Fertige Bücher. ^ 204, 3. September 1913. Frankfurter Zeitung: Mir ist kein anderes literarisches Werk bekannt, das so schlicht und ergreifend, frei von Übertreibung die furchtbare antisoziale Wirkung unseres heutigen Systems der Prostitutionsbehandlung darstellle, das so rührend zum Ausdruck brächte, wie es nicht immer angeborene Lasterhaftigkeit oder sträflicher Leichtsinn sind, die ein Mädchen auf die schiefe Ebene führen, sondern wie die natürliche, berechtigte Sehnsucht eines jungen, zum freudlosen Darben verurteilten Lerzens nach ein wenig Lebensfreude, ein wenig Schönheit und Glück selbst ein keusches Frauengemüt der Verführung in die Arme treiben kann. (Katharina Scheven) Neue Freie Presse, Wien: Dieses Buch erregte bei seinem Erscheinen in Norwegen besonders intensives Interesse. Obwohl aus rein künstlerischen Motiven, ohne tendenziöse Absicht entstanden, hat es dennoch durch die Kraft und Realistik als Tendenzroman gewirkt. Krohg enthüllt in dem mit erstaunlicher Echtheit geschriebenen Roman die erschütternde Tragweite polizeilicher Vorschriften über Prostitution. Seine Darstellungsweise ist knapp, fast objektiv, manchmal von bedingungsloser, scheinbar alle Form zerreißender Natürlichkeit. Einzelne Teile wirken wie impressionistische Gemälde. Mit feinem Kunstempfinden ist über das ganze die Atmosphäre der norwegischen Stadt gebreitet, der herbe Duft von See und Weite, und die Bitternis der kleinen mühseligen Welt in den Linterstuben, Kummer und Liebesschmerz. — Die Übersetzung ist straff und klar, wie es der Dichter verlangt. (Alfred Bralt) Literarisches Echo: Dieses dreißigjährige Buch ist nicht veraltet, an keiner Stelle trägt es Spuren des Alters — und das ist ein aufrichtiges Kompliment. Es wirkt jung, frisch, lebendig. Ganz impressionistisch geschrieben — Lermann Bangs Technik ist vorgeahnt — ganz realistisch schildert es zum größten Teil den Zustand Albertinens vor ihrem Fall. Es ist ein unerschrockenes Buch, dem der Malerblick seines Verfassers oft von Nutzen ist. Ein schönes, kluges Licht ist über die Geschichte gebreitet, hell und dunkel weise verteilt. Wen» wir dreißig Jahre jünger wären, würden wir vielleicht über diesen Seiten weinen und rasen. (Kurt Münzer, Zürich) Vossische Zeitung: Kristian Krohg meißelt mit Worten. Er haut sie aus, die Schurkerei des Mannes, und sie steht vor einem, ein marmorner Block, ein granitenes Gemälde. Nicht zu rühren daran, nicht zu rütteln. Jeder Buchstabe eine steinerne Ungeheuerlichkeit! — In diesem Buch ist eine Szene von dem knappen Realismus eines Zola und von der knappen, sparsamen Diktion, der strengen, künstlerischen Ökonomie eines Maupassant. Man wagt bei dem Buch von Kristian Krohg nicht zu entscheiden, ob es mehr eine soziale oder eine künstlerische Tat darstellt. Es bekundet in beiden Eigenschaften Mut und Können und verdient in beiden Eigenschaften Beachtung. (Doris Wittner) Die Frau der Gegenwart: Alles ist mit einer so zwingenden Einfachheit geschildert, das Selbstverständliche dieses Lebens ist so Herz- zerbrechend, daß wir atemlos und mit einer tiefen Niedergeschlagenheit sich dieses Schicksal erfüllen sehen. — Ein Buch, das so abgetönt ist und so vorsichtsvoll alles Widerwärtige meidet. (0r. Armin I. Wegner) So urteilt die Presse über: Albertine. Roman von Kristian Krohg, Direktor der Kunst akademie in Kristiania. Mit dem Bild des Verfassers „Im Wartezimmer des Polizeiarztes". Gebunden 3 Mark 50 Pfennig Hamburg Alfred Ianssen ll