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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.07.1913
- Strukturtyp
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- Band
- 1913-07-15
- Erscheinungsdatum
- 15.07.1913
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- Deutsch
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7262 Börsenblatt f. b. Dlfchn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 161, 15. Jul! 1913. Die Gesetzgebung fremder Staaten weist keine Paragraphie- rungen auf, die den deutschen Gesetzen vorzuziehen wären. In einzelnen Ausdrücken scheinen manche Bestimmungen über die deutschen Vorschriften hinauszugehen, so in England, wo nicht nur unzüchtige (obsoene), sondern auch allgemein unschickliche (inckseont) Darstellungen und Schriften von der Verbrei- tung, ekelhafte (ckisquestinA objoot) von der Ausstellung aus geschlossen werden. Frankreich verbietet neben der Verbreitung von unzüchtigen (obseänes) Schriften und Bildern auch solche, die den guten Sitten zuwiderlausen (Vontrairss anx bonnes invours). Das Strafgesetz der Niederlande verbietet die Ver breitung und Ausstellung von Schriften und Bildern, die in sitt licher Beziehung anstößig sind. Es kann aber nach den Rccht- sprechungsergebnissen zweifelhaft erscheinen, ob mit all diesen Versuchen der internationalen Strafgesetzgebung tatsächlich eine wirksame Verfolgung von Schriften eintreten kann, die über den Begriff des eigentlich Unzüchtigen hinausgehen; dem entspricht es auch, daß der K 184a des deutschen Strafgesetzbuchs, der den Verkauf und das Angebot von Schriften, Abbildungen und Dar stellungen, die, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröb lich verletzen, an Personen unter 16 Jahren verbietet, in der Strafrechtspraxis kaum je zur Anwendung gelangt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem deutschen Gesetz und den meisten ausländischen Gesetzen besteht darin, daß in Deutschland nicht nur die Verbreitung, sondern ausdrücklich auch schon die Herstellung unzüchtiger Bilder und Schriften unter Strafe gestellt wird. Die ausländischen Gesetze heben die Her stellung nicht ausdrücklich hervor, Wohl aus der Erwägung her aus, daß die Herstellung ohne Verbreitung nicht bestraft werden könne, da sie schwer zu ermitteln ist. Schließlich fällt unter den Begriff »Verbreitung« ja auch die gewerbsmäßig betriebene Her stellung. Andererseits aber erleichtert die deutsche Fassung die Bestrafung des Herstellers, demgegenüber die Verbreiter oft als minder schädlich anzusprechen sind. So trägt diese Be stimmung wesentlich dazu bei, eine wirksame Bekämpfung der unsittlichen Literatur zu gewährleisten, weil sie ohne weiteres auch in jedem Verfahren auf die Verfolgung der eigentlich Schul digen hinführt. Die Schwierigkeiten der Rechtsprechung in dieser Frage haben dazu geführt, in umfangreichem Maße Sachverständige bei den Prozessen heranzuziehen. Leider ist aber dadurch keine größere Gleichmäßigkeit oder gerechtere Beurteilung der einzelnen Fälle eingetreten. Die meistens von der Verteidigung vorge schlagenen Sachverständigen sind Vertreter bestimmter Kunst- oder Literaturgattungen und haben als solche vielfach nicht die Fähig keit zur Beurteilung der einzelnen Fälle nach dem normalen Empfinden der Gesellschaft. Wir haben oft das Schauspiel er lebt, daß die von einer sachverständigen Seite geäußerten An sichten von der anderen auf das heftigste bekämpft und daß durch solche diametral entgegengesetzten Gutachten die Verhand lungen mehr verdunkelt als geklärt wurden. Deshalb steht die Staatsanwaltschaft in Deutschland auch auf dem Standpunkte, die Hinzuziehung von Sachverständigen nach Möglichkeit zu ver- meiden, und der aus Schriftsteller« und Künstlerkreisen häufig angeregte Gedanke, ein ständiges Sachverständigenkollcgium zur Beurteilung aller mit dem Makel der Unsittlichkeit behafteten Er scheinungen des Buch- und Kunsthandels zu bilden, ist zu ver werfen. Diesem Rufe nach Sachverständigcnkammern können wir Buchhändler uns auch nicht unbedingt anschließen, denn die Ein- sührung solcher Kollegien würde eine nicht unbeträchtliche Gefahr in sich tragen, da der alte Satz clo xustibus non ost ckisputanckum auch heute noch zu Recht besteht, und vieles, was heute für un möglich gilt, ist ein Jahr später erlaubt und statthast. Ein fest stehendes Kollegium würde für diese Änderungen der Anschau ungen und Sitten aber immer ein reaktionäres Schwergewicht sein. Gehen wir nun zu der Frage über, wie weit die einzelnen Zweige des Buchhandels, Sortiment, Antiquariat, Leihbibliothek und Kolportage, an der Verbreitung unsittlicher Literatur be teiligt sind, so muß gesagt werden, daß der Vertrieb zu über wiegendem Teile nicht durch den regulären Buchhandel erfolgt, sondern daß alle möglichen Dunkelmänner und catilinarischen Existenzen für die versteckte und heimliche Verbreitung dieser frag würdigen Literaturgattung zu Diensten stehen. Aber immerhin, es muß leider auch gesagt werden, und die Gerichtsurteile be stätigen es, daß auch Fälle Vorkommen, wo das reguläre Sor timent, das Antiquariat, besonders aber die Leihbibliothek mit helfen bei Bezug und Verkauf unsittlicher Literatur. Die Kolpor tage scheidet aus, weil sie nach den Vorschriften der Deutschen Gewerbeordnung jederzeit polizeilich kontrolliert werden kann. Bei den mir zur Verfügung gestellten Angaben ist zu berücksich tigen, daß die Gerichte einen Unterschied zwischen dem organi- sierten Buchhandel und dem irregulären nicht kennen, sondern daß sie eben alle Leute, die vom Verkauf von Büchern leben, als Buchhändler bezeichnen. Von weiterer Bedeutung ist die Frage, ob es sich bei der Verbreitung um kostspielige, teure, nur in kleinen Auflagen her gestellte Werke handelt, oder ob die unsittliche Literatur in Massen und billigen Ausgaben in den Handel kommt. Die Feststellung geht dahin, daß die billigen Veröffentlichungen überwiegen, so daß die Gefahr der Verbreitung bei Minderbemittelten und Ju gendlichen groß ist. Einen Begriff von dem Umfang des Han dels mit unzüchtigen Bildern und Schriften geben folgende Zahlen: Im Jahre 1911 sind allein bei dem Amtsgericht Berlin-Mitte 207 Personen, im Jahre 1912 193 Personen bestraft worden. Nun ist hierbei allerdings ein Umstand hervorzuheben, der die Frage nach dem Anteil des eigentlichen Buchhandels an der Verbreitung der unzüchtigen Publikationen und nach den gegen die Verbreitung gerichteten gesetzlichen Verwaltungs- Maßnahmen wesentlich beeinflussen mutz: Es handelt sich näm lich bei den mitgeteilten Ziffern in der Hauptsache um die Ver breitung unsittlicher Bilder, die in weit größerem Matze Handels- objelte sind, als Bücher. Hieraus ergibt sich, daß das eigentliche Buch bei dem Vertriebe der unzüchtigen Handelsobjekte weniger beteiligt ist, aber auch, daß die Absatzmöglichkeiten die Grenzen der einzelnen Sprachen und Staatsgebiete nicht zu respektieren brauchen, datz der Handel mit Bildern, Postkarten und Photo graphien internationalen Charakter annimmt. Das aus den di plomatischen Verhandlungen hervorgegangene französische Gelb buch sagt: Diese Feststellungen führten dann zu dem von Herrn WieSner bereits erwähnten Internationalen Abkommen vom 4. Mai 1910, durch das sich die beteiligten Mächte verpflichteten, Zentralstellen zur Bekämpfung der unsittlichen Veröffentlichungen zu errichten, denen die Sammlung der Erfahrungen und die Prüfung der Objekte für diesen Teil der Strafrechtspflege übertragen ist, wobei zur Beschleunigung des Verfahrens bei internationalen Vertriebsformcn ein direkter Verkehr zwischen den von den einzelnen Vertragsstaaten errich teten Zentralen vorgesehen und eingerichtet ist. Dieser in dem Internationalen Abkommen übernommenen Verpflichtung sind inzwischen fast alle an der Konferenz beteiligten Staaten nach gekommen, es sind dies: Deutschland, Österreich-Ungarn, Belgien, Brasilien, Dänemark, Spanien, die Vereinigten Staaten, Frank reich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Portugal, Ruß land, die Schweiz und nachträglich auch Norwegen. Das Ab kommen läßt den Beitritt weiterer Staaten zu. Die Einrichtung der Zentralen zur Bekämpfung der unzüch tigen Literatur bedingt eine möglichst weitgehende Zusammen fassung aller Kräfte, die bet der Verfolgung der Vergehen auf diesem Gebiete irgend welche Hilfe leisten können. Als Beispiel gebe ich den Organisationsplan der Deutschen Zentral-Polizei- stelle zur Bekämpfung unsittlicher Bilder und Schriften in Berlin wieder. fFortsetzniiq auf Seite 7298.)
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