Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.06.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-06-05
- Erscheinungsdatum
- 05.06.1913
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19130605
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191306058
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19130605
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1913
- Monat1913-06
- Tag1913-06-05
- Monat1913-06
- Jahr1913
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
lstortsttzung zu Seite SW8.I hin aus vielen Ursachen immer mehr an Stelle einer echten und gründlichen Bildung tritt, wird noch weitere Kreise ergreifen. Das ist meine Überzeugung. Im Interesse der Dichter und Denker, im Interesse des Buchhandels will ich mich freuen, wenn ich irre. Fritz Engel. Nach meiner wiederholt ausgesprochenen Meinung haben Literatur und Kinematograph nichts miteinander zu tun. Die Verfilmung künstlerischer Werke halte ich für gleichbedeutend mit ihrer Vertuschung. Datz gar ein Kinobesucher, der einen Roman film sieht, sich verleiten lassen sollte, nach dem zugrunde liegen den Romanbuch zu greisen, sich um den Namen des Verfassers zu bekümmern, am Ende gar seine »Gesammelten Werke« sich anzu schaffen, halte ich für einen Wahn, so rührend kindlich, daß es mir grausam vorkäme, dagegen zu eifern. Besagter Kinobesucher wird sich vielmehr — so vermute ich — glücklich Preisen, datz ihm die famose Erfindung der Lichtspiele auch noch die letzten geistigen und materiellen Unkosten der Buchlektüre spart, während Verleger, Sortimentsbuchhändler und Autoren sich in stillem Beileid die Hand drücken können. HeinrichLilicnfein. Der Romanist eine Kunstform. Das Kino hat mit Kunst gar nichts zu tun. Ich habe Kientöppe in den Hauptstädten dreier Weltteile gesehen, fand aber alle Darstellun gen, die sich in irgendeiner Weise anmatzten, das gesprochene Wort zu ersetzen, immer geschmacklos, der unnatürlichen Mimikanstren gungen, dumm-theatralischen Gesten loegen lächerlich und kindisch. Ich kann es begreifen, daß Leute wie Hanns Heinz Ewers sich für die Verfilmung ihrer Werke ins Zeug legen, kann es aber nicht verstehen, datz Künstler wie Peter Nansen dem Kino das Wort reden und dies damit begründen, datz der Kino eine schöne Einnahmequelle für die Schriftsteller sei, »weil man damit viel Geld verdienen könne«. Ein klägliches Motiv. Stehlen bringt doch auch ein schönes Geld ein: und doch wird es immer Leute geben, die auf solche Einnahmen verzichten. Hans von Hoffcnsthal. Wenn Molisre heute lebte, er hätte sicher den Drang, einen recht guten, wunderschönen Film zu dichten. Dasselbe wär's bei Schiller, Goldoni, Holberg, Gogol. Denn freilich kann das Drama ohne Worte (Ballett oder Film) in keinerlei Tiefe zeigen, dafür aber ist diese neue Kunst eine Reinkultur des Spezi fisch-Dramatischen. Volk und Kinder sitzen mit hohen Augenbrauen im Kino, und also wird es leben. Und es ist nicht sehr wichtig, was wir darüber beschließen. Walter Harlan. Namhafte Schriftsteller mögen sich dem Kino bereitwillig zu wenden, die Dichter unter ihnen werden es nicht tun. Was die Schaulust der Menschen befriedigt ohne das Tönen der inneren Musik, das die wirkliche Dichtung erweckt, mag gewinnreich, aber nicht wünschenswert sein. Eine Darstellung ohne Worte für den Sinn und nur mit Bildern für das nach außen, aber hier nie nach innen blickende Auge, ist in der Dichtung nicht daheim. Sie kann anregend aber nicht edel wirken, weil die geistige Ein heit, die Schriftsteller und Publikum verbinden soll, hier aus geschaltet ist, und die bloße Bildfläche die Oberflächlichkeit des Eindrucks versinnbildlicht. Alles, was in Literatur und Buch handel echt ist, wird es auch bleiben trotz Kino; denn wesenhaste Kulturelemente werden schwerlich durch dessen Einfluß vermin dert werden. Was jedoch in der Literatur und im Buchhandel auf den Schein eingerichtet ist, das vermag durch dasselbe ins Kraut zu schießen und eine weitere Verbreitung zu erfahren. Ich will dabei dem Kino seinen Wert nicht absprechen, Wohl aber dessen natürliches Recht, sich mit der Poesie zu verbinden. Wilhelm Fischer-Graz. Man spricht heute so viel von Kino-»Kunst« und von »künst lerischen Möglichkeiten« des Kino-Theaters. Soweit das Kino- Drama in Betracht kommt, kann ich von künstlerischen Elementen oder Möglichkeiten darin nichts wahrnehmen. Anders könnte man vielleicht über die schönen Natur- und Bewcgungsauf- nahmen des Kinematographen urteilen, allein diese stellen nur einen geringen Prozentsatz zu den Programmen, und die Ent wickelung des jüngsten Jahrzehnts hat bereits gezeigt, daß das Kinotheater sich vornehmlich auf das Filmdrama stützen mutz, um die Massen anzuziehen und mit Gewinn zu arbeiten. Das Charakteristikum des Filmdramas aber — vom gemeinen Sen sationsstücke bis zur »literarischen« Verfilmung von Lindau, Sienkiewicz, bald Wohl auch Ibsen und so fort mit Grazie io inümtum — das allgemeine Charakteristikum des Film dramas ist die rohe Entgeistigung der Vorgänge. Worin beruht die künstlerische Wirkung eines Dramas oder eines Romans? Darin, daß wir Menschenfchicksale in notwendiger, organischer Entwicklung sich entfalten und vollenden sehen, daß wir als Miterlebende hineingezogen und so über unser eigenes enges Sein hinaus unendlich bereichert werden. Das Filmdrama aber zerreißt alle geistigen und seelischen Zusammenhänge, zerstückt den Organismus in einen Bilderbogen von ausgeschnittenen und wieder nebeneinandergeklebten Situationen, und ersetzt den künstlerisch kausalen Aufbau durch ein rohes zeitliches Nachein ander. Ein Filmdrama nach Shakespeare, Ibsen oder einem be deutenden Romanwerke verhält sich zum Original wie ein zwei Seiten umfassender Auszug zur Odyssee — ein Amerikaner würde vielleicht den Auszug vorziehen. Ob das Filmdrama, wie behauptet worden ist, einen Teil der Zuschauer dazu ver anlassen könne, die Bekanntschaft mit den ihm zugrundeliegenden Kunstwerken zu suchen, erscheint mir aus dem Grunde höchst zweifelhaft, weil es seinem ganzen ungeistigen Charakter nach der geborene Kuppler jener Halb« und Viertelsbildung ist, die sich nur iminer beschäftigt sehen, aber sich nie selbst tätig beschäftigen will. Ganz irreführend und geradezu sinnlos ist die oft wiederholte Behauptung, daß das Kinodrama die »Anschauung«, die künst lerische Anschauung fördere. Es macht die Menschen Hinschauen, nicht anschauen; es gibt Schauobjekte, nicht künstlerische An schauung, denn diese kann nur durch die gesetzmäßige, aus der schöpferischen Kraft einer Individualität hervorgegangene Dar stellung der sinnlichen Erscheinungen vermittelt werden. Albert Dresdner. Der Kinematograph, wie alles wesentlich Mechanische, be greift in sich mehr des Kulturfeindlichen als des Kulturfördern den, daran ist kein Zweifel insofern man Kultur nur einiger maßen in einem höheren, will sagen, geistigen Sinne versteht. Ich persönlich empfinde ihn geradezu als Roheit. Und literaIurfeindlich ist er sicher. Oder soll etwa ein Tho mas Mann seinen Tod von Venedig in den Kientopp schicken? Jedoch, da das Kino, nach meiner Beobachtung, nur für Leute da ist, die sowieso nie ein gutes Buch der Literatur lesen, mag seine Gefahr für die Literatur noch verhältnismäßig gering sein. Mit Recht setzen Sie in Ihrem Schreiben das Wort Anschauung in Gänsefüßchen. Wenn Theosophen und Mystiker so gern von der Anschauung Gottes reden, so hat dieses Wort dabei immer noch hundertmal mehr Sinn, als wenn es in Beziehung zum Kinematographen ge braucht wird. Sein Verhältnis zum ernsten Theater mögen andere beur teilen. Doch hat der Kinematograph vielleicht das Gute, die anachronistische Überschätzung des Theaters bei uns ein wenig aä absurdum zu führen. Das wäre gar nicht seine böseste Wir kung. Schab ist es für das Tingeltangel. Wir in Deutschland hat ten nie ein gutes, Frankreich hatte es, und siehe, das Kino fängt bereits an, das lebendige Tingeltangel zu verdrängen, zu zer stören, und das ist wirklich schade. Im Tingeltangel war noch immer der lebendige Mensch, mit seinem Körper, und manchmal mit seinem Geist, aber im Kinematographen? Im Vergleich zu ihm ist der roheste Zirkus noch ein hohes Kunstinstitut. Dies meine persönliche Auffassung. Benno Rüttenauer. Ich kann als Künstler nur eine Gattung von Büchern gelten lassen: die bedeutenden. Und die haben mit dem Kine matographen nichts zu tun. Richard Schaukal.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder