzig, und Ullstein L Co., Berlin.
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