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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.06.1913
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- 1913-06-05
- Erscheinungsdatum
- 05.06.1913
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5986 Börsenblatt f, d, Tklchn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 127, 5. Juni 1913. Vielleicht von allem das hinderlichste ist aber die phantasie- lähmende Deutlichkeit des Bildes. Der Künstler des Wortes kann im Buche alles, tatsächlich alles sagen und zeigen, weil er durch seinen wohlbedachten Stil die Phantasie des Lesers in Bahnen lenken und festhalten kann, die durchaus im Bereiche des Ästhetischen verbleiben. Wenn Dante die Schuld des Paolo und der Franzesca uns offenbaren will, so läßt er die Liebende die Worte sprechen: »An jenem Tage lasen wir nicht weiter«; wenn aber der Kinomann uns eine solche Szene milteilen will, so läßt er den männlichen Körper dezent auf den weiblichen niedergleiten, und niemand im Zuschauerraum weiß, daß er dort eine Wirklich keitsszene photographiert sieht. — Ich denke, das sind der äsche tischen Ungeheuerlichkeiten genug. Der nächste Verwandte des Kinodramas ist die Pantomime, und seine Sondereigentümlichkeit ist einerseits das Zuckend-Hu- schende, das traumschnell Wechselnde, andererseits die Lichtdurch- slossenheit des ganzen Bildes. Dieser Traumcharakter des Kinodramas ist übrigens auch wohl unbewußt von den Filmherstellern empfunden: Daher ihre Vorliebe für das Opernhaft-Magische einerseits und andrerseits für das Nächtig-Unheimliche. Dieser Stoffwahl an sich ist also aus Stilgründen nicht zu widersprechen; da sie aber die ästhetisch heikelsten Stoffgebiete betrifft, so erfordert sie auch den höchst gebildeten ästhetischen Geschmack — und gegen diese Forderung richten sich gegenwärtig die schwersten Verstöße des Kinos. Wird nun das Kino in dieser Beziehung von der Literatur lernen können? Zweifellos, da die ästhetischen Grundgesetze für alle Darstellung und Verlebendigung phantasiegeborener Stoffe dieselben sind. Wird es aber auch lernen wollen? Gleich falls Wohl — denn es wird wollen müssen, wenn es seinen Ehrgeiz nach ästhetischer Hebung seines Niveaus befriedigen will, und diesen Ehrgeiz hat es offensichtlich. Wir werden Wohl erleben, daß das bestmögliche Lichtspieltheater, durchgedrungen zu dem immanenten »Stil« dieser Verkörperungs- und Vor führungsart, vom ordinären »Kientopp« sich abwenden und ihn verächtlich brandmarken wird als »Schundkino«, mit dem es innerlich nichts gemein habe. Liegt aber nicht in der ganzen Kinobewegung eine »Gefahr« für die Büchererzeugeuden, die sich um dieser »Gefahr« willen zur »Abwehr« rüsten sollten? Vielleicht wandelt sich mancher frühere »Leser« zum »Zuschauer«; das mag gern sein. Aber trotzdem darf nicht außer acht gelassen werden, daß dem Kino der ganze Lebenswille einer industriellen Neuerrungenschaft eignet, und es gar nicht daran gehindert werden kann, sich aus zuleben. Es besitzt das Existenzrecht jeder durch den technischen Fortschritt herangcbildeten Neuerscheinung, die nicht art schädigend ist, kann also auch nicht etwa auf den Stand eines öffentlichen Lehrmittels zurllckgedämmt, sondern nur aus seinen unreifen Flegeljahren hinauserzogen werden. Verlange man doch nur nicht von allem und jedem, das dem Genüsse dienen will, »Belehrung«. Das Kino kann belehren, gewiß; aber sein Be stes, sein ihm Eigentümlichstes bietet es in den belehrenden Filmen keineswegs. Und wirklich: es gibt bisweilen Besseres, als »belehrt« zu werden. Außerdem können wir immerhin darauf gefaßt sein: der Teufel bringt das »Türcrbund-Kino« auch Wohl ohne unser Gebet allen bösen Menschen. Verfilmung guter Romane aber sollte verpönt sein. Das Kino bedeutet ein Genre für sich, und zwar aller Kunst gegen über selbstverständlich ein grobes und minderwertiges. Es wird seinen ästhetischen Reiz haben, sobald es seinen Stil gefunden und ausgebildet haben wird, — aber weder dem des Bühnen dramas noch dem des Buches wird dieser durch photomechanische Technik übermittelte Reiz je gleichkommen. MaxBruns. Ich war ein einziges Mal in einem Kinotheater, wo ich mich an allerlei landschaftlichen Szenen ergötzte. Der gleichen ist gewiß nicht zu bekämpfen, doch die Adaptierung dichterischer Werke scheint auch mir vom Übel, da das Wort und damit die geistige Bedeutung durch die Beschränkung auf das bloß Mimische ausgeschaltet wird und die Neigung des Volkes zum Bilderbesehen neue Nahrung erhält. Daß die Verbreitung des Buches dadurch gefördert werde, ist höchst unwahrscheinlich. vr. Paul Heyse. Besonders aber laßt genug geschehn! Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn. Unter »man« versteht Goethe hier die banausische, für die reine Kunst völlig unempfängliche Masse, deren Anblick dem Dich ter wehtut. Das Kino kann nur solche Zuschauer gebrauchen. Das »Vorspiel aus dem Theater« liest sich wirklich, als hätte Goethe das Kino vorausgeahnt. Für den Theaterdirektor, der hier ganz als der Platte Geschäftsmann gefaßt ist — in der Wirk lichkeit kann er ja noch etwas anderes sein —, läßt sich der Kino besitzer einschieben, ohne daß eine Zeile geändert zu werden braucht. Der Kinobesucher und seine Bedürfnisse sind vollkom- men wahr und erschöpfend geschildert. Geändert hat sich nur der Dichter. Goethe, denn es ist ja wohl ohne weiteres klar, daß der Dichter für ihn spricht, empfand ein Grauen; der Dichter von heute macht mit. Natürlich finden sich Schriftsteller genug, die das eine Er rungenschaft nennen. Ich halte es für Pflicht, meine Über zeugung auszusprechen, daß Publikum und Dichter durch das Kino verdorben werden. Es ist ein Mißbrauch, hier von Anschauung zu sprechen. Unter Anschauung in künstlerischem Sinne versteht sich etwas ganz andres, als das Betrachten immer wechselnder Bilder aus der groben körperlichen Wirklichkeit. Die Pantomime verdient immer noch eher den Namen Kunst als das Kino. Bequemer ist es freilich, bunte Bilder zu sehen, als den Worten der strengen Dich tung zu folgen; Bequemlichkeit erzieht aber nicht gerade zur Kunst. Man könnte ebenso gut behaupten, Stierkämpfe bildeten ein Publikum für dramatische Konflikte heran. Ich weiß nicht, was die Dichter bei dem Zerhacken ihrer Dramen oder bei dem Verfertigen von Stoffen für das Kino empfinden. Wenn sie sich vorgesetzt haben, nach diesen Zuge ständnissen an die gröbsten Neigungen des schlechtesten Publikums wieder zur Dichtung zurückzukehren, glaube ich, daß sie sich täu schen. Die Muse ist empfindlich, sie vergißt eine Beleidigung nie. R u d o l s H u ch. Die sogenannte Kinoballade, also die Filmserie mit poetisch angehauchtem Zusammenhang, bedeutet meines Erachtens den Ersatz des Kolportageromans und der Jahrmarktsmoritat durch Schlechteres. Ich habe deshalb, was ich gegenüber falschen Zei tungsmeldungen hiermit ausdrücklich feststelle, die lukrativen An träge der bekannten Filmfabriken auf Ausschlachtung meiner Dichtungen abgelehnt. Gründe? Wozu mit Brombeeren um sich werfen! Was nützt es, wenn drei bis vier arme Dichter fünf bis sechsmal ausführlich beweisen, daß aus Kienholz nie Rosen wachsen können; die kapitalkräftige Reklame macht das Unglaub liche glaublich. Kein Maler wird es für nötig halten, lang und breit auseinanderzusetzen, wieso der Kientopp mit bildender Kunst nichts zu tun hat, obgleich da Bilder vorgeführt werden. Nun, ebensowenig hat die mechanische Reporterei von momen tanen Theatereffekten, in die da irgendeine organische Szene zerknipst wird, mit Dichtkunst und Schauspielkunst zu tun; erst recht nichts, wenn man epische oder balladeske Motive ins Melo dramatische verballhornt. Mit verhunzter Kunst das Kino zur Volksbildungsanstalt »veredeln« zu wollen, das ist ungefähr so, als wollte man die Nachkommenschaft eines Bastardköters durch Kreuzung mit einer degenerierten Rassehündin »heben«. Das Kino kann nur dann besser werden, wenn es ganz und gar aus die Liaison mit prostituierter Kunst verzichtet, wenn es sich be schränkt auf sein mechanisches Darstellungsgebiet, auf das zu sammenhanglose Augenblicksbild und sprunghafte Verwand lungsbild, also auf die sogenannte Revue und den Trickfilm. Freilich würde es dann seine Anziehungskraft auf die Rühr- und Schauergelllste des kassefüllenden Pöbels einbützen. Gegen diese Gelüste, da sie natürliche sind, ist an sich nichts einzuwenden; nur soll man ihre Befriedigung nicht mit künstlichem Bildungs- Plunder bemänteln. Die Kolportage-Sensation ist plump, aber
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