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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.06.1913
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- 1913-06-05
- Erscheinungsdatum
- 05.06.1913
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- Deutsch
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ehrlich, denn sie erhebt keinen Anspruch auf Kunst- und Bildungs wert; die Kino-Sensation ist vom moralischen Gesichtspunkt aus ebenso plump, dagegen in ästhetischer Hinsicht ein noch äffen- derec Humbug als Panorama und Panoptikum. Was für Vorteile dem besseren Buchhandel aus dem jetzigen Kinospek takel erblühen könnten, ist mir ein Buch mit sieben Siegeln. Selbst angenommen, daß sich unter tausend Kientopp-Stammgästen vielleicht einer durch die Reklame anreizen läßt, für den Originaltext eines verfilmten Romans auf einmal 5 in den Buchladen zu tragen: die übrigen 999 werden sicherlich, wenn sie überhaupt 5 -kk gleich so locker haben, noch zehnmal in den Kientopp laufen, um sich auch noch an weiterem Kunstabhub von mehr oder minder »berühmten« Verfassern zu »bilden«. Wenn ein Fuselsäufer drei Mark in der Tasche hat, dann kauft er sich keine Flasche Wein dafür, sondern etliche Liter Kartofsel- schnaps. Faktum! Punktum! Nachdruck erlaubt! Dehmel. Ich bin ganz entschieden der Ansicht, daß die künstlerische kinematographische Darstellung das Absatzgebiet des Romans durchaus zu erweitern imstande ist. Es kommen, um ein solches Resultat zu erzielen, allerdings drei Punkte von entscheidender Wichtigkeit in Frage: vor allem muß der Roman starken dramatischen Inhalts sein, so daß die Handlung in der kinematographischen Wiedergabe ohne weiteres nicht nur packend, sondern auch folgerichtig wirkt, und des epischen, reflektiven Teils der Dichtung ohne Schaden für das Verständnis entraten kann. Zum zweiten braucht selbst der in diesem Sinne beste Roman einen geschickten und erfahrenen Kinobearbeiter; zum dritten muß der Kinoregisseur sein Fach gründlich verstehen. Unter solchen Bedingungen müssen nieiner Ansicht nach Autor, Buchhandel und Kino zu bedeutenden künstlerischen, wie wirtschaftlichen Resultaten kommen, denn es steht für mich außer Frage, daß ein gut und verständnisvoll verfilmter, künstlerisch dargestellter und aufgenommener Roman die Kauflust des Pu blikums in hohem Maße anregt. Dora Duncker. Daß die Verarbeitung von Romanen zu Kinematographen- Bildern vom Standpunkt einer hohen, reinen Kunst aus verwerf lich ist, dürste nicht zu bezweifeln sein. Vergebens aber werden sich die Autoren und Verleger dagegen sträuben. Der Ameri kanismus in der Kunst ist da, wir haben uns mit ihm abzufindcn. — Zum Vergleiche möchte ich die Leierkasten heranziehen, denen man es auch nicht verwehren kann, die Meisterwerke von Mozart und Wagner zu verhunzen, und die schließlich doch zu deren Popularisierung beitragen. Ich glaube nicht, daß der Kincmato- graph Oberflächlichkeit und Gedankenlosigkeit züchtet, vielmehr koinmt er dem Bedürfnis der flachen, ungebildeten Menge nur entgegen, hat dabei aber das Verdienst, ihre literarische Jn- teressen-SPHäre zu erweitern. Wir dürfen überzeugt sein, daß eine große Anzahl derer, die ein literarisches Werk zunächst nur in der Zerstückelung und schlechten Aufmachung des Kincmato- graphen kennen lernen, seinem Inhalt, vielleicht sogar seinem dichterischen Werte nachgehen und nach dem Buche fragen, ab gesehen davon, daß der Kinematograph ganz allgemein zur Pro paganda für den Autor und sein Werk verwendet werden kann. Ich selbst würde daher kein Bedenken tragen, meine Arbeiten dem Kinematographen zur Verfügung zu stellen. Ebenso wie Wohl der Komponist seine Melodien nicht ungern aus dem Leierkasten hört, weil doch selbst das verstimmteste Instrument eine Ahnung und Ankündigung von dem eigentlichen Kunstwerk gibt, so wird sich auch der Dichter im Kino-Theater sagen: »Dies ist zwar etwas ganz anderes als der Inhalt meines Buches; aber wenn die Zuschauer nur erfahren, daß das, was hier schon ihr Interesse weckt, in vollständigerer und edlerer Gestalt existiert, so darf ich auch aus ihr wachsendes literarisches Interesse rechnen.« Kurt Martens. Wie jede neue Erfindung und Verbesserung, die den Weg ins große Publikum findet, bedeutende Geldmittel und sinnliches In teresse frei macht, so hat auch das Kino Tausende von Menschen zum erstenmal in ein Theater geführt, ihnen den Inhalt manches Buches nahcgebracht, von dem sie sonst nicht den Titel erfahren hätten. Die Zerrissenheit aber der Kinodarstellungen mag sogar diese buchsremden Menschen ab und zu veranlassen, sich beim Dichter über die Lücken und über den genauen Wortlaut der Hauptszenen Rat zu holen. So könnte das Kino eine Brücke vom Schauen zum Lesen und Denken werden, wie etwa der mündliche Vortrag oft zum gedruckten Werke des Vortragenden hinleitet. Daß man heute, wo die innere Sammlung ein Aus nahmezustand weniger Stiller und Berufsloser geworden ist, lieber hört und schaut als liest und nachdenkt, sollte nicht gar so verachtet, sondern als Zeichen unserer Zeit hingenommen werden. Gewiß ist Schauen und Hören bequemer als Denken, aber doch nicht bequemer als Lesen; denn wer Vorträge oder das Kino besucht, mutz aus dem Hause gehen, während er das Buch daheim verarbeiten kann. Aber wäre es auch bequemer, so sehe ich nicht ein, warum man schon die Bequemlichkeit zum Verbrechen stem peln will. Vielleicht flieht mancher vor den zahllosen neuen Büchern, in deren Fülle er nicht Ordnung zu bringen vermag, zu den Vorträgen und ins Kino, deren Themata er wenigstens heute noch übersehen kann. Prof. Ferdinand Gregor!. Neulich habe ich auf eine Anfrage geantwortet: »Ich glaube kaum, datz viele neue Leser für die Werke der Autoren gewonnen werden, die jetzt ihre Romane und Dramen verfilmen lassen.« Heute habe ich an mir den Beweis, daß dies doch der Fall ist, denn nachdem ich den Film »Der Graf von Monte Christo« gesehen hatte, da habe ich mir schleunigst das Original vorge nommen, um zu vergleichen, ob Dumas wirklich solch zusammen hangloses Zeug geschrieben hat, wie uns da auf der Leinwand vorgeführt war. Ich glaube, das Kino ist nur augenblicklich so in den Vorder- grund gerückt. Das Buch ist doch etwas anderes, und wird sich bald wieder als das Eigentliche erweisen. Eine Schädi gung bedeutet die Verfilmung weder für den Verleger, noch für den Autor, dem ja im Gegenteil materieller Vorteil erwächst, wenn sein Werk im Film erscheint. Es darf nur nicht unmittel bar mit der Buchausgabe zusammensallen. Später ist es jeden falls die beste Reklame, und — wie dem Autor das Recht zur Dramatisierung zusteht, so auch das Recht, seine Idee zu verfilmen. Der Verbreitung eines Buches kann es nur nützen, nie aber schaden, wenn sein Inhalt, und nur um diesen handelt es sich ja, weiten Kreisen bekannt wird. Heinz Tovote. Ich glaube nicht an einen schädigenden Einfluß der Roman- Verfilmung auf Literatur und Buchhandel, sondern erhoffe eher das Gegenteil von der Benutzung eines so mächtigen Mittels zur Wirkung auf die Massen, wie es das Kino unzweifelhaft darstellt. Rudolf Stratz. Es ist möglich, daß ein verfilmter Roman, wenn er sich als besonderer Schlager erweist, der Verbreitung seiner Buchform dienlich sein kann. Im allgemeinen glaube ich indes nicht, daß die Projektionsleinwand dem Buchhandel Käufer und dem Buch Leser in nennenswerter Zahl zusühren wird. Den einen und den andern Besucher des Kinos wird es gewiß locken, auf das Buch in der Leihbibliothek zurückzugreisen. Der Mehrzahl aber, die ja vorzugsweise auf den Spannungsgehalt eines Buchs oder Stücks, aus die Entwicklung der Handlung erpicht ist, wird die kinematographische Darstellung vollauf genügen. Sie ist ohne erhebliche Drangäbe von Zeit und Geld und ohne geistige An strengung aufzunehmen; und sie ist obendrein durch die Zu- sammendrängung des Inhalts und durch die wirksame Vergröbe rung aller Handlungslinien für den indifferenten Beschauer viel amüsanter. Im übrigen bietet die Kinobühne so vielerlei wäh rend einer Vorstellung und ein so häufig wechselndes Programm, daß eine mögliche Anregung schon sehr bald wieder vergessen sein dürfte. Selbst eine Popularisierung des Autornamens er scheint mir immerhin fraglich, denn nichts wird gerade von der großen Menge leichter übersehen, vergessen oder verwechselt, als der Name eines Schriftstellers. Ich glaube vielmehr, datz das 777'
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