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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.06.1913
- Strukturtyp
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- 1913-06-05
- Erscheinungsdatum
- 05.06.1913
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- Deutsch
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Die »Verfilmung« — nebenbei ein schönes Wort — von Romanen halte ich für eine Abscheulichkeit. Wenn man die Möglichkeit, mit der Kinematographie alles Leben aus der Erde zu fassen, derartig beiseite stellt, daß man die Gemütsbewegun gen von grimassierenden Schauspielern, diese Taubstummenunter haltungen bringt, so verurteilt sich das selbst. Es wird dadurch niemand für die Literatur gewonnen, cs wird ausschließlich die Schauspielkunst, die sich doch nicht vom gesprochenen Worte lossagen kann, verhunzt, und außerdem wird der gemeinen, verlogenen Sentimentalität Tür und Tor geöffnet. Wir haben zum deutschen den vielleicht noch erbärmlicheren französischen rührseligen Kitsch. Das ist der Gewinn. Ludwig Thoma. Ganz abgesehen davon, wie man die Mode der »Verfil mung« künstlerisch einfchätzen mag, glaube ich nicht, daß sic auf den Buchhandel einen irgendwie nennenswerten Einfluß ausüben wird. Denn es ist ebenso unwahrscheinlich, daß das Publikum des Kino sich durch Filme zum Kauf von Büchern wird anregen lassen, wie daß die Freunde der Literatur durch dieses Surrogat zum Abfall von ihr verleitet werden. Ludwig Fulda. Die Verfilmung von Romanen ist m. E. etwas Barbarisches. Dagegen scheint mir die Verfilmung von Theaterstücken, wenn die Sprache durch das Grammophon hinzugefügt wird, sehr wertvoll; es könnten dadurch 90 Prozent der bestehenden Theater abge schafft werden. Für die meisten Schauspieler und Schauspiele rinnen ist das natürlich nicht vorteilhaft — wohl aber für die Autoren, die besser dastehen, wenn sie die Tantiemen von den Kinotheatern erheben; die Stücke können auf diesen eben viel öfter gegeben werden — als init dem umständlichen Theaterappa rat der Gegenwart und Vergangenheit. So kann m. E. sehr Wohl die Verfilmung von Theaterstücken eine Zukunft haben. Aber — die Filmsabrikanten, die Romane verfilmen ohne Sprache — sind m. E. als Kulturträger gar nicht diskutabel; sie sind am besten dadurch zu beseitigen, daß man gebildete Elemente als Arrangeure von Thaterfilmen anstellt. M. E. will man aber auch hier künstlerische Dinge schaffen, ohne die Autoren zu Rate zu ziehen, da diese leider unbeliebt sind und Banausen gegenüber einfach grob und höhnisch werden. Paul Scheerbart. Es dürfte zurzeit ganz unmöglich sein, die Frage, ob die Ver filmung einer Dichtung den buchhändlerischen Absatz der Buch ausgabe desselben Werkes schädigen oder ihm sogar nützen könnte, in irgendeiner bestimmten Weise zu beantworten. Ansicht steht hier gegen Ansicht — und jede Erfahrung fehlt. Wir werden, Wohl oder übel, erst den vielleicht sehr bitteren Weg der Erfah rungen wandeln müssen, ehe wir uns über die Folgewirkungen des Kinos klar werden können. Vermutungen auszusprechen, ohne sie begründen zu können, erscheint mir zwecklos. Hanns von Zobeltitz. Nichts Hilst Wohl mehr zu einer geistigen Verflachung als ein Kino mit seinen verbilderten Romanen und Bühnenstücken; nirgends ruht ein Hirn so prächtig aus wie hier. Die Mitwelt macht es uns recht bequem: man hat nur zu »schauen«, und man braucht nicht zu »denken«. Der Schriftsteller, der gut honoriert wird, hat jedenfalls den Vorteil des Honorars, sonst sicher keinen. Das Publikum greift nicht zu seinem Buche, nachdem es ihn »gesehen« hat; viel lieber spart es diese Ausgabe und eilt zum nächsten Kino. Unsere Zeit hat wenig Haltestellen, aber viele Schnellzüge. Daß ein guter Roman und ein treffliches Drama im Film entsetzlich leidet, muß Wohl jedem einleuchten. Die ganze Seelen- analhse geht total verloren, alle Feinheiten werden in Plattitüden verwandelt, und der Kinoregisseur macht oft aus einem schönen Roman einen regelrechten unverzeihlichen Unsinn. Roman und Drama werden eben auf den Effekt, auf die Wirkung und Schau gier zurechtgezimmert. Ich denke dabei mit gelindem Schrecken an »tzuo vackis«, an das Riesendrama, das augenblicklich Berlin unsicher und grausen macht. Wer hat von den hunderttausend Menschen, die den arbiter etsgantiarum und Nero gesehen haben, das Buch gekauft?! Vielleicht zehn, zwanzig, dreißig. Das große Publikum reagiert im Kino trotz der monströsen Reklame wenig auf große Namen, viel lieber hat die Masse, haben die Kinogänger spannende Detektivgeschichten in drei Akten, oder sie sehen Revolver, Blut, Autoflucht ...., wozu hat man denn seine Nerven?! .... Hierzu braucht man die Bücher nicht . . ., die Plastik im Bild wirkt entschieden kräftiger. Ich bin dessen sicher, daß der Kino seinen Höhepunkt er reicht hat. Die eifrigsten Besucher von ehedem sind des Schaums mehr und mehr müde geworden; der Film ist eben kein The ater, und Menschen, die noch das Gefühl für einen guten Roman besitzen, wollen ihn nicht als Bild sehen, oder haben sie ihn als Film geschaut, so bedeutet dies dasselbe wie eine schlechte Kritik, aus die man das Werk nicht käuflich erwerben möchte. Egon H. Straßburger. »Schädigt die Verfilmung eines Romans den Absatz des Buches?« Die Frage wird von verfilmten Dichtern anders beantwortet werden als von jenen andern, die der Kientopp für seine Zwecke noch nicht herangezogen hat. Ich bin noch nicht gefilmt worden und hätte gegen den Kintopp aufzutreten. Ich meine aber: die Filmung schädige den Absatz des Buches nicht, wenigstens nicht sehr. Es ist natürlich nicht wahr, daß der Kinematograph auch nur einen einzigen Zuschauer anregen werde, sich jetzt das Buch zu kaufen (dessen Inhalt der Zuschauer nun schon kennt). Nur selten wird andrerseits der Film den Zuschauer davon abhalten, ein Buch zu kaufen, das er erwerben wollte — einfach: weil der Kinoschwärmer überhaupt keine Bücher kauft. Und das ist meines Erachtens der Kernpunkt: der Kino besucher kaust, liest keine Bücher. Er ist für die Literatur ver loren — ob Ihr nun Romane verfilmt oder Kriege, Humoresken oder Tierszenen, fremde Länder oder Feuerwehrübungen. Die Verleger der Kolportagehefte mllssen's Wohl schon heute fühlen, die anderen Verleger werden's morgen erfahren: Der Baal-Kien topp frißt die Heranwachsende Generation. Sport, Kientopp, Politik sind kunstfeindlich. Roda Roda. Ich halte das Kino in jeder Hinsicht für einen Kulturschaden. Nur wenn es der naturwissenschaftlichen, geo- und ethno graphischen Belehrung dient, erfüllt es einen höheren Zweck. Der Staat sollte es mit Gewalt daraufhin einschränken. Romane im Kino? Lächerlich! Die sollen nur g e l e s e n werden, und das ersparen sich die meisten, wenn sie den groben Inhalt im Kino gesehen haben. 0r. Wilh. Kienzl. Vom Kino zur Kunst? Eitel Dunst! vr. S. H e ck s ch e r. Moralfanatismus und übertriebene Schulbildung haben es zuwege gebracht, daß der literarische Geschmack immer tiefer sinkt!! Die zurückgedrängten Liebes triebe, die sich bei den Alten noch freier austoben durften, suchen scheu und verängstigt einen Ausweg im wollüstig-grausamen Schauerdrama; der übermüdete Geist will nur noch gaffen. Dieser Neigung, nicht nur der Ungebildeten, kommt der Kinematograph bequem ent gegen. Wie die sinnenerregende Musik die Lyrik, die Oper, das höhere Drama verdrängt hat, so wird das Lichtspiel auch das niedere Drama totschlagen. Der Schriftsteller, der Buchhandel, sie können beide nichts Besseres tun, als sich die Lichtspiele dienst bar zu machen, um zu reiten, was noch zu retten ist. Die Dramen und Romane, die auf der weltbedeutenden Leinwand des Kino vorübertanzen, sollten in Buchform den Zuschauem angeboten werden. Im Kinotheater sollte ein Deklamator das Drama (oder den Roman) durch Dialog-Vortrag ergänzen, so daß die Gaffer doch vielleicht auch für die poetischen Schönheiten des Werks gewonnen werden und die Bruchstücke der Poesie später als Ganzes kennen lernen möchten. Das Wort!! muß unbe dingt zum Bilde gefügt werden, auch wenn es nur eine ver mittelnde Rolle spielt. Nichts Elenderes gibt's, als die nüchternen
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