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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.06.1913
- Strukturtyp
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- 1913-06-05
- Erscheinungsdatum
- 05.06.1913
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- Deutsch
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Mitg.^2 l-' d'ieüe0/',^,^.*32*MZS^N." ! «5^r ^,6.17<M. statt I8M. StellengejuxH« werden mit ly pj-p^ 4 Nr. 127. Leipzig. Donnerstag den 5. Juni 1913. 80. Jahrgang. Redaktioneller Teil Kino und Buchhandel. Wir drucken nachstehend die uns auf unsere Umfrage (vgl. Bbl. Rr. 77> zugegangenen Antworten ab und würden uns freuen, wenn diese Meinungsäußerungen, so sehr sie sich auch unter einander oft widersprechen, zur Klärung der Beziehungen zwischen Kino und Buchhandel beitragen würden. Ohne uns in den Streit der Meinungen selbst zu mischen, möchten wir doch dem Sortimentempfehlen.den Kinotheatern seine Aufmerksam keit zuzuwenben und zu versuchen, das erweckte stoffliche Inter esse an deren Ausführungen auf die ihnen zu gründe liegenden Bücher llberzuieiten. Die Verleger aber werden gut daran tun, beim Erwerb eines Werkes auch dessen Verfilmung in die ver traglichen Abmachungen in ähnlicher Weise einzubeziehen wie jetzt die Dramatisierung bzw. das Aufführungsrecht. Red. Die Frage der Beziehungen zwischen darstellender Kunst und photographischer Industrie ist schon vor einem halben Jahr hundert aktuell gewesen und damals u. a. von Baudelaire unter dem Titel »Das moderne Publikum und die Photographie« in tem peramentvollen Worten behandelt worden, die auch auf unsere heu tigen Verhältnisse genau anwendbar sind. Ist es doch geradezu eine Schilderung unserer »Lichtspiele«, wenn er schreibt: »Seit diesem Augenblicke kam die ganze unsaubere Gesellschaft wie ein einziger Narzissus herbeigestürzt, ihr triviales Bildnis im Spiegel zu betrachten. Eine Narretei, ein außerordentlicher Fanatismus bemächtigte sich all dieser neuen Sonneanbeter. Unglaubliche Abscheulichkeiten ließen sich sehen. Man brachte Narre» und Närrinnen zusammen, herausstaffiert wie die Flei scher und die Wäscherinnen im Karneval, und gruppierte sic, und so schmeichelte man sich, die tragischen oder anmutvollen Szenen der alten Geschichte wiederzugeben. Irgendein demo kratischer Schriftsteller mutzte hier das Mittel erblicken, auf wohlfeile Art im Volke den Widerwillen gegen die Geschichte und die Malerei zu verbreiten, wodurch er denn ein zwiefaches Verbrechen beging und zugleich die göttliche Malerei und die erhabene Kunst des Schauspielers beleidigte. Kurze Zeit dar nach beugten sich Tausende begieriger Blicke über die Löcher des Stereoskops, als wären sie die Dachluken der Unendlichkeit. Die Liebe zum Schlüpfrigen, die von Natur im Herzen des Men schen nicht minder lebhaft als die Eigenliebe ist, ließ eine solch schöne Gelegenheit zu ihrer Befriedigung sich nicht entgehen. Und man sage nicht, daß nur die kaum der Schule entwachsenen Kinder an diesen Dummheiten ihre Freude hätten; sie wurden Sucht und modisches Ergötzen für alle Welt. Vor einer schönen Dame, einer Dame der Welt — nicht meiner Welt — verbargen einige Personen diskret dergleichen Bilder, indem sie also sich die Mühe machten, der Dame Schamgefühl auf sich zu nehmen; da Hab' ich diese Dame sagen hören: .Geben Sie nur ruhig her; es gibt nichts, was für mich zu stark sein könnte'. Ich schwöre, daß ich selber dies gehört habe; doch wer wird mir's glauben? Me sehen wohl: es sind große Damen', sagt Alexandre Dumas. ,Es gibt noch größere in der Art', sagt Cazotte . . . .« Im Weiteren Prägt Baudelaire den Satz: »Die Poesie und der zivilisatorische Fortschritt sind zwei Ehrgeizige, die einander hassen mit einem instinktiven Hatz, und wenn sie sich auf einem Wege begegnen, so muß eins des andern Diener sein«, — und eine Entscheidung über Kunst und Kultur eines Volkes erblickt i er in der Beantwortung der Frage, wer von beiden, die Kunst oder die Industrie, in Kollisionsfällen die Herrschaft behaupten würde. Demgemäß sei es zu wünschen, daß die Photographie stets die dienende Rolle behalten möge. »Ist nicht die Annahme erlaubt, ein Volk, das sich gewöhnt, die Resultate einer Wissen schaft und die Hervorbringungen des Schönen mit gleichen Augen anzusehen, werde nach Verlauf einer gewissen Zeit merk lich die Fähigkeit in sich vermindert haben, das Allerzarteste, das es gibt, zu beurteilen und zu empfinden?« Soweit ich sehe, wird die Frage heute noch durchgehend im gleichen Sinne beantwortet. Kürzlich erhielt ich nun, wie viele Verleger von Romanen, eine Zuschrift, in der mir wegen einer »Verfilmung« meiner Verlagswerke Anerbietungen gemacht wurden. Mit solchen An regungen wird aber weder der Literatur noch dem Kinemato- graphen ein guter Dienst erwiesen. Ein künstlerischer Roman ist kein geeignetes Objekt zur kincmatographischen »Bearbeitung«, denn Inhalt und Form eines Kunstwerks entspringen einer Intuition und lassen sich nicht nachträglich von einander trennen, ohne daß der künstlerische Wert — und einen anderen besitzt ein Kunstwerk nicht — sofort zerstört würde. Soll also das Kino drama nicht von vornherein ein geschmackloses Unding sein, so mutz es einer Phantasie entstammen, die sogleich auf die kine- matographischen Möglichkeiten eingestellt war. Anregung wird diese Phantasie, bewußt oder unbewußt, zunächst Wohl stets aus der Literatur sich holen, aber sie wird nicht einer künst lerischen Schöpfung der Literatur mit Fleiß und Absicht folgen dürfen; im Gegenteil: ihr Streben, ja geradezu ihr Ehrgeiz wird es sein müssen, sich vom Buche freizumachen. Mit der Romanverfilmung hat der Kinobetrieb seinen ästhe tisch verhängnisvollsten Abweg betreten. Der Buchroman in Kinovorfiihrung ist eine Barbarei, »tzuo vaäis?« ist ein pein licher Beweis dafür. Der stete Wechsel von Einzelszenen und Massenszenen bedingt auch eine unablässige sprunghafte Verwand lung der Größenverhältnisse im Bilde selbst: hier zwei Menschen in Lebensgröße — und im Nu dieselben beiden Menschen inner halb einer Menge nur noch als Miniaturfiguren sich zeigend. Dazu der Ersatz des gesprochenen, durch das — plötzlich zwischendurch erscheinende — gedruckte Wort (»Wenn du mir eine Bittschrift zu überreichen hast, so...« — 15 Sekunden später fährt die nächste Tafel fort: »komme morgen früh; ich empfange nach dem Bade.«) Unleidlicher noch ist das stumme Gepabbel der Lippen, denen na türlich auch erst auf einspringenden Texttafeln Worte verliehen werden können. Das alles ergibt ein fürchterliches Durchein ander, einen derart geschmackverletzenden Mischmasch, daß der Unsinn des Romanverfilmens nicht Wohl derbdeutlicher aä oo»- ios demonstriert werden kann, als durch eine derartige Vor führung. Obendrein ist das Kinobild, das naturgemäß die stö renden Texteinschaltungen nach Möglichkeit einzuschränkcn strebt, auf die handgreiflichsten mimischen Ausdrucksmöglichkeiten be schränkt auf jenes »Ich liebe dich ewig, du holdes Engels bild!« — oder: »Ha, stirb, Verruchter!« — oder das hysterische: »O weh, mein armer Kops; ich ertrag' es nicht!« — das nach alt überkommener Schmierentradition jedes Nähmädchen und jede bessere Dame schon aus dem Gestus des »Künstlers« zu ent nehmen vermag. 777
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