Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.07.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-07-15
- Erscheinungsdatum
- 15.07.1913
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19130715
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191307150
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19130715
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1913
- Monat1913-07
- Tag1913-07-15
- Monat1913-07
- Jahr1913
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^ 161, 15. Juli 1913. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 7299 lForlsctzung zu Seite 7ML.t Ich habe diesen Organisationsplan (im Anhänge) mitgeteilt, nicht weil es sich hierbei um die von meinem Heimatlands gewählte Form der Ausführung des Abkommens handelt, sondern weil in diesem Plane eine wirkungsvolle Zusammenfassung aller Kräfte des Staates und der Gesellschaft zur Bekämpfung der unsittlichen Veröffentlichungen geschaffen worden ist. Die Behörden des Reichs und der Bundesstaaten, die Organisationen und privaten Gesellschaften und Wohlfahrtseinrichtungen können jederzeit den Zwecken der Zentral-Polizeistelle dienstbar gemacht werden. Neben der von der Zcntral-Polizeistelle in Verbindung mit der Staatsanwaltschaft am Landgericht I in Berlin betriebenen Rach richtensammlung haben für die Durchführung des Abkommens einige weitere Maßnahmen besondere Bedeutung gewonnen. Da zu gehört in erster Linie in Deutschland die Postsperre; sie ge stattet die Durchforschung aller verdächtigen Sendungen auf Grund des 8 99 der Strafprozetzordnung, der die Beschlagnahme von Briefen und Sendungen zuläßt, von denen anzunehmen ist, daß sie von dem in einem Strafverfahren Beschuldigten hcr- rühren oder für ihn bestimmt sind. Die Postsperre hat in kleineren Orten große Bedeutung, weil sie naturgemäß dort besonders wir kungsvoll sein kann. Ständig werden die Erfahrungen, die man auf diesem Wege macht, besser; es wird durch die Oberpostdirel- tion in Berlin ein Postsperr-Rcgister geführt, und die Resultate, die aus der Beschlagnahme von Briefen und Sendungen sich er geben, fangen an, allmählich auch in größeren Städten Bedeutung zu erlangen. Die durch die Postsperre betroffenen Firmen oder Personen werden auch allen Oberzolldireltionen mitgcteilt; das hat zur Folge, daß zahlreiche Bücher- und Bildersendungcn, ob wohl die Einfuhr von Büchern zollfrei erfolgt, an die mit der Verfolgung betrauten Behörden weitergegeben werden und somit Hersteller und Verbreiter zur Verantwortung gezogen werden können. Ein weiteres Mittel zur Bekämpfung der unsittlichen Lite ratur bietet die Beschlagnahme von Zeitschriften, und zwar er streckt sich in Deutschland die Beschlagnahme nicht nur aus voll ständige Zeitschriftennummern, sondern auch auf Anzeigen, die in den Nummern enthalten sind. Das führte beispielsweise dazu, daß in verschiedenen Cafes von Großstädten Kriminalbeamte erschienen und aus den neu erschienenen Nummern des Pschlltt und der Wiener Karikaturen die beschlagnahmten Anzeigen Heraus schnitten. Dieses Vorgehen der Polizei wurde ständig bei jeder neu erschienenen Nummer wiederholt und wenig rücksichtsvoll durchgesührt, so daß sich die Besitzer der Lokale schließlich ge nötigt sahen, um den Belästigungen der Polizei zu entgehen, die Blätter abzubestellen. Die Folge war der Rückgang der Abonne ments, und eins der Wiener Blätter sah sich schließlich am 14. Mai 1911 zu der Erklärung veranlaßt, daß es Anzeigen von Firmen, welche Photos, Akte und Bilder anböten, nicht mehr annehmen würde. Die Erklärung kam aber zu spät, denn inzwischen war bereits aus Grund des 8 14 des Preßgesetzes die Verbreitung dieser Zeitschrift für zwei Jahre in Deutschland verboten; die Rcichsbehörde hat nämlich das Recht, durch öffentliche Bekannt machung ausländische Zeitschriften, die innerhalb eines Jahres zweimal beschlagnahmt worden sind, von der ferneren Verbrei tung im Gebiete des Deutschen Reiches auf zwei Jahre auszu- schlietzen. Endlich ist durch das Abkommen die Bestrafung der Händler mit internationalen Verbindungen erheblich erleichtert. Das Abkommen hat in Deutschland, wo Behörden und Pri vate sich in reichem Maße in den Dienst der Sache stellten, die günstigsten Resultate gezeitigt. Die Einfuhr unsittlicher Bilder und Bücher betrug früher das Zehnfache und ist jetzt auf ein Minimum herabgedrückt. Auch Österreich hat gute Erfolge gehabt, ebenso besserten sich die Verhältnisse in Spanien, dagegen scheint die wirksame Durchführung in Frankreich und Ungarn nach den Erfahrungen der Berliner Zentral-Polizeistelle noch auf Schwie rigkeiten zu stoßen. In Frankreich ist außerdem die Versendung unsittlicher Bilder und Bücher in geschlossenem Kuvert straffrei. Ebenso wie in Deutschland haben auch alle anderen an dem Abkommen beteiligten Länder die Organisation der Zentralstelle durchgesührt, die Durchführung der Aufgaben aber den verschie densten Behörden übergeben. Im Anhang teile ich das Ver zeichnis der Stellen niit, welchen die einzelnen Staaten die Auf gaben aus dem internationalen Abkommen überwiesen haben. Die Durchführung des Übereinkommens hat zweifellos schon heute einen erheblichen Nutzen gehabt und durch die internationale Zu- sammcnwirkung den Wert der in den einzelnen Staaten bestehen den Gesetze erhöht. Die maßgebenden, mit der Bekämpfung der Schmutzliteratur betrauten Stellen in Deutschland haben übereinstimmend erklärt, daß die vorhandenen Gesetze hinreichenden Schutz zur Beseitigung und Ausrottung der unsittlichen und unzüchtigen Literatur böten. Eine Erweiterung und Verschärfung der Gesetze namentlich unter dem Gesichtspunkte des erhöhten Jugendschutzes sei deshalb nicht in Aussicht zu nehmen. Diese Stellungnahme der Behörden, die über den Umfang und die Verbreitung der unzüchtigen Literatur die reichsten Erfahrungen besitzen und über ein umfangreiches, fast lückenloses Material verfügen, das im Laufe der Jahre zu- sammengckommen ist, fällt mehr ins Gewicht, als die Forderungen der Deutschen Sittlichkeits-Vereine, die zu deni im vorigen Jahre veröffentlichten Entwurf eines neuen Deutschen Strafgesetzbuches verschärfte Maßnahmen zur Bekämpfung der Schmutzliteratur wünschen. In den Motiven zu dem neuen Deutschen Strafgesetzbuch- entwurf wird ebenfalls festgestellt, daß ein Bedürfnis, über die vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen hinauszugehen, nicht be stehe. Demgemäß ist der Wortlaut des § 184 auch fast unver ändert beibehalten worden, nur das Strafmaß ist in dem Entwurf nicht unbeträchtlich erhöht. Die Forderungen der Sittlichkeitsvereine gehen aber über die jetzige, und auch über die Fassung des Entwurfs erheblich hinaus; sie verlangen, daß Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, die die Jugend sittlich gefährden, an Orten, die dem Publikum zu gänglich sind, also auch in jeder Buchhandlung, nicht ausgestellt, angeschlagen oder sonst verbreitet werden dürfen. Die Prak tische Folge dieser weitgehenden Forderung würde eine peinliche polizeiliche Überwachung unseres Gewerbes sein. Der Literatur vertrieb würde dadurch ganz bedenklich unter Kuratel gestellt, die Sortimenter hätten jederzeit den Besuch des Schutzmannes und Denunziationen zu befürchten. Das Reichsgericht hat einmal er klärt: Bei der Prüfung derartiger Fragen darf man nicht die leicht erregbare Phantasie einer unreifen Schuljugend zum Maß- jtabe nehmen, denn wenn man das tun würde, müßte z. B. das Auslegen eines wissenschaftlichen Werkes, das sich mit den Vor gängen des Geschlechtslebens befaßt, verboten werden. Bei einer Annahme eines solchen Gesetzes-Paragraphen, der dem Wunsche der Sittlichkeitsvercine entspräche, würde dieser Zustand aber ge setzgeberisch festgelegt, und die Rechtsprechung würde sich darnach zu richten haben. Man würde vor lauter Skrupeln und Bedenken kaum wagen, ein Konversationslexikon auszulegen, denn auch hierin sind Vorgänge aus dem Geschlechtsleben beschrieben; man müßte befürchten, bei Auslage einer vollständigen Bibel mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, kurz, wir würden unleidliche Zustände bekommen und doch nicht sicher sein, daß dieser strenge Puritanis mus uns auf dem Wege zur echten, wahren Sittlichkeit auch nur einen Schritt vorwärts bringen würde. Daraus ergibt sich, daß auf diesem Gebiete Strömungen vorhanden sind, denen der Buch handel in seiner Gesamtheit nicht zu folge» vermag und denen er auch ein entschiedenes Veto: bis hierher und nicht Wetter, ent gegensetzen muß. Wir Buchhändler haben die Pflicht, unparteiisch dem Kultur leben unserer Nationen zu dienen; es ist nicht nur unsere Ver pflichtung, sondern es liegt auch in unserem eigenen Interesse, daß wir allezeit reine Hände haben und uns nicht dazu hergeben, die gesetzlich verbotene und verfolgte unsittliche Literatur feilzu halten; aber es steht uns auch nicht zu, die wir der Literatur in allen ihren berechtigten Formen zur Verbreitung verhelfen wollen, den überstrengen Sittenrichter zu spielen. Wenn wir auf manchen Sittlichkeitskongressen erleben mußten, wie nicht etwa nur die obszöne Literatur, sondern die Erzeugnisse mancher jüngeren Dichtergeneralionen in Grund und Boden verdammt wurden, so können wir auf diesem Wege nicht folgen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder